Es scheint paradox (widersinnig) zu sein und dennoch spricht vieles für die Richtigkeit obiger These. Und ich selbst stehe damit nicht allein auf offener Bühne. Überall, wo Menschen frei sind für ungewohnte Thesen oder sich ein wenig befreien können von üblichen Ansichten und Vorurteilen, finde ich allmählich mehr und mehr Zustimmung. Konkret: Mir fällt auf, dass gerade in wohlhabenden und begüterten Kreisen vermehrte Unzufriedenheit an der Tagesordnung ist. Offenbar ist der vierte Luxuswagen sowie der dritte Pelzmantel der Gattin nicht das große Glück. So äußerte sich vor kurzem unser humorvoller Psychiater, Paul Watzlawik.

Überhaupt sagen viele Psychologen, was der Mensch überall und am meisten sucht, sei das Glück. Doch scheint ein Übermaß dessen, eher von Nachteil zu sein. Vielleicht zu vergleichen mit Salz, das zur Speise unbedingt dazugehört, doch zu viel davon macht das Essen praktisch ungenießbar. Anderes Beispiel: Bei einer früheren Kolumne habe ich behauptet, dass „der Wohlstand vielleicht das Schlimmste ist, was uns passieren konnte“. Auch das kann wohl auf viele als übertrieben wirken, ist es aber gar nicht!
Manches mag manchmal wohl nicht stimmen. Es stimmt aber, dass wir Deutschen in der Welt überwiegend als Nörgler und Meckerer gelten. Ich denke dabei, dass man Wohlstand und Luxus nicht mehr zu schätzen weiß, wenn er immer und alltäglich um einen herum ist. Ein anderes Übel ist, die Unersättlichkeit und grenzenlose Sucht nach mehr und mehr. Hierzu ist das lehrreiche Märchen „Von dem Fischer und seiner Frau“ zu empfehlen. Obwohl der Frau die tollsten Wünsche erfüllt wurden, wurde die Gierige noch gieriger. Doch schließlich wurde ihr ganz maßloser Wunsch nicht mehr erhört. Stattdessen endete sie wieder in ihrer ärmlichen Fischerhütte, samt ihrem Mann. Auch das Märchen von „Hans im Glück“ passt zu unserem Thema. In Kürze: Er tauscht stets das Wertvollere gegen das weniger werte ein und fühlt sich dennoch glücklich und glücklicher. Daraus lässt sich zweierlei lernen: Einmal, dass Glück keinesfalls käuflich ist. Zum anderen, Glück ist mehr eine innere Angelegenheit, als dass es von äußeren Dingen abhängig wäre. Daraus erwächst die Frage, ob das immer so weiter gehen soll? Die Geschichte lehrt bzw. sollte uns lehren, dass Ausbeutung und Unzufriedenheit auf Dauer ein erhebliches Gefahrenpotential darstellt. Schon das Wort „unzufrieden“ könnte uns lehren, dass in ihm der UNFRIEDEN steckt!
Es gibt noch andere Beispiele für das Kapitel, da sind die reichen Industrieländer, die glücklich sind über billige Importartikel, die anderswo Millionen von Menschen unzufrieden und sogar unglücklich machen. Dass darüber hinaus in der Dritten Welt Menschen extrem ausgebeutet werden und ca. 50 Millionen Kinder pro Jahr an Hunger sterben, scheint z.B. in Europa nur sehr wenige zu stören. Hauptsache, die Wirtschaft boomt bei uns und Moral ist etwas für Rückständige! Doch in dieser Beziehung bin ich gern ein solcher und wundere mich sehr, dass es so viele nicht sind.

Zu diesem Kapitel hätte ich noch so manches vorzubringen. Doch unterlasse ich es, weil die einen es langweilen könnte und die anderen es für altmodisch, sowie für (zu) moralisch halten werden. Was können wir aus Obigem insgesamt lernen? Schwer zu sagen. Doch mit ernstem Bedauern, denke ich: Für die fernere Zukunft dürfen wir nicht mit dauerndem Glück, dafür aber mit mehr Unzufriedenheit rechnen.
Nun noch die übliche „Spaßkiste“:

„Enthaltsamkeit ist das Vergnügen an Sachen, welche wir nicht kriegen.“
Wilhelm Busch

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Heinz Dierdorf