Das Durchschnittsalter eines Nibelungen Besuchers liegt bei knapp 54 Jahren. Fast die Hälfte der auswärtigen Besucher kommt aus dem Umkreis von 50 Kilometern. Nur 14 Prozent der Eventtouristen übernachten auch in Worms. Das sind drei von ganz vielen Erkenntnissen, die eine Studie der Hochschule Worms zu Tage gefördert hat. „Evaluation der ökonomischen Wirkungen der Nibelungen Festspiele 2014“ lautet der Titel der Studie, die am Fachbereich Touristik/Verkehrswesen der Hochschule Worms entstand. Die hierbei wichtigste Frage lautete: Wie viel Geld fließt von außen in die Region als unmittelbare Auswirkung der Nibelungen-Festspiele?

Worms ist DIE Nibelungenstadt und in dem seit 2009 als UNESCO-Weltliteraturerbe anerkannten Nibelungenlied der wichtigste Ort der Sage. Diese Geschichte und Kultur der Stadt hat man irgendwann als Motor der Stadtentwicklung erkannt. Ende der 90er Jahre entschloss man sich von Seiten der Stadt dazu, das Thema „Nibelungen“ aktiv im Stadtbild zu inszenieren. Zudem wurde ein Nibelungenmuseum eröffnet, das sich zwar niemals auch nur ansatzweise wirtschaftlich getragen hat, aber heutzutage wichtige kulturelle Arbeit verrichtet, in dem man nebenbei umfangreiche museumspädagogische Angebote für Kinder, Jugendlichen und ganze Schulklassen konzipiert hat. Auch weisen verschiedene Veranstaltungen, wie das Festival „Wunderhoeren – Tage alter Musik und Literatur in Worms“, der Mittelaltermarkt „Spectaculum“, wissenschaftliche Tagungen und natürlich als großer Leuchtturm die Nibelungen Festspiele auf das zentrale Vermarktungsthema der Stadt hin. Erste Erfolge bleiben nicht aus: Eine Umfrage unter Tagestouristen aus dem Jahr 2011/2012 bestätigte, dass neben dem Image-Leuchtturm „Dom“ die Stadt Worms vor allem als „Nibelungenstadt“ wahrgenommen wird.

Die wichtigste Erkenntnis aus der Studie der Hochschule Worms ist aber eine andere „1,6 Millionen Euro Wertschöpfung ist der Betrag, der durch Besucher und Mitarbeiter der Nibelungen-Festspiele 2014 in die Stadt floss!“ Das wiederum ließ Oberbürgermeister Michael Kissel frohlocken: „Die berechnete Wertschöpfung übertrifft die Zuschüsse der Stadt, die sich aktuell auf 1,5 Millionen Euro pro Jahr belaufen.“ Man könnte auch zunächst mal ganz oberflächlich daraus schließen: Die Stadt investiert 1,5 Millionen an Steuergeldern von uns allen, damit 1,6 Millionen wieder reinkommen, die allerdings nur einem bestimmten Kreis zugutekommen: Gastronomie, Hotels und Einzelhandel. Denn auch das geht aus der Studie hervor. Während Besucher der Festspiele am meisten für die Übernachtung ausgeben, so lassen die saisonalen Mitarbeiter ihr Geld vor allem in der Gastronomie und dem Einzelhandel vor Ort. Untermauert wird dies auch durch offizielle Zahlen, denn laut statistischem Landesamt sind die Übernachtungszahlen in Worms in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. 2013 verzeichnete die Nibelungenstadt sogar ein Plus von 8,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Ziel, mit dem Thema Nibelungen mehr Touristen nach Worms zu locken, hat also offensichtlich funktioniert.

Trotzdem steht der Vorwurf im Raum, dass es sich bei den Nibelungen-Festspielen im Endeffekt lediglich um ein Konjunkturprogramm der Stadt handelt, das alle Steuerzahler wohl oder übel finanziell tragen müssen, aber im Endeffekt nur einem bestimmtem Kreis zugute kommt. Auch das wäre schlichtweg zu kurz gedacht. So wurden bei der Studie wirtschaftliche Impulse, die nicht ohne weiteres finanziell bewertet werden können, wie zum Beispiel die Ansiedlung von Lieferanten bzw. die Herausbildung neuartiger Wirtschaftsstrukturen, etwa in der Kreativwirtschaft, nicht erfasst. Banales Beispiel: Für die Nibelungen-Festspiele müssen Programmhefte oder Flyer hergestellt werden. Dafür benötigt es einen Texter, einen Grafiker, eine Druckerei und eine Verteilerfirma, die am Ende die Werbemittel unters Volk bringt. Allesamt verdienen somit indirekt an den Festspielen, sofern es sich idealerweise um einheimische Unternehmen handelt, die diesen Auftrag ausführen. Auch dieses Geld würde über Umwegen in der Stadt bleiben, gilt aber nicht als Kapital, das von außen in die Stadt getragen wurde. Ebenso wer in der Befragung angab, dass er ohnehin in der Region unterwegs gewesen sei und den Festspielbesuch sozusagen „einfach so mitgenommen habe“, dessen Umsätze wurden ebenfalls nicht berücksichtigt. Es ging also bei der Studie tatsächlich darum, wie viel Geld von außen von Festspielbesuchern nach Worms getragen wurde. Wie Prof. Dr. Jan Drengner ergänzt: „In Summe kann also festgestellt werden, dass die Nibelungen-Festspiele neben ihren positiven Impulsen für die Kultur, die Bekanntheit und das Image von Worms auch finanziell für die Stadt rentabel sind.“

