12. Juni 2015
Stiftsruine in Bad Hersfeld:

Es war eine nicht unerhebliche Frage für theaterinteressierte Wormser, welches Stück Dieter Wedel inszenieren würde, als bekannt wurde, dass er nach 14 Jahren Nibelungen die Intendanz der schlingernden Festspiele in Bad Hersfeld übernahm. Die Antwort fiel ebenso überraschend wie erwartet aus.

Foto: Klaus Lefebvre

Foto: Klaus Lefebvre

Zu erwarten war, dass sich Wedel nach 14 Jahren Blut, Hass und Tod eines leichteren Stoffs annehmen würde. Überraschend war hingegen, dass er sich ausgerechnet für diese frühe Spielerei des britischen Dramatikers William Shakespeare entschied. Ein Werk, das noch die Genialität des späteren „Romeo und Julia“ Autors vermissen lässt und eher wie eine possenhafte Verwechslungskomödie daherkommt. Der grundlegende Witz liegt darin, dass die Zwillinge Antiphotis (souverän: Christian Schmidt) bei der Geburt getrennt werden und nichts voneinander wissen. Ebenso mit einem Zwillingsbruder geboren, von dem er nichts weiß, ist der Sklave Dromio (agil gespielt von Lars Rudolph), der später bzw. die später im Dienst der beiden anderen Brüder stehen. Frei nach der Frage des Philosophen Richard Precht, „Wer bin ich, wenn ja, wie viele?“ entspinnt sich aus dieser Grundkonstellation ein mäßig lustiges Verwirrspiel, das Regisseur Wedel dank einer wieder einmal ausufernden Spielzeit zudem ein wenig überstrapaziert. Die Probleme sind dabei die altbekannten. Bei einem Regisseur verhält es wie bei einem Komponisten. Hat man sich mit dessen Werk eine gewisse Zeit auseinandergesetzt, kennt man zumeist die Stilismen und Tricks, mit denen gearbeitet wird. Nach etlichen Inszenierungen in Worms sind Wedels Theatertricks hinreichend bekannt und vermochten auch an diesem Abend nur selten zu überraschen. Zwar versteht sich Dieter Wedel bestens darauf, großartige Bilder zu inszenieren, verfranzte sich jedoch dramaturgisch und wusste dem Verwirrchaos nur leidlich lustige Momente abzugewinnen. Nach einer arg umständlichen Einführung, wodurch es dem Zuschauer nur mühsam gelang, in die Geschichte hinein zu finden, war es letztlich vor allem die Länge des Stückes, die der rudimentären Fingerübung des britischen Großmeisters zusetzte. Da nützte auch die spektakuläre Zirkusszenerie, angeführt von einem prägnanten Robert Joseph Bartl, nur wenig und versandete buchstäblich im Wüstensand des imaginären Ephesus, in dem die Geschichte spielt. Immerhin wurde dieser Ort optisch gekonnt in Szene gesetzt und profitierte von der eindrucksvollen Kulisse der Stiftsruine. Natürlich konnte Wedel sich die eine oder andere Anspielung auf das aktuelle Zeitgeschehen nicht verkneifen und so marschierten im Laufe der Zeit schon mal vermummte IS Kämpfer auf. Auf Blut wollte der Regisseur auch nicht verzichten, was zu einer seltsamen Szene führte, bei der einem Dieb die Hand abgehackt wurde, selbstverständlich inklusive stattlicher Blutfontäne. Ansonsten gab es noch jede Menge weibliches Personal, u.a. gespielt von Cosma Shiva Hagen und Sonja Kirchberger, zu bestaunen, das es in ihrer Triebhaftigkeit auf die verwirrten Zwillingsbrüder abgesehen hatte. Also ganz nach dem Geschmack eines Dieter Wedel. Schauspielerisch wussten vor allem die beiden Hauptdarsteller, Christian Schmidt und Lars Rudolph, zu gefallen, die mit großer Lust am Verwirrspiel ihre Zwillingsrollen äußerst lebendig gestalteten. Neben deren Spiel konnten die meisten Darsteller nur wenige Akzente setzen, wodurch selbst Darsteller mit großen Namen, wie Matthieu Carriere und Heinz Hoenig, ein wenig verloren wirkten.

Fazit: Routinierte Inszenierung des großen Nibelungenmeisters, die optisch zu gefallen wusste, dramaturgisch aber sehr zäh wirkte. Immerhin bekam der Zuschauer einiges an Spektakel geboten, was ein wenig für die üppige Laufzeit entschädigte.

Die Komödie wird noch vom 22. Juli bis zum 2. August 2015 in Bad Hersfeld aufgeführt.