Eis ist lecker! Das ist eine Aussage, die wahrscheinlich ein Großteil der Wormser Bevölkerung sofort unterschreiben würde. Eis ist aber auch ein Geschäft, mit dem man gutes Geld verdienen kann. Das weiß auch der Gastronom Pietro Vannini, der seit 23 Jahren sein beliebtes Eisgeschäft auf dem Marktplatz erfolgreich betreibt.

Seit einigen Jahren möchte der Italiener, der noch an drei weiteren Standorten Eisdielen betreibt, expandieren und ein ganzjähriges Eiscafé an selbiger Stelle bauen. Da der Marktplatz der Stadt gehört, benötigt er allerdings die Zustimmung mehrerer Ausschüsse. Ein langer Weg, der zuweilen possenhafte Züge trägt, wie zuletzt immer häufiger festzustellen ist. Bereits die Baupläne, die Vannini 2015 vorlegte, sorgten für Aufregung. Damals erklärten Klaus Karlin (CDU) und Timo Horst (SPD) übereinstimmend, dass man zwar dem Wunsch entsprechen wolle, aber der eingereichte Entwurf noch nicht ganz gelungen sei. Bereits kurze Zeit später formierte sich in den sozialen Netzwerken eine nicht unbeträchtliche Menge an Bürgern, die sich empört über das Verhalten der Stadt äußerten und für Pietro Vannini Partei ergriffen. Auch Vannini äußerte sich verärgert: „Es kann auch alles so bleiben wie es ist. Aber gebunden bin ich nicht. Ich kann mein Geschäft auch woanders betreiben.“ Der Oberbürgermeister zeigte sich wenig begeistert von dem Vorpreschen seiner Stadtratskollegen und sprach: „Ich stehe weiterhin in Kontakt mit dem Betreiber und hoffe sehr, dass ich Herrn Vannini noch dazu bewegen kann, seine Entscheidung zu revidieren. Denn sein Eiscafé ist ein Aushängeschild der Stadt.“ Gesagt getan! Herr Vannini kehrte an den Verhandlungstisch zurück und es kehrte wieder Ruhe ein. Die Gemüter im Internet kühlten sich ab und kaum noch jemand sprach über das Bauprojekt.

EIN ERNEUTER EKLAT
Bis zum 19. März diesen Jahres. An diesem Tag kam es zum erneuten Eklat. Der temperamentvolle Italiener zog nach einer Sitzung des Haupt-und Finanzausschuss überraschend seine Pläne zurück und zeigte sich empört über das Verhalten Wormser Politiker. Grund waren nach seiner Aussage überraschende, neue Vertragsbedingungen, die nicht mit den zuvor getätigten Absprachen übereinstimmten: „Leider wurden Forderungen, u.a. bezüglich einer Stellplatzablöse, an uns gestellt, die wir in dieser Höhe unmöglich leisten können. Da der Ausschuss unserer Argumentation in keinster Weise folgte, sehen wir uns gezwungen, mit schwerem Herzen von unserem großen Traum Abstand zu nehmen.“ Und weiter: „Natürlich möchten wir nichts geschenkt bekommen und wenn es nun einmal Regeln und Vorschriften gibt, dann halten wir uns selbstverständlicherweise auch daran. Aber leider drängte sich uns der Eindruck auf, dass es im Ausschuss vorwiegend darum ging, uns als Geldquelle zu benutzen und somit der eigentliche Anlass der Sitzung – nämlich ein tolles Projekt für Worms zu schaffen – total in den Hintergrund gedrängt wurde.“

„GEFÄHRLICHES HALBWISSEN“ BEI FACEBOOK
Was folgte, war eine öffentliche Diskussion, die bis heute anhält und in der jüngeren Stadtvergangenheit ihres gleichen sucht. Zählt man alleine die Kommentare auf den verschiedenen Facebook-Kanälen zusammen, so ist diese zwischenzeitlich auf rund 1.000 Kommentaren angeschwollen, darunter auch viele Stadtratsmitglieder, die wahlweise die Entscheidung des Haupt- und Finanzausschusses kritisieren oder verteidigen. Es dürfte in der Stadtgeschichte einmalig sein, dass ein Unternehmer einen derartigen Rückhalt aus der Bevölkerung erfährt. Dabei sind einige Details aus dem Vertrag bis heute der Öffentlichkeit nicht bekannt. Bekannt ist, dass die Stadt vom bisherigen Vannini-Vermieter bis zum 31.12.16 rund 400,- € im Monat aufgrund eines Erbpachtvertrags erhielt. Was wiederum der Italiener an den Vermieter zahlte, ist nicht bekannt. Seit Jahresbeginn gehört das Grundstück, auf dem früher ein Kiosk stand, wieder der Stadt. Mit Herrn Vannini wurde für eine Übergangszeit – bis zur Vollendung des schon lange geplanten Neubaus – ein Mietvertrag zu neuen Konditionen geschlossen. Auch hier ist die Summe unbekannt. Welche Miete anschließend gezahlt werden sollte: auch unbekannt. Insofern hat Stadtratsmitglied Uwe Radmacher (FDP) Recht, wenn er etliche Kommentare in Facebook mit den Worten „gefährliches Halbwissen“ kritisierte. Leider erhellte er die Unwissenden nicht, so dass fröhlich weiter diskutiert und spekuliert wurde.

BEKANNTE DETAILS
Ein Vertragsdetail, das in die Öffentlichkeit kam und ebenfalls kontrovers diskutiert wurde, war die monatliche Ablösesumme für fehlende Parkplätze. 910 Euro sollen es sein. Ein Umstand, der im Baurecht des Landes verankert ist und den auch die Dom Terrassen / Mauritius sowie das noch nicht fertig gestellte Haus am Dom entrichten müssen und auch taten. Sinn dieser Summe ist, dass die Stadt dieses Geld für die Schaffung von Parkraum verwendet, wenn der Gastronom keine eigenen Parkplätze nachweisen kann. Im Falle des Cafés berechnete man 30 Parkplätze, ausgehend von einer geplanten Sitzplatzkapazität von 430. Diese hätte er zähneknirschend akzeptiert, nicht jedoch die hohe, unbekannte Mietforderung. Vanninis Rechnung: Er hätte 540.000 Miete, sowie 1,5 Millionen an Gewerbesteuern gezahlt und nach 25 Jahren der Stadt ein Gebäude übergeben, dass er für zwei Millionen gebaut hat. Im Haupt-und Finanzausschuss galten allerdings plötzlich andere Zahlen, so Vannini. Wie einzelne Stadtratsmitglieder argumentierten, hielt man sich dabei an Vergleiche mit anderen innenstädtischen Unternehmern. Vielleicht wäre es in der Sache hilfreich gewesen, wenn es von Seiten der Stadt eine offizielle Presseerklärung gegeben hätte, statt das Feld Einzelnen zu überlassen.

ENDE DER GESCHICHTE WEITERHIN OFFEN
Nach vielen Worten und noch mehr Aufregung kehrten alle Beteiligten zwischenzeitlich wieder an den Verhandlungstisch zurück. Bei aller Diskussion um die Attraktivität des Gebäudes, was natürlich eine Frage des Geschmacks ist, solle man allerdings nicht vergessen, dass der Platz in erster Linie ein Marktplatz ist, der einen bestimmten Zweck hat, wie der Name schon verrät. Ob der Markt nach Errichtung des Cafés seinem Namen noch gerecht wird, wird sich dann zeigen. Im Übrigen kann man fast sicher davon ausgehen, dass die gleichen Leute, die jetzt einen Neubau fordern, sich spätestens im Winter darüber beschweren, wenn die neue Kapazität des Marktplatzes erst recht nicht mehr für eine Eisbahn ausreicht, geschweige denn, dass man dort im Umfang wie bisher Konzerte oder Public Viewing durchführen könnte.