Ernüchternd wird es, wenn man sieht, dass durch die Nibelungen zwar jede Menge Geld in die Stadt fließt, die Gewerbesteuereinnahmen sind auch stetig steigend, aber trotzdem ist das Loch im Haushalt der Stadt Worms beständig hoch. Sich auf den Lorbeeren der aktuellen Studie – „wir investieren 100.000 Euro weniger als von außen reinkommt“ – auszuruhen, wäre also nicht angebracht. Für die Zukunft kann das Ziel nur lauten, den städtischen Zuschuss für die Festspiele weiter zu senken und die Wertschöpfung zu erhöhen, in dem man Stadt und Umfeld so attraktiv gestaltet, dass eben mehr als nur 14 Prozent der auswärtigen Besucher auch tatsächlich in Worms übernachten. Dass die Festspiele trotzdem eine Bereicherung für die Stadt sind, zeigt sich an anderen Dingen, die nicht nur finanzieller Natur sind. „Insbesondere die Jugendtheater-Kultur ist zu einem Element der kulturellen Bildung und der Persönlichkeitsentwicklung für viele junge Leute geworden“, erinnert Michael Kissel an die Entwicklung der Theatergruppe „Nibelungenhorde“.

Der Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende der Festspiel GmbH vergaß auch nicht, andere positive Effekte hervorzuheben: Dabei sind Imageeffekte, Medienresonanz und Bürgerstolz noch gar nicht berücksichtigt. Sicherlich ist das Image der Stadt in den letzten 10 Jahren gewachsen, auch Jazz & Joy oder andere Events haben ebenso ihren Teil dazu beigetragen. 20.000 Besucher pro Jahr, die sich für Freilufttheater interessieren, sind auch durchaus ein Pfund, mit dem man wuchern kann. Das nimmt auch unser Umfeld wahr und Kulturbetriebe aus der Nachbarschaft nutzen z.B. unser Magazin als Werbeplattform, weil sie um Kulturinteressierte aus der Nibelungenstadt werben. Wir spüren somit selbst die positiven Auswirkungen der Festspiele, ohne in irgendeiner Statistik aufzutauchen. Die Festspiele sind also durchaus ein nicht zu unterschätzender wirtschaftlicher Motor. Den größten Vorwurf, den man sich gefallen lassen muss, konnte aber auch diese Studie nicht aus dem Weg räumen, nämlich dass es sich, bei Eintrittspreisen nahe dem dreistelligen Bereich, um eine städtisch subventionierte Veranstaltung für eine gut situierte Klientel handelt. Bei einem Zuschuss von 1,5 Millionen pro Jahr muss nach wie vor jede einzelne der knapp 20.000 verkauften Eintrittskarten mit 75.- Euro vom Steuerzahler bezuschusst werden. Auch von denen, die in keinster Weise von den Nibelungen profitieren.

Weitere Informationen:

Dieter Wedel hat die Festspiele seit 2002 zuerst als Regisseur und von 2004 bis 2014 als Intendant zu großem Erfolg geführt. 2014 übernahm Filmproduzent Nico Hofmann die Rolle des Intendanten der Nibelungen-Festspiele. Gemeinsam mit Thomas Schadt, dem Geschäftsführer der Filmakademie Baden-Württemberg, als künstlerischem Leiter will Hofmann Worms zur Stätte von qualitativ hochwertigen Uraufführungen machen, die das Nibelungenthema von einer neuen Seite beleuchten und vertiefen. 2015 finden die Nibelungen-Festspiele vom 31. Juli bis zum 16. August statt. Gespielt wird ein Nibelungenstück des renommierten Bühnenautors Albert Ostermaier. Weitere Informationen unter www.nibelungenfestspiele.de.