Auch die beiden anderen Namen des Teams waren kulturelle Hochkaräter. Albert Ostermaier gilt als einer der wichtigsten gegenwärtigen deutschen Autoren, während Thomas Schadt als Regisseur und Dozent an der Filmakademie Ludwigsburg über einen ordentlichen Leumund verfügt. Allen dreien war es sehr wichtig zu betonen, dass man sich von der Ära Wedel klar abgrenzen möchte. Natürlich war mit dem Namen Hofmann auch die Hoffnung verknüpft, dass große Namen die Poster der künftigen Festspiele zieren würden. Umso größer war die Ernüchterung, als die Besetzungsliste bekannt gegeben wurde, denn die erhofften großen Namen blieben erst mal aus. Zwar entpuppte sich die Besetzung bei der zweiten Sichtung als äußerst renommiert, Namen mit der Strahlkraft von Cosma Shiva Hagen, Maria Schrader, Joachim Król, Mario Adorf oder Erol Sander fehlten jedoch. Stattdessen setzte das Team auf erfahrene Theaterdarsteller wie Judith Rosmair oder Max Urlacher. Einzige Ausnahme bildete Alina Levshin, die für den Kinofilm „Kriegerin“ mehrere Preise erhielt und im Fernsehen immer wieder prominent vertreten ist. Auch die erste Leseprobe ließ – ob der extrem verkünstelten Sprache – Skepsis aufkommen und schon bald kursierten Gerüchte über erste Unstimmigkeiten hinter den Kulissen, eifrig wurden Szenen gestrichen oder neu hinzugefügt. Man vernahm Diskussionen über die Musik oder über die Gestaltung der Bühne. All das änderte jedoch nichts an der Spannung, mit der viele Theaterinteressierte dem Spektakel entgegenfieberten.

Doch wie das manchmal so ist, können Erwartungen oft nur schwer erfüllt werden. Und so machte sich nach der Premiere im nach wie vor traumhaften Ambiente des Heylshofes erst mal Ratlosigkeit breit. Im Vorfeld kündigte man an, dass man sich vom Vorgänger deutlich absetzen wollte, sprich: keine Leinwände, keine nackten Frauen und keine Hektoliter an Blut. Auch wenn der Titel des Stückes „Gemetzel“ sehr martialisch klang, fiel selbiges dennoch aus. Trotz einiger theatralischer Szenen, untermalt von kernigen Gitarrenriffs, luden die neuen Nibelungen viel mehr zum Kuscheln ein. Da hegte Batman alias Hagen plötzlich väterliche Gefühle für Kriemhilds Sohn Ortlieb und äußerte sexuelles Begehren für dessen Mutter, während die Burgundersippschaft wie Gäste im eigenen Stück wirkten. Ein notwendiger Ballast, den Ostermaier offenbar gerne abgeschüttelt hätte. Der Autor versuchte, seine Hauptfiguren psychologisch auszuloten, vergaß allerdings, dass großes Open Air Theater eben auch unterhalten soll. Thomas Schadt hingegen unterschätzte wohl die übermächtige Präsenz des Co-Hauptdarstellers, dem gewaltigen Wormser Dom im Hintergrund, weshalb die Inszenierung oft ein wenig verloren wirkte. Wären die gewaltigen Türme des Bühnenbildners Aleksandar Denic nicht gewesen, hätte man das Stück, das mit mit der Aura eines Kammerspiels ausgestattet war, auch auf der Bühne des Lincoln Theaters inszenieren können. Entsprechend der Ratlosigkeit der Zuschauer, zeigte sich auch die Presse etwas überfordert mit dem dialoglastigen Stück. Das änderte jedoch nichts daran, dass auch die Festspiele 2015 ein Thema mit überregionalem Medieninteresse waren. Wie gehabt, ließ es sich auch die BILD nicht nehmen und berichtete über die Premierengäste. Der wohl am häufigsten fotografierte und schillerndste Promi an diesem Abend war zweifellos der exzentrische Modedesigner Harald Glööckler. Zwar hatte der Glanz anderer Gäste schon etwas Patina angesetzt, aber wir sind ja schließlich nicht in Bayreuth. Vielleicht schafft es ja irgendwann mal eine Kanzlerin oder ein Kanzler, in Worms vorbeizuschauen. Auch wenn die Presse überwiegend mit dem Stück haderte, hatte dies kaum Einfluss auf den Publikumszuspruch. Offiziellen Angaben zur Folge lag die Auslastung bei 85%, das entsprach rund 18.000 Besuchern, verteilt auf 16 Vorstellungen. Das Budget lag wie auch in den Vorjahren bei rund 3,7 Millionen Euro, wovon 1,5 Millionen städtischer Zuschuss waren, während das Land 650.000 Euro gab. Die restlichen Gelder kamen durch die kräftige Unterstützung der Sponsoren zusammen. Für eine klamme Stadt wie Worms ist das ziemlich viel Geld. Welchen Wert letztlich die Festspiele für unsere Stadt haben, lässt sich auch mit der 2014 veröffentlichten Wertschöpfungsstudie der HS Worms nur unzureichend belegen (WO! berichtete ausführlich). Im ersten Moment könnte man reflexhaft feststellen, dass die Festspiele im Grunde eine Umverteilung von Geldern sind. Doch auch wir müssen einräumen, dass letztlich die Berichterstattung der Festspiele und die damit verbundene Strahlkraft für Worms nur schwer zu ermitteln sind. Gerade für eine Stadt, die in den vergangenen Jahren immer wieder für unrühmliche Schlagzeilen sorgte, ist es sicherlich eine teure, aber dennoch wohltuende Imagekampagne. Vom 15. Juli bis zum 31. Juli 2016 wird auch in diesem Jahr wieder voller Inbrunst gestritten und gemordet. Dieses Mal in der Gegenwart und mit einer extra Portion Humor, wie Autor Albert Ostermaier verspricht. Als Regisseur wird der junge Regisseur Nuran David Calis versuchen, frischen Wind in den Streit der Königinnen zu bringen. Während eines Pressetermins in der Adventszeit war er sich zumindest der Bürde, es mit einem wichtigen kulturellen Erbe zu tun zu haben, sehr bewusst und versprach WO! gegenüber, sich sensibel dem Stoff zu nähern.