Mit Erol Sander in der Rolle des Hunnenkönig Etzel ist Intendant und Regisseur Dieter Wedel einmal mehr ein prominenter Besetzungscoup geglückt. Abgesehen davon, dass der Schauspieler als einer der attraktivsten seiner Zunft gilt, überzeugte er in unzähligen Filmproduktionen, u.a. an der Seite von Angelina Jolie und Colin Farrell in Oliver Stones Monumental Epos „Alexander“. Große Erfolge feiert er mit der Krimireihe „Mordkommission Istanbul“. Die Nibelungen-Festspiele sind nicht das erste Mal, dass der charismatische Schauspieler auf einer Freiluftbühne spielt. In den Jahren 2007 bis 2012 spielte er bei den Karl May Festspielen in Bad Segeberg die Rolle des Winnetou. Sander verhalf den Spielen zu einem ungeahnten Publikumszuspruch. Aus nicht bekannten Gründen wurde der Vertrag dennoch nicht verlängert. Seit diesem Jahr ist er auf Deutschlands Bühnen mit einer Rezitation des Oscar Wilde Klassikers „Das Bildnis des Dorian Gray“ unterwegs. Mit seiner Frau und seinen zwei Kindern lebt er in München. WO! traf sich mit dem Mimen, um mit ihm über die Nibelungen-Festspiele und anderes zu reden.

WO! Hallo Herr Sander, ab Donnerstag (26.06.) wird vor dem Dom geprobt. Wie geht es Ihnen mit dem Gedanken, im Schatten eines so mächtigen Co-Darstellers zu spielen?
(lacht): Das Mächtige ist für mich Dieter Wedel, erst mal. Dass wir vor dem Originalschauplatz spielen dürfen, sorgt natürlich für ein Gänsehautgefühl. Nicht nur, dass der Dom 1000 Jahre alt ist, sondern auch, dass der Autor des Nibelungenliedes hier an diesem Schauplatz war, beeindruckt mich sehr. Das Nibelungenlied basiert auf der gesellschaftlichen, politischen Situation des 12 Jahrhunderts und gibt unserem Regisseur die Möglichkeit, die Parallelen zur heutigen Zeit herauszuarbeiten. Das Stück ist so inszeniert, dass wir alle über unsere Situation nachdenken und vielleicht besser verstehen.

WO! Wie würden Sie die Figur des König Etzel und dessen Beziehung zu Kriemhild beschreiben?
Dieter Wedel möchte in dem Stück „Hebbels Nibelungen – Born this way“ bewusst einen anderen Etzel zeigen. Einen hinund hergerissenen Etzel, einen, der in seinem früheren Leben gemordet hat, aber aus Liebe auch bereit ist, eine andere Kultur zu verstehen. Kriemhild und Etzel werden im Gegensatz zu dem Originaltext von Hebbel eine sehr lebendige Liebesbeziehung haben – so wie es eigentlich auch im Nibelungenlied steht. Der Hebbelsche Etzel wird laut Wedel häufig mit einem alten Mann besetzt, der am Ende resigniert. Das will er mit mir in der Rolle ganz anders erzählen.

WO! Was bedeutet es für die Beziehung, denn Kriemhild möchte ja Ihre Rache?
Sie hat ein Geheimnis, das König Etzel am Anfang nicht erkennt und durchschauen kann. Aber irgendwann im Laufe des Stückes entdeckt Etzel, dass er nur für einen Zweck benutzt wurde.

WO! Verletzt das nicht?
Natürlich verletzt das.

WO! Arrangiert sich König Etzel mit dieser Situation?
Er hat sich unsterblich in Kriemhild verliebt, trotzdem ist es schwer, sich zu arrangieren, wenn man den eigenen Sohn verliert.

WO! Wie bereitet man sich auf solch eine Rolle vor?
Respekt, Demut, Bescheidenheit!

WO! Betreibt man auch historische Recherchen?
Das gehört zur Basisarbeit eines jeden Schauspielers. Nur dann kann man die historischen Hintergründe begreifen und zeitgenössisch interpretieren. Einiges aus dem Stück ist hochaktuell. Zum Beispiel ließen sich damals schwache Könige von ihrem hohen Dienstpersonal leiten. Und sobald ein König zu stark ist, wird er aus dem Weg geräumt…

WO! Ist Etzel ein starker König?
König Etzel ist von Anfang an ein kleiner „Alexander“ (Alexander, der Große, Anm. d. Red.)

WO! Was reizte Sie daran, bei den Nibelungen-Festspielen mitzuwirken?
Wenn Sie die Möglichkeit haben, mit einem der großen Regisseure in Deutschland arbeiten zu können, und das ist Dieter Wedel auf jeden Fall, ist das ein großes Glück und eine riesige Herausforderung zugleich. Er weiß, wie man Schauspieler führen muss. Ich bin ein Mensch, der sich entwickelt. Ich fühle mich wie ein trockener Schwamm, der die Erfahrung aufsaugen will. Ich hoffe, dass ich mein Glück greifen kann.

WO! Sprechen Sie in dem Stück auch hunnisch?
Ich spreche bulgarisch, und das ist ziemlich schwierig in der Vorbereitung, wenn man die Sprache nicht kennt.

WO! Sie machen eine Rezitation von Oscar Wildes „Bildnis des Dorian Gray“. Wie läuft es?
Gut. Ich bin sehr glücklich über die durchweg positiven Kritiken meiner bisherigen Lesungen.

WO! Kommen Sie damit auch nach Worms?
Ja, ich hoffe doch. Das würde mich freuen für 2015, da ich mit der „Mordkommission“ bis Ende des Jahres beschäftigt bin.

WO! Warum ausgerechnet dieses Buch?
Es geht um Narzissmus und Heroismus. Vielleicht hat da jemand einen Zusammenhang gesehen (er lacht)? Jetzt mal im Ernst: Auch „das Bildnis des Dorian Gray“ ist ein gesellschaftskritisches, literarisches Werk, das sich mit Problemen unserer Zeit auseinandersetzt. Was ist Schönheit, was gibt man für Schönheit? Verkauft man sich dem Teufel? Die Gier nach ewiger Jugend.

WO! Sie haben Politikwissenschaften und BWL studiert, beides Bereiche, die mit der Schauspielerei nicht viel gemeinsam haben. Wann wurde Ihnen klar, Schauspieler werden zu wollen bzw. was inspirierte Sie dazu?
Ich wollte schon in frühen Grundschuljahren Schauspieler werden, weil ich James Bond, die Cowboys und Star Wars super fand. Ich wusste, diese Möglichkeiten sind nur einem Schauspieler gegeben. Da meine Noten in der Schule zunächst nicht so gut waren, musste ich meine Träume bis zum Abitur warmhalten.

WO! Leben Sie also ein Stück weit den Traum?
Ja, aber es war kein einfacher Weg. Es gibt eine Person, der ich sehr danken muss, die mir die Möglichkeit gegeben hat, diese Bildung zu genießen, um dann meine Chance auch nutzen zu können – meiner Mutter!

WO! Sie sind auch ein Frauenschwarm, wie geht Ihre Frau damit um?
Diese Frage habe ich bei Interviews noch nicht gehört. Ich glaube, meine Frau kann damit sehr gut umgehen. Sie weiß, dass mein Beruf meine Leidenschaft ist und unterstützt mich, wo sie nur kann. Ich bin dankbar dafür. Das ist nicht selbstverständlich.

WO! Sie wirken ausgeglichen und ruhig. Aber was bringt Sie auch mal auf die Palme?
Menschen, die ungerecht, rücksichtslos sind und ohne Respekt mit ihren Mitmenschen umgehen. Solche Personen treffe ich in meinem Privatleben leider auch, aber über die müssen wir nicht reden! Ich versuche ehrlich und geradlinig zu leben, mehr kann ich nicht machen.

WO! Sie sind als Schauspieler permanent unterwegs. Wie bekommen Sie Familie und Beruf unter einen Hut?
Wir haben eine große Familienunternehmerin bei uns zuhause, und das ist meine Frau. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt meines Lebens. Wir versuchen, nie länger als zwei Wochen