Am 25. Mai darf Worms über die neue Zusammensetzung des Wormser Stadtrates abstimmen. Deshalb die gute Nachricht vorab: Wahlberechtigt sind auch „Rüpel“. Das sind die Einwohner dieser Stadt, die eine andere Meinung als ihre politische Führung haben. Es war eine Szene mit Symbolcharakter. Als SPD und CDU in der Stadtratssitzung vom 2. April das Thema „Bürgerbegehren wegen dem geplanten Haus am Dom“ aus dem eigenen Entscheidungsbereich verbannt hatten und somit klar war, dass eine Bürgerbefragung zu dieser Frage keinesfalls gemeinsam mit der Kommunalwahl stattfinden würde, da wandte sich ein enttäuschter Bürger beim Hinausgehen noch einmal Richtung Stadtrat und machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl: „Kein Respekt vor den Bürgern!“. Vielleicht hätte der gute Mann in seiner Erregung darüber, dass man Volkes Meinung partout nicht erfragen wollte, besser rufen sollen: „Kein Respekt vor der Meinung der Bürger!“. Kleinigkeiten ändern aber sowieso nichts daran, dass er sich damit längst den Zorn von Oberbürgermeister Kissel auf sich gezogen hatte. Wobei es der Vorsitzende der Bürgerinitiative, Dr. Josef Eberhardt, war, der selbigen höchstpersönlich abbekam, obwohl er doch eigentlich gar nichts kann für eine Meinungsäußerung eines Einzelnen. Kissel jedoch war längst außer sich, er habe „solche Rüpel im Rat noch nicht erlebt!“. Wohlgemerkt, der Mann hat nicht etwa jemanden beleidigt, sondern einfach nur „Kein Respekt vor den Bürgern!“ gerufen. Ganz davon abgesehen, dass die Souveränität, die Kissel von anderen einfordert, ihm selbst manchmal gut zu Gesicht stehen würde, zeigt seine Reaktion, wie weit sich das Stadtoberhaupt im zwölften Jahr seiner Regentschaft vom einfachen Bürger entfernt hat. Der ebenfalls anhand dieser „verbalen Entgleisung“ empörte Vorsitzende der BI, Dr. Eberhardt, forderte in einem Offenen Brief eine Entschuldigung Kissels: „Sollte Kissel sich nicht entschuldigen, steht für mich und viele Wormser Bürger fest: Der eigentliche Rüpel sind Sie, wenn Sie Bürger, die sich engagiert und demokratisch für den freien Blick auf das Wahrzeichen unserer Stadt einsetzen, als „Rüpel“ beschimpfen.“ Von daher ist die Kommunalwahl am 25. Mai auch eine Abstimmung darüber, welchen Politikstil die Bürger in Worms zukünftig bevorzugen. Echte Bürgerbeteiligung, die sich nicht nur durch halbherzige Mitspracherechte, wie beim „Haushalt im Dialog“, auszeichnet, sondern auch große Themen beinhaltet, wie eben ein „Haus am Dom“ oder ein 50-Millionen-Euro teures Kulturzentrum. Und ob die Bürger an der Gestaltung ihrer Stadt aktiv mitwirken wollen oder ob sie weiterhin der Basta-Politik ihres Oberbürgermeisters folgen müssen – so wie die meisten Mitglieder des Wormser Stadtrates. Möchten die Wormser von oben herab, fast schon Sonnenkönig gleich regiert werden, oder darf man sich auch einmal eine andere Meinung als die Stadtführung erlauben? Ohne gleich als „Rüpel“ bezeichnet zu werden.