Text: Dennis Dirigo & Frank Fischer

03. Dezember 2016
Das Wormser (Mozartsaal):

Als vor vier Jahren die Wormser Kultur- und Veranstaltungsgesellschaft (KVG) gemeinsam mit unserem Magazin beschloss, die Wormser Rocknacht wieder aufleben zu lassen, war die bange Frage, ob es genug musikalisches Potential in und um Worms herum gibt, um diese Jahr für Jahr abendfüllend zu gestalten. Heute lautet die Antwort ganz klar: ja!

Knapp 400 Musikbegeisterte fanden den Weg in den Mozartsaal, um gemeinsam mit zehn Bands eine lautstarke Party abzufeiern. Ursprünglich sollten sogar zwölf Bands spielen, allerdings mussten Acid Rain (Terminkollision) schon Wochen vorher und Silva Diva wenige Tage vor dem Auftritt wegen Erkrankung absagen. Dafür gab es dieses Mal sogar musikalischen Besuch aus Berlin und Hannover. Doch dazu später mehr. Zu Beginn der Rocknacht überraschte diese mit gar nicht mal so rockigen Klängen. Mit einer Mischung aus Soul, Reggae und Popelementen empfahl sich der Musiker Dujamo mit seinen eingängigen Songs für die nächsten Summerjams und ließ Chart taugliches Potential erkennen. Begleitet wurde der junge Mann aus Waibstadt von seiner deutlich jüngeren Schwester, die für das Sampling und die Backing Vocals zuständig war und sichtlich aufgeregt wirkte. Nach diesem kurzen Ausflug in karibische Gefilde zog mit den Straßenpoeten das Tempo deutlich an. Mit ihrer Mischung aus Pop und Alternative Rock schafften es die Jungs schnell, vor allem die anwesenden Frauen zum Tanzen zu animieren. Dass die Musik von deutschsprachigen Bands wie Jupiter Jones oder Revolverheld beeinflusst ist, ließ sich zwar nur schwer überhören, tat dem Unterhaltungswert jedoch keinen Abbruch. Mit einer kraftvollen Rhythmussektion im Rücken und dank eines extrem dynamischen Auftretens spielte sich die Band, die bereits mehrere Newcomerpreise einheimsen konnte, schnell in die Herzen der Rocknachtfans. Dort wollte auch die Berliner Band Goin’ South schnellstmöglich hin. Dass der erste Eindruck durchaus täuschen kann, bewiesen die fünf Herren schon nach wenigen Takten. Vom Styling her wirkten sie wie eine Ergänzung zu den musikalisch kreuzbraven Straßenpoeten. Gepflegte dunkle Stoffhosen, ordentlich polierte Schuhe und glattgebügelte weiße Hemden, gekrönt von einer schicken Fliege, waren pure Ablenkung. Roh, schnell, kraftvoll peitschte die Band den Zuschauern ihren ungeschliffenen Sound – irgendwo zwischen Offspring und Nofx – entgegen. Wahrscheinlich diente dieser dazu, die auf der Autofahrt angestaute Energie abzubauen, immerhin trat die Band die lange Reise von Berlin aus an. Natürlich nicht nur wegen des legendären Rufs der Rocknacht, sondern weil Sänger und Schauspieler Andreas Birkner ein waschechter Wormser Bub ist, der füher bei den „Jelly Bellys“ aktiv war. Im Anschluss folgten The Offbeat Service, die seit der Wiedereinführung der Rocknacht im Jahr 2013 schon zum dritten Mal am Start waren. Vielleicht lag es daran, dass man erst sechs Wochen vorher knapp 200 Leute in der Funzel zusammengetrommelt hatte und nur wenige Fans der Band am Start waren, aber diesmal wollte der Funke nicht so ganz überspringen. Womöglich lag es aber auch an der frühen Spielzeit. Eine nicht minder lange Reise wie die Berliner von Goin’ South hatte die Band Kettenfett hinter sich, denn die reisten aus Hannover an, wohin es den Wormser Julien verschlagen hat. Mit seinem pumpenden Bassspiel verlieh er den rotzig frechen Songs den nötigen Druck. Wer braucht schon schöngeistige Lyrics, wenn man Songs wie „Kalle (voll auss’m Arsch)“ einfach mal so in den Mozartsaal schleudern kann? Das Publikum sah das ähnlich und feierte die Musik des Trios mit ausgelassenem Pogo. Der spektakulärste Auftritt war danach, wie bereits im Vorjahr, Monoment vorbehalten, die sich diesmal mit Döftels-Sänger Jim Walker jr. und Ex-Gitarrist John Evangelium prominente Verstärkung dazu geholt hatten. Und tatsächlich war ab dem Moment, als lautstark „Jeder kennt Monoment!“ aus den Boxen schallte, nichts mehr wie vorher. Dass man auf der Rocknacht „eigentlich“ eigene Sachen spielen soll, interessierte die Band um Dr. Shred und Sgt. Turnpike herzlich wenig, denn dieses Mal entschied man sich für ein Scooter-Set mit allen großen Hits wie „Hyper, Hyper“, „How much is the Fish?“ oder „Faster, Harder, Scooter“, das für den besonderen Anlass mal eben in „Faster, Harder, Wormsa“ umgedichtet wurde. Ein wenig erinnerte die Szenerie – mitsamt Gummipenis, Multimediashow auf der eigenes mitgebrachten Leinwand und feuerspeienden Gitarren – an die chaotischen Auftritte von Deichkind, spätestens als die komplette Besetzung mit einem Einkaufswagen durchs Publikum fuhr und Freischnäpse ausschenkte. Man mag zu der „Musik“ von Monoment stehen, wie man will. Aber eine willkommene Abwechslung im Line Up stellen Monoment immer dar, auch wenn der eine oder andere Zuschauer kopfschüttelnd den Saal verließ. Ein bisschen Schwund ist halt immer.

Anschließend gab es wieder „normale“ Musik von Ivory. Da Silva Diva krankheitsbedingt absagen mussten, war die Reilinger Band die einzige, die mit einer Frau am Mikro angetreten war. „Treibende Drumbeats, gepaart mit eingängigen Gitarrenriffs sowie die Stimme und der Charme der Frontfrau ergeben als Ivory eine Einheit“ verspricht die Bandinfo, was soweit auch richtig ist. „Alternative Rock mit unverkennbar eigenem Sound“ heißt es dort weiter, auch wenn der Hinweis auf Evanescence fehlte, die ganz offensichtlich bei vielen Songs Pate standen. Den unverkennbar eigenen Sound muss man also eher suchen, denn trotz der handwerklichen Fähigkeiten aller Beteiligten hat man die Musik von Ivory, mit Verlaub, genau so schon ziemlich oft gehört. Die beste Stimmung herrschte zweifelsohne bei den Döftels, und das obwohl die wohl bekannteste Band des Abends den Mut hatte, zunächst überwiegend neue Songs zu spielen, die das Publikum noch nicht kannte. Die waren zwar allesamt nicht schlecht, aber eine wirklich zündende Nummer mit Hitpotential war da (noch?) nicht am Start. Und so dauerte es bis zum vierten Song „Steil“, bis die Menge so richtig auftaute und gemeinschaftlich den fast schon legendären „Wir gehen Steil!“-Refrain skandierte. Und da die Döftels mit Jim Walker jr. über eine veritable Rampensau als Frontmann verfügen, blieb der Stimmungspegel auf einem angenehm hohen Niveau, ehe dann bei der Zugabe „Sternenhimmel“ von Hubert Kah sowieso der ganze Saal tanzte. Nach dieser geballten Ladung gute Laune, die der Döftels-Auftritt versprühte, hatte danach die Mannheimer Band Mudkix keinen leichten Stand. Ihr Sleaze-Rock ist ganz klar in den 80er/90er Jahren verortet, im Glam-Rock von Bands wie Bon Jovi, Mötley Crüe, Aerosmith, Cinderella, Skid Row oder Poison. Auch wenn Mudkix hauptsächlich eigene Stücke spielen, hört man genau diese Vorbilder bei jedem Riff, jedem Drumbeat und jeder Textzeile deutlich heraus. Ihre einstigen Idole 20–30 Jahre später mit einer schweißtreibenden Bühnenshow hochleben lassen, das machen Mudkix richtig gut. Einzig einen Innovationspreis wird die Band mit dieser Mucke nicht mehr gewinnen. Ebenso wenig wie die nachfolgenden Still Patient?, die seit mehr als zwei Jahrzehnten derart fest in der Gothik-Szene verankert sind, dass neue Sachen oftmals altbekannt klingen. Nichts Neues ist es auch, dass Still Patient? schon seit jeher auf einen Drummer verzichten, so dass die Drumbeats als Sample vom Band kommen. Erschwerend kam noch hinzu, dass kurzfristig der Leadgitarrist ausfiel und dessen Gitarrenspuren ebenfalls vom Band kamen, was bei manchen Besuchern Irritationen auslöste. Da die Band um Frontmann Andy Koa aber ihre Musik auf konstant hohem Niveau produziert, hatten sich auch an diesem Abend einige Hardcore-Fans vor der Bühne versammelt, die der letzten Band des Abends bis nach Mitternacht ihren Tribut zollten.

FAZIT: Auch bei der vierten Neuauflage der Wormser Rocknacht stach in erster Linie der musikalische Abwechslungsreichtum der einzelnen Bands hervor. Erwartungsgemäß waren es die Lokalmatadoren, deren Gigs am meisten gefeiert wurden.

PS: Dass Monoment nur Scooter-Songs gespielt und deswegen ihren größten Hit „Wurst Is My Religion“ ausgelassen haben, war der Skandal des Abends. Das ist so, als würde Led Zeppelin mal eben „Stairway to Heaven“ weglassen.