Die Chancen, dass es in der Frage um ein „Haus am Dom“ einen Bürgerentscheid geben wird, stehen nicht sonderlich gut. Die Domgemeinde wird aus rechtlichen Gründen voraussichtlich nicht an das Ergebnis eines Bürgerentscheides gebunden sein und sich deshalb tunlichst davor hüten, die Meinung der Bürger zu dem umstrittenen Bauprojekt zu erfragen. Und von politischer Seite hat man, nachdem die Auswirkungen des Themas auf die Kommunalwahl nur minimal waren, erst recht kein Interesse daran, in dieser Sache umzukippen. Zurück bleiben werden Politik- und Kirchenverdrossenheit sowie ein Haus am Dom, das mindestens 10.000 Wormser nicht wollten. Ob die Mehrheit genauso denkt, werden wir wohl nie erfahren….

Fragt man Außenstehende nach dem aktuellen Stand in Sachen „Haus am Dom“, stellt man fest, dass die meisten schon längst nicht mehr durchblicken. Die Bürgerinitiative (BI) hat eine Niederlage vor dem Verwaltungsgericht erlitten, aber zieht weiter zum nächsten Gericht. Die rotschwarze Mehrheit im Wormser Stadtrat, die erst jüngst wieder im Amt bestätigt wurde, wird sich auf besagte Urteile stützen und den Bürgerentscheid mit ziemlicher Sicherheit „aus rechtlichen Gründen“ ablehnen. Alles andere wäre eine große Überraschung. Für die BI und knapp 10.000 Wormser, die mit ihrer Unterschrift dokumentiert haben, dass sie den Neubau ablehnen, würde das heißen: All die Aufregung umsonst? Ein derart kurz und schmerzloses Ende der seit Monaten schwelenden heiklen Frage um ein Bauprojekt, das offensichtlich nicht wenige Wormser ablehnen, würde vor allem die Frage aufwerfen, warum überhaupt Geld und Zeit für die beiderseitige Öffentlichkeitsarbeit investiert wurde, wenn es im Endeffekt den Gerichten überlassen bleibt, was mit dem Wahrzeichen der Wormser passieren soll. Aber egal, wie die Sache ausgeht, bleibt festzuhalten, dass sich alle Beteiligten nicht mit Ruhm bekleckert haben. Weder ein zaudernder und offensichtlich nur durch Fraktionszwang auf Trab gebrachter Stadtrat, noch die BI, die womöglich auf den falschen rechtlichen Beistand gesetzt hat. Und schon gar nicht die Domgemeinde, die sich auch nach der Präsentation des zweiten Entwurfs fragen lassen muss, ob man sich tatsächlich an die zuvor gemachten Versprechungen gehalten hat. Schließlich hatte man nach dem Reinfall mit dem ersten Entwurf, der nach einem wahren Proteststurm von den Wormsern nahezu übereinstimmend abgelehnt wurde, versprochen, für mehr Offenheit und Transparenz zu sorgen und die Bürger mehr einzubinden. Rückblickend muss man sagen, dass bereits der frühzeitige Betrugsvorwurf an die BI ein bisschen zu viel „Offenheit“ beinhaltete, ehe der Aufsichtsrat der Domgemeinde zurückrudern musste, als die Unterschriften der Gegner notariell beglaubigt waren. Ebenso war es mit der Offenheit vorbei, als die BI Kompromissvorschläge unterbreitet hat, mit denen man sich allem Anschein nach nicht einmal beschäftigt hat. Ein bisschen zu viel „Transparenz“ war es bereits, als die Kritiker ein Foto aus der gleichen Fußgängerperspektive wie beim ersten Entwurf verlangten. Und dass man die Bürger tatsächlich mehr eingebunden hätte, kann allenfalls auf die gestiegene Öffentlichkeitsarbeit in Form von Prospekten zurückzuführen sein. Weniger darauf, dass man nachweislich mehr Bürger von dem Bauprojekt überzeugt hätte. Zwar spricht man von Seiten der Domgemeinde gerne und oft davon, dass ein Stimmungsumschwung in der Bevölkerung stattgefunden habe. Doch bis zum heutigen Tag konnte man keine einzige seriöse Abstimmung vorlegen, die belegt, dass wenigstens die eigenen Mitglieder hinter den Bauplänen der Gemeindeleitung stehen. So ähnlich sieht das auch die BI, die in einer Presseerklärung verlautbaren ließ:

„Die Behauptung, dass die Domgemeinde das Projekt unterstützen würde, wurde nie geprüft und eine Befragung der Domgemeindemitglieder, aus deren Reihen auch viele Protestschreiben und Unterschriften auch namhafter Gemeindemitglieder stammen, wurde nicht einmal gewagt.“

So lange also die Domgemeinde nicht ebenfalls Ross und Reiter nennt und Namen vorlegen kann, haben wir es allenfalls mit einem „gefühlten Meinungsumschwung“ zu tun, den aber wohl hauptsächlich die Herren Prieß & Co. „fühlen“. Dagegen weiß man sicher, dass mehr als 10.000 Wormser dagegen sind. Nur ignorante Menschen leiten daraus ab, dass der Rest automatisch dafür ist. Genauso wenig wie diese Zehntausend eine Mehrheit in Worms repräsentieren.

Die rechtliche und die moralische Seite
Wer die Kirche als „Privatperson“ bezeichnet, mag damit von der rechtlichen Seite her richtig liegen, denn laut Baurecht gilt der Bauherr auf seinem eigenen Grundstück nun mal als „Privat“, auch wenn die Kirche gewiss keine „private“ Organisation ist. Spätestens jetzt sollte die Moral ins Spiel kommen, denn das der Kirche zur Verfügung stehende Geld stammt nun mal nicht aus einer Privatschatulle, sondern ist das von der Öffentlichkeit der Kirche anvertraute Kapital. Anvertraut in der Hoffnung, dass man damit etwas Sinnvolles anstellt. Nimmt man davon jedoch 4 – 5 Millionen, um das Wahrzeichen der Stadt zuzubauen, kann man das schon mal hinterfragen. Dass der Kapitalgeber, sprich: die Öffentlichkeit, in einem solchen Fall ihr Recht auf Mitsprache wahrnehmen will, mag zwar nicht im Baurecht verbrieft sein, aber ist allemal ein „moralisches Recht“. Und es macht die Sache nun wahrlich nicht einfacher, dass ausgerechnet eine Einrichtung, die die Moral für sich gepachtet zu haben scheint, in einem solchen Fall sagt: „Wir pfeifen auf die Moral!“

Zwei Herzen schlagen in der sozialdemokratischen Brust
Ähnlich ergeht es der SPD in Worms. Die hat einen Jens Guth in den eigenen Reihen, der in seiner Funktion als Generalsekretär der rheinland-pfälzischen SPD „mehr Bürgerbeteiligung“ fordert und bei seinen zahlreichen Gesprächen mit den Bürgern natürlich auch deren Unmut über die „Bausünde am Dom“ mitbekommt. Unvergessen in diesem Zusammenhang das Bild von Guth, wie er gerade, natürlich von Fotografen dokumentiert, seine Unterschrift unter das Bürgerbegehren setzt. Und weil das in der Folge immer mehr Wormser taten, schlugen Guth und SPD-Fraktionschef Timo Horst vor der Kommunalwahl, als man einen Denkzettel der Wähler befürchtete, eine „Bürgerbefragung“ vor, an deren Votum sich beide Seiten halten sollten. Sowohl BI als auch Domgemeinde – unabhängig von der rechtlichen Lage. Dabei wurden sie direkt wieder von OB Kissel zurückgepfiffen, der diesen „Unsinn“ nicht unterstützen wollte. Und er sollte irgendwie auch Recht behalten, denn der Denkzettel für die SPD blieb mit einem Stimmenverlust von knapp 4% derart im Rahmen, dass es keine große Überraschung mehr war, dass man kurz nach der Wahl wieder zurückruderte. Nachdem die Domgemeinde erklärt hatte, dass man sich auf keinen Fall an das Ergebnis einer Bürgerbefragung halten würde, da man sich auf der rechtlich sicheren Seite wähnt, bedauerte man dies zwar von Seiten der SPD. Dabei wird es aber auch bleiben. Wer auch immer dem Thema „Haus am Dom“ eine überragende Bedeutung beimisst, hatte am 25. Mai im Rahmen der Kommunalwahl die einzigartige Gelegenheit, seine Meinung auf dem Stimmzettel kundzutun. Wer das versäumt hat, darf sich im Nachhinein nicht darüber beschweren…

Wer hat denn nun die Mehrheit?
Natürlich stehen 10.000 Unterschriften nicht für die Mehrheit in Worms, sondern sind allenfalls eine Demonstration eines gewissen Protestes in einer Stadt, in der sich mindestens die Hälfte der Einwohner überhaupt nicht für das interessieren, was um sie herum passiert. Alle vier Jahre wird dies in Form einer stetig sinkenden Wahlbeteiligung dokumentiert. Fakt ist jedoch, dass sich in Sachen „Haus am Dom“ keine Seite sicher sein kann, tatsächlich die Mehrheit der interessierten Wormser hinter sich zu wähnen. Umso interessanter wären ein Bürgerentscheid, Bürgerbegehren, eine Bürgerbefragung – oder wie auch immer man diesen demokratischen Akt nennen mag – gewesen. Aber dem hat die Domgemeinde bereits einen Riegel vorgeschoben. Man wird wissen, warum. „Alt, starr und unerbittlich in den eigenen Dogmen“. Genau so nehmen aufgeklärte Menschen die katholische Kirche seit Jahrhunderten wahr. Daran wird sich auch aktuell wenig ändern. Mehrheit hin oder her: „Das Haus am Dom“ wird genauso sicher kommen, wie anschließend bei vielen Wormsern der Frust auf Politik und Kirche zunehmen wird. Spätestens dann, wenn die ersten Bagger anrollen. Was passiert, wenn die Wormser einen Neubau ablehnen, kann man Tag für Tag an dem mit hohen Defiziten zu kämpfenden Nibelungenmuseum an der Stadtmauer beobachten.