Normalerweise finden Sie im Anschluss an die Nibelungen Festspiele an dieser Stelle einen Pressespiegel, wo die Meinungen anderer Zeitungen zu der jeweils aktuellen Aufführung abgedruckt werden. Diesmal haben wir darauf verzichtet, weil das neue Nibelungentrio Hofmann-Ostermaier-Schadt sein allererstes Festspieljahr hinter sich hat und Startschwierigkeiten vollkommen normal sind. Demensprechend sind die Kritiken in den überregionalen Feuilletons überwiegend schlecht ausgefallen, wie der Medienpartner der Nibelungen Festspiele, die Wormser Zeitung, bereits unter der reißerischen Überschrift „Gemetzel im Blätterwald“ festgestellt hat. Und tatsächlich war „Gemetzel“ ein Stück, das anders war als unter Wedel. Aber da eben nicht alles Neue automatisch besser ist, sind die Meinungen auch innerhalb der WO! Redaktion so weit auseinander gegangen wie selten zuvor. Von „bestes Nibelungen-Stück“ bis hin zu „viele Ideen, aber schwache Umsetzung“ reichten die Stimmen. Wir haben uns deshalb, anstatt eines Pressespiegels, für einen „Krieg der Sterne“ innerhalb der Redaktion entschieden. Wie gut oder schlecht fanden wir „Gemetzel“ redaktionsintern denn nun wirklich?


Peter Englert 2,5 von 6 Sternen

Zuerst bekommt der Bühnenbildner mal ein richtig fettes Lob. Unfassbar tolle Kriegstürme mit vielen kleinen Details und einer Menge Spielmöglichkeiten. Es bleibt wohl ein Geheimnis, warum die Türme sich nicht bewegen ließen und fast nur der Hunnenturm benutzt wurde. Nächstes Lob gibt es für den Text, der zu gefallen weiß und nur selten etwas zu selbstgefällig wirkt. Auch die neue Idee Ostermeiers, die Geschichte aus den Augen eines Kindes zu erzählen, verdient Achtung. ABER: Inszenatorisch ist „Gemetzel“ eine kleine Katastrophe. Die durchweg guten Schauspieler wirken verloren auf der Bühne, als wüssten sie nicht, was sie überhaupt machen sollen. Es fehlten von Seiten des Regisseurs konkrete Ideen, um packende Momente auf der Bühne zu schaffen. Gerade der erste Teil hatte, bis auf die leicht zu lang geratenen Tanzszenen, überhaupt keine konkreten Situationen zu bieten und wirkte dadurch wie ein endloser Brei. Kommen wir zu dem armen Max Urlacher, der in seinem Hagen-Kostüm sehr stark an den Superhelden Batman erinnerte. Er hatte de facto in dem Stück keine reelle Chance, seiner Figur eine gewisse Ernsthaftigkeit beizubringen, was schlichtweg diesem trashigen Kostüm geschuldet war. Ein großes Problem war dieses Jahr auch das Licht, das oftmals zu dunkel wirkte, weshalb man die Gesichter der Akteure mitunter sehr schlecht erkennen konnte. Alles in allem, wird sich in Worms nächstes Jahr in der Regie einiges ändern müssen. Aber das wissen die Verantwortlichen vermutlich selbst.


Dennis Dirigo 3,5 von 6 Sternen

Die ausführliche Rezension finden Sie auf den beiden folgenden Seiten 14 und 15.


Frank Fischer 4 von 6 Sternen

Wenn man alle Aufführungen der Nibelungen Festspiele gesehen hat, kann einen nur wenig überraschen. Von daher waren die Tänze tatsächlich etwas völlig Neues, was auch eine Zeitlang als Erzähl-Stilmittel funktionierte, einzig der übermäßige Einsatz war auf Dauer etwas ermüdend. Zweifelsohne stimmte das Drumherum, denn Kostüme und Bühnenbild, die beiden nicht gerade billigen, gewaltigen Kriegstürme auf der Bühne und die musikalische Untermalung waren ohne Zweifel professionell. Die größte Stärke des Stückes sind die Dialoge Ostermaiers, die das Stück lange Zeit tragen, ehe man dann als Zuschauer im hektisch abgehandelten zweiten Teil ein wenig den Überblick verliert. Da hätte weniger Gemetzel der Worte und stattdessen echtes Gemetzel auf der Bühne dem etwas lahmen Finale auf die Sprünge geholfen. Das von Seiten des neuen Intendanten, Nico Hofmann, angekündigte neue Qualitätslevel haben wir sicherlich nicht erlebt, aber eine solide Aufführung, die einige Stärken, aber auch genügend Schwächen hatte. Die Buchvorlage an sich war genauso wenig das Problem wie die Dialoge, denn die hatten genug Schmiss. Auch die großartigen Schauspieler waren bereit, ihr Bestes abzurufen, wenn man sie richtig instruiert hätte. Denn das Hauptproblem war die Umsetzung – und die ist nun mal Job des Regisseurs.


Christine Ziegler 4,5 von 6 Sternen

Sehr zeitgemäß und modern kam die Neuinszenierung daher. So spielten, getreu dem heutigen Gender-Mainstreaming, die Geschlechter keine Rolle und der Junge Ortlieb wurde von einem Mädchen und Siegfried tänzerisch von einer blonden Frau gespielt. Auch an anderer Stelle wurden Szenen, die gewöhnlich mit Dialogen ausgeschmückt werden, per Ausdruckstanz dargestellt. Dem „Mann der Wörter“ Albert Ostermaier war es geschuldet, dass den Dialogen (im Gegensatz zu dem einen oder anderen Wedel-Stück) ohne viel Mühe verständlich gefolgt werden konnte. Daumen hoch für ein gelungenes Bühnenbild und tolle, wenn auch überteuerte, Kostüme! Geschmackssache waren mit Sicherheit die psychedelisch anmutenden Klänge des Panzerballettes, die zwar als Untermalung des Stückes passten, jedoch stressten die harten Töne dennoch das eine oder andere Mal den Herzrhythmus. Leider blieb das Gemetzel, außer den schusswaffenartigen Dialogen im zweiten Teil, nur allein dem Titel geschuldet. Ein wenig mehr Blutdurst à la Dieter Wedel hätte da nicht schaden können.


Eve Radmacher 5,5 von 6 Sternen

Die Inszenierung war super modern, das Bühnenbild gigantisch. On Top hatte sich zur Premiere ein Blue Moon (zwei Vollmonde in einem Monat) neben die Kulisse geschoben. Großartiger Effekt, der sicherlich genau so vom Kurator Albert Ostermaier geplant wurde. Tolle Dialoge und Sätze wie „Du musst nur glauben was du lügst und lügen was du glaubst“, die sich in mein Gedächtnis eingebrannt haben. Der Heylspark wie immer wunderschön und die laue Sommernacht ideal für ein Gemetzel der Wormser Art. Ein halbes Sternchen weniger für die, nach meinem Geschmack, etwas zu langen Tanzeinlagen. Trotzdem war ich begeistert. Die bisher beste Aufführung, die ich gesehen habe.


Im Durchschnitt vier von sechs Sternen hat „Gemetzel“ im internen WO! Redaktionsvergleich erzielt, was in erster Linie dem starken Voting der weiblichen Redakteurinnen geschuldet ist. Ihre männlichen Kollegen waren nicht ganz so begeistert, denn Ausdruckstanz ist halt einfach nix für Männer. Auf eines konnten sich trotzdem alle für 2016 einigen: Nachdem Siegfried diesmal tänzerisch gemeuchelt wurde, darf im nächsten Jahr gerne wieder Blut fließen. Man darf tatsächlich gespannt sein, was sich das Nibelungen-Dreigestirn unter der Regie von Nuran David Calis einfallen lässt.