20. August 2016
Marktplatz in Worms:

Der dreifache Echo-Preisträger JORIS spielte am Festivalsamstag auf der Marktplatz-Bühne vor etwas mehr als 1.000 Besuchern und beantwortete hierbei (unbewusst) zwei Fragen: 1. Warum hören immer weniger Menschen konventionelles Radio? 2. Wie hat es dieser JORIS in den letzten drei Jahren geschafft, vom Newcomer auf der Jugendherbergsbühne zum Samstagabend-Headliner auf der Marktplatz-Bühne zu mutieren?

Die erste Frage ist relativ schnell beantwortet: Weil immer mehr Leute den gleichförmigen Mainstream-Weichspüler-Pop, der tagtäglich aus den Radios des Landes quillt, einfach nicht mehr hören können. Egal, ob die gesanglich durchaus talentierten Protagonisten nun Tim Bendzko, Maxim oder eben JORIS heißen, die allesamt im gleichen Fahrwasser schwimmen. Das ist sehr brave Popmusik ohne Ecken und Kanten, ausgestattet mit banalen Texten, die in besonders verzweifelten Momenten auch mal am Rande des Suizid jonglieren können, aber insgesamt mit so viel positiven Phrasen aufwarten, dass man meinen könnte, hinter allen stecke exakt der gleiche Texter, Komponist und Produzent. Genau das war auch das Problem von JORIS in der ersten halben Stunde seines Konzertes auf dem Marktplatz, der – im Vergleich zum Vorabend bei Boss Hoss – vielleicht zu einem Viertel gefüllt war. Da hörte sich doch vieles derart ähnlich an, dass man seine bekanntesten Hits, „Bis ans Ende der Welt“ und natürlich „Herz über Kopf“, ein ums andere Mal herauszuhören glaubte. Oder war es doch eine Nummer von Max Giesinger? Das Ganze vorgetragen von einem 26-Jährigen, der allem Anschein nach schon mehr Liebeserfahrungen gesammelt hat als sein gesamtes Stammpublikum, das sich normalerweise hauptsächlich aus weiblichen Heranwachsenden konsultiert. An diesem Jazz & Joy Samstag waren aber auch jede Menge (ältere) neugierige Festivalbesucher gekommen, bei denen die Liebes-Depressiven-Hymnen anfangs noch nicht so recht zünden wollten. Nicht alles, was in einem kleinen Club funktioniert, ist halt auch für die große Bühne gemacht. So dauerte es eine Weile, bis JORIS es doch schaffte, auch diejenigen zu berühren, die nur mal auf einen Sprung vorbeischauen wollten. Als er sich während „Sommerregen“ artig dafür bedankte, was er in den letzten Jahren erleben durfte und davon erzählte, dass er in Ansbach hätte auftreten sollen, bevor ein Selbstmordattentäter am Eingang eine Bombe gezündet hat, stand da ein ungemein sympathischer, bodenständiger Junge auf der Bühne, der absolut authentisch von seinen Ängsten und Träumen erzählt hat. Als er anschließend das Publikum erst zum Augen schließen und dann zum Springen aufforderte, da bebte plötzlich der komplette Marktplatz und der erfahrene Konzertbesucher wusste: Jetzt hat er die Menge gepackt. Zum Abschluss des Hauptprogramms gab es noch „Hoffnungslos hoffnungsvoll“, das ähnlich funktioniert wie z.B. „Fix you“ von Coldplay mit seinen ruhigen, klavierdominierten Strophen, ehe dann beim Refrain alle kräftig in die Tasten hauen und die Saiten malträtieren. Überhaupt sind die heimlichen Idole der vier Jungs auf der Bühne weder zu überhören noch zu übersehen, spätestens wenn ihr Frontmann mal wieder wie Chris Martin über die Bühne tänzelte, die Gitarre locker umhängend, um dann für den nächsten ruhigeren Song wieder ans Klavier zu wechseln. „Bis ans Ende der Welt“ gab es als erste Zugabe in einer reduzierten Version, bevor ganz am Schluss endlich DER große Hit kam, den wirklich alle kannten, die wenigstens ab und zu Radio hören. Und tatsächlich war „Herz über Kopf“, überwiegend gesungen vom mittlerweile entfesselten Publikum, ein ziemlich großartiger Abschuss eines Konzertes, das erst spät in die Gänge gekommen war. Da bekommen sogar die Zaungäste, die sich vorm Hotel Hüttl versammelt hatten, ihren eigenen Mitsingpart.

FAZIT: Nach zähem Beginn hat JORIS doch noch den Marktplatz gerockt. Somit war auch die zweite Frage beantwortet, wie es dieser gesanglich wie musikalisch überaus talentierte JORIS innerhalb von drei Jahren vom Newcomer auf der Jugendherbergsbühne zum Samstagabend-Headliner auf der Marktplatz-Bühne geschafft hat. Radio-Pop hin oder her, der Junge kann schon was.