Es war eine Meldung, die Anfang Juni aufhorchen ließ: „Ärger wegen Bordsteinen vor der Lutherkirche: Gemeinde will nicht aufgeben.“ Bahnte sich da ein weiterer Haus-am-Dom-Konflikt an? Statt Bürger gegen Kirche, dieses Mal Kirche gegen Stadt. Was war passiert?

Im Zuge der quälend langen Sanierung der Friedrich Ebert Straße wird derzeit der Abschnitt in Höhe der Lutherkirche erneuert. In Folge dessen sollen auch die Granitbordsteine, die das Mosaikpflaster entlang der Kirche umrahmen, entfernt werden und durch Betonsteine entfernt werden. Dieser Umstand erweckte den Unmut der Luthergemeinde, die sich für den Erhalt der vor 100 Jahren verlegten und damals von der Gemeinde bezahlten Steine einsetzte. Unterstützung fanden sie auch schnell bei Pfarrer Delp und aktuell durch die kirchliche Denkmalpflege in Hessen und Nassau. Nun ist Denkmalpflege generell ein positives Ansinnen, zumal die Denkmalpflege Hessen Nassau durchaus Recht hat, wenn sie auf die hochwertigen Bauelemente verweist, denn tatsächlich ist der Betonersatz kein ebenbürtiger Ersatz. Die Stadt argumentiert dann auch, dass die Wiedereinpflege der Steine deutlich teurer sei als die kostengünstigere Variante. Weiter begründet sie das Vorgehen mit baulichen Vorteilen, da die Betonsteine leichter zugeschnitten werden könnten. Argumente, die die Gemeinde und die Kirche so nicht stehen lassen möchten. Baudezernent Uwe Franz und der für Denkmalschutz zuständige Bürgermeister Kosubek sehen indes wenig Chancen für den Verbleib der Steine.

Denkmalschutz ist in Worms sowieso ein heikles Thema. Auch bei einem ganz anderen prominenten Thema wollten die Stadtoberen keinen besonderen Denkmalschutz erkennen, wobei in diesem Fall die Kirche selbst diesen auch nicht sah. Nachdem Tausende Bürger für den Erhalt eines freien Domblicks kämpften, zog es die Kirche vor, auf stur zu stellen und ihr Bauvorhaben durchzuziehen. Nun hatte per se niemand der Gemeinde ein Gemeindehaus streitig machen wollen, im Gegenteil, zeigten doch die meisten Bürger Verständnis für das Vorhaben, aber eben nicht in dieser überdimensionierten Form. Die Fronten verhärteten sich, die Stadt entzog sich mit einem „wir sind nicht zuständig“ und die Kirche begann ihr Megaprojekt, das im Moment noch für knapp 8 Millionen Euro geplant ist, in Angriff zu nehmen. Es mutet in diesem Zusammenhang schon ein wenig zynisch an, wenn der Dompropst mit der Grundsteinlegung am 03. Juli erwähnt, dass eine Schatulle in diesen eingebettet ist, in der der Widerstand gegen das Haus dokumentiert ist. In einer Presseerklärung erklärte Propst Tobias Schäfer: „Wir wollen bei der Grundsteinlegung nicht so tun, als wüssten wir nicht, dass es gegen den Bau auch Widerstände gab.“ Dies solle auch für die Nachwelt ersichtlich sein. Weiter verweist er darauf, dass der Grundstein nach alter Tradition für Jesus Christus sei. Doch eben genau dieser Jesus Christus lebte in Armut und predigte immer wieder Bescheidenheit; eine Bescheidenheit, die man bei der Kirche oftmals vermisst. Zwar ist Worms nicht Limburg, doch auch hier fällt der eigenwillige Weg der Kirche auf und das ausgerechnet in einer Zeit, in der Kirchen eine besondere Bedeutung zukommen könnte. Statt sich auf die wirklichen Probleme in unserer Gesellschaft zu konzentrieren, erscheint Kirche zunehmend als Institution, die um sich selbst kreist, sozusagen intrinsisch agiert. In diesem Zusammenhang erscheint es auch fast wie eine Machtdemonstration, wenn die Kirche pünktlich zur Sommerzeit einen durchaus eindrucksvollen Kran auffährt, mit dem sie sehr eindeutig das Bauvorhaben untermauert, so dass auch jeder bei Jazz & Joy oder den Nibelungen-Festspielen die Wunde am Dom in Augenschein nehmen kann.