Alle Jahre wieder herrscht in den Sommermonaten eine angespannte Situation im Bürgerservicebüro der Stadt Worms. Von langen Wartezeiten genervte Bürger treffen auf städtische Mitarbeiter, deren Abteilung notorisch unterbesetzt ist und die ihren Frust genauso an den Bürgern auslassen wie andersrum. Abgesehen von den mitunter tropischen Innentemperaturen herrscht dieser Tage nun wahrlich kein angenehmes Klima in der Stadtverwaltung Worms.

Es ist ein beliebtes Sommerthema und das seit mindestens drei Jahren. Immer um die gleiche Zeit, sprich: in der Urlaubszeit, häufen sich die Beschwerden von Wormser Bürgern, die stundenlang in den stickigen Räumen im Adenauerring ausharren müssen, um beispielsweise eine banale Verlängerung ihres Ausweises zu beantragen. Was nur 10–15 Minuten Arbeit in Anspruch nimmt, dafür müssen sich viele Bürger oftmals einen halben Tag Urlaub nehmen. Wenn man überhaupt eine Chance erhält, an einem der sechs Plätze des Bürgerservicebüros, von denen aktuell zumeist nur vier besetzt sind, sein Anliegen vortragen zu können. Denn allzu oft hängt in der Urlaubszeit schon morgens um 9 Uhr ein Zettel in der Stadtverwaltung, dass die Schalter des Bürgerservicebüros wegen des hohen Besucherandrangs vorzeitig geschlossen wurden. Auch der Verweis auf die Möglichkeit von Online-Terminvereinbarungen zieht in diesem Fall nicht, denn gerade in der Vorurlaubszeit sind auch diese besonders begehrt und es ist in der Regel erst Wochen später etwas frei. Zu spät für den Sommer-Urlaub, man muss wohl doch persönlich erscheinen und sich eine Wartemarke am Automaten ziehen. Und dann gilt es, viel Geduld mitzubringen, weil mitunter noch zwanzig andere vor einem sind. Aber auch die städtischen Mitarbeiter haben es nicht leicht. Ohne Frage ist es ein verdammt undankbarer Job, den die Mitarbeiter im Bürgerservicebüro verrichten müssen. Nicht umsonst ist der Krankenstand seit Jahren konstant hoch, auch weil die Arbeitsbedingungen in dem stickigen Bunker nicht die besten sind. So mancher Bürger ließ bei diversen Besuchen von WO! Redakteuren in den letzten Wochen des Öfteren seinem Unmut freien Lauf, jedoch tun die städtischen Mitarbeiter nicht gut daran, wenn sie auch noch auf diese Provokationen eingehen. Aber vermutlich ist es leichter gesagt als getan, tagtäglich die Contenance zu behalten.

ANDERE PRIORITÄTEN
Aber wie kann man Abhilfe schaffen und die Bedingungen für Mitarbeiter und Kunden (sprich: den Bürgern) verbessern? Der zuständige Dezernent Hans-Joachim Kosubek tut das, was er zumeist tut, wenn er auf Unregelmäßigkeiten in seinem Dezernat angesprochen wird. Er zuckt mit den Schultern und verweist auf die leeren Kassen. Da eine neue Stelle im öffentlichen Dienst gut begründet werden muss, ist die Unzufriedenheit vieler Bürger mit den derzeitigen Zuständen anscheinend nicht Begründung genug. Was Herr Kosubek nämlich dezent verschweigt ist die Tatsache, dass man z.B. beim Kontroll- und Vollzugsdienst die Personalstärke seit August 2014 von ursprünglich 13,5 auf stattliche 25,5 Mitarbeiter erhöht hat. Aus kaufmännischer Sicht kann man diese neuen Stellen auch relativ gut begründen, denn eine mit knapp 45.000 Euro Personalkosten pro Jahr zu Buche schlagende Ordnungskraft zur Überwachung des ruhenden Verkehrs holt einen Großteil ihrer Lohnkosten durch Strafzettel wieder rein. Zynisch könnte man anfügen: Den ruhenden Verkehr in Worms stärker zu überwachen, ist auch durchaus sinnvoll, wenn man zur gleichen Zeit drei Parkhäuser schließt und damit jede Menge innerstädtischen Parkraum vernichtet, weil man zuvor über Jahre hinweg die Parkhäuser systematisch hat verrotten lassen, bis gar nichts mehr ging.

FÜR DIE BÜRGER ÄNDERT SICH AUCH IN ZUKUNFT NICHTS
Während sich also mit Strafzetteln gutes Geld verdienen lässt, im letzten Jahr erhöhten sich die Verfahren gegen Parksünder um knapp 20.000, ist die Verlängerung eines Reisepasses im Bürgerservice längst nicht so lukrativ. Und ob die Wormser nun eine Stunde, zwei Stunden oder womöglich einen ganzen Vormittag Urlaub dafür nehmen müssen – wen interessiert‘s? Daran wird sich auch nichts ändern, wenn der von Kosubek so vielgepriesene Umzug ins Andreasquartier erfolgt ist. Nur weil man in vermutlich schalldichten, geschlossenen Räumen arbeitet, wird dadurch der Anstand der Leute nicht besser. Besser wird die Situation allenfalls für die Mitarbeiter, weil man auch mal ungestört einen Kaffee trinken oder Dienstliches mit Kollegen besprechen kann, ohne auf dem Präsentierteller zu sitzen wie derzeit. So wird der Umzug im Endeffekt das gleiche bewirken, was schon bei Finanzamt und Arbeitsamt wunderbar funktioniert hat. Man kann sich in geschlossenen Räumen noch besser vom Bürger abschotten und die Wartezeiten werden ohne Neuanstellungen eher noch länger. Das ist die einfache, aber bittere Wahrheit. Deshalb wird sich an den Zuständen im Bürgerservice so schnell nichts ändern. Aber immerhin haben die regionalen Zeitungen weiterhin ein beliebtes Sommerthema für die nächsten Jahre.