22. Juli 2018 | EWR Kesselhaus in Worms:

Seit zwölf Jahren ist das Theaterprojekt Nibelungenhorde, das seit 2010 ein eingetragener Verein ist, untrennbar mit den Festspielen verbunden. Jedes Jahr lädt der Verein theaterinteressierte Jugendliche in den Sommerferien zu einem Workshop ein, an dessen Ende ein Theaterstück steht, das im Kulturprogramm der Festspiele aufgeführt wird.

Nachdem man sich in den vergangenen Jahren mit der Flüchtlingsproblematik und der Gewissenfrage im Sinne Luthers beschäftigt hatte, kehrte man in diesem Jahr wieder zu den namensgebenden Nibelungen zurück. Verbunden war damit der Anspruch, der alten Sage ein neues Gewand zu verpassen. Ein modernes Kleid fand man in Form unserer umfänglich digitalisierten Welt, der wir uns immer mehr ausliefern, ohne die Konsequenzen dessen zu hinterfragen. Was bedeutet es, wenn die Technik uns sagt, wen wir warum zu lieben haben, der Algorithmus unsere Interessen bestimmt und überhaupt, was macht einen Mensch zum Menschen? Kann eine künstliche Intelligenz einen Mensch ersetzen? Denn genau nach der sucht ein Technologiekonzern, der stellvertretend für die Burgundersippe stand. Es ist natürlich nur logisch, dass bei der Horde aus dem Drachentöter Siegfried ein äußerst begabter Hacker wurde, der mit Skateboard und einem hippen Rucksack die Bühne betrat, und der Wettkampf um Brünhild auf Island ein Hackerwettstreit wurde. Zu guter Letzt entpuppte sich Brünhild auch noch als Cyberterroristin, die für eine stattliche Anzahl von Terroranschlägen mit Todesfolge verantwortlich war. Gewagt war hierbei sicherlich die Entscheidung, Hagen alias Pablo mit einem syrischen Flüchtling zu besetzen. Dieser Umstand versetzte der Szene, in der Hagen Brünhild misshandelte und anschließend zur Vergewaltigung verschleppte, in Anbetracht jüngster Gewalttaten gegenüber deutschen Frauen eine unangenehm tendenziöse Ausrichtung.

Fazit: Die rund zweieinhalbstündige Aufführung war mal wieder prall gefüllt mit kreativen Ideen, die allesamt in den Workshops unter professioneller Anleitung entwickelt wurden. Nicht alle trafen ins Schwarze, dennoch muss man den jungen Menschen auf und hinter der Bühne größten Respekt für diese mutige Neuinterpretation zollen.