Die Würde des Menschen in der Sicht eines Humanisten der Renaissance

Aus dem humanistischen Gesprächskreis (HGK) Worms

Der Begriff „Humanismus“ wird heute inhaltlich unterschiedlich gefüllt eingesetzt. Dies liegt auch mit daran, dass in den zurückliegenden Jahrhunderten sehr verschiedene geistesgeschichtliche Bewegungen und Personen ihn für ihre jeweiligen Zwecke benutzten und dabei inhaltlich Unterschiedliches mit ihm ausdrückten. Sie zeigten damit bisweilen, dass das jeweilige Menschenbild immer vom jeweiligen Weltbild mitgeprägt wird. Gemeinsam ist diesen unterschiedlichen Humanismus-Bewegungen oftmals nur ihr Bezugspunkt Antike. Schon in der Renaissance, dieser bedeutsamen europäischen Kulturepoche des 13. bis 16. Jahrhunderts, war die Antike für verschiedene Bestrebungen zentraler Bezugspunkt.

Damals gab es eine geistesgeschichtliche Bewegung, die man schlicht Renaissance-Humanismus nannte. Zu ihr gehörte ein Mann, dessen Formulierungen – nicht seine Person; die ist heute recht wenig bekannt – noch für uns heute sehr wichtig sind. Seine Formulierungen aber haben sogar Eingang in unser Grundgesetz gefunden, das in Artikel 1 mit der (im Grunde paradoxen) Aussage beginnt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Aber was ist mit „Würde des Menschen“ eigentlich gemeint? Ein Blick in die Geistesgeschichte der Renaissance kann bei der Beantwortung dieser Frage etwas helfen.
Giovanni Pico della Mirandola (1463–1494), der nach heutigem Kenntnisstand als Erster den Begriff Menschenwürde benutzte, ein italienischer Philosoph der Renaissance, legte in seiner Rede über die Würde des Menschen („De hominis dignitate“) seine Sicht dar. Seine Rede gehört zu den bedeutendsten Texten der Renaissance und wurde von Jacob Burckhardt, dem berühmten Schweizer Kulturhistoriker, als „eines der edelsten Vermächtnisse der Kulturepoche [der Renaissance]“ bezeichnet. Bei der Rede handelt es sich im Grunde um Mirandolas Einleitungsrede zu der von ihm geplanten, jedoch am Einspruch des damaligen Papstes gescheiterten römischen Disputation mit den bedeutendsten Philosophen seiner Zeit. Mirandola begründete, hier ganz Kind seiner Zeit, die Würde des Menschen philosophisch-religiös. Gerd von Gönna, der Mirandolas Rede übersetzt und kommentiert hat, beschreibt Mirandolas Standpunkt folgendermaßen: „Die Philosophie hilft dem Menschen […], sich den Weg zur himmlischen Herrlichkeit zu bahnen“. Gönna drückt damit zutreffend aus, dass die Humanisten der Renaissance sich in ihrem Leben und Schreiben durchweg an der Lehre der Katholischen Kirche orientierten. Nun haben sich die Zeiten allerdings geändert; und zwar grundlegend. Die Bedeutung des Kirchlich-Religiösen und damit auch die Bindekraft der katholischen Kirche und der evangelischen Kirchen in Weltanschauungs- und in ethischen Fragen haben in den letzten Jahren bis in die Gegenwart hinein in Deutschland deutlich abgenommen. Die weltanschaulichen Ansichten der christlichen Kirchen werden im 21. Jahrhundert in Deutschland von immer weniger Menschen als eine wirkliche Orientierungshilfe für den Alltag angesehen. Gleichzeitig werden humanistisch-philosophische Positionierungen, die wir in unserem Humanistischen Gesprächskreis des HVD auch regelmäßig miteinander besprechen, immer wichtiger. Vor dem o. a. Hintergrund kann es durchaus hilfreich sein, Mirandolas Sicht in die heutige Zeit zu übertragen. Sie lautet in etwa: Das Nachdenken über aktuelles politisch-gesellschaftliches Geschehen – sowohl innerhalb unseres Landes, als auch außerhalb – rational und unter Hinzuziehung philosophischer Erkenntnisse hilft ganz grundsätzlich, unsere Welt besser zu verstehen.
Für Mirandola lag also zumindest ein Teil der „Würde des Menschen“ im rationalen Verstehen des Geschehens um ihn herum – und nicht in dem, was wir heute als „postfaktische“ Gefühligkeit erleben.

Bernd Werner
für den Humanistischen Verband Rheinland-Pfalz, Gruppe Worms

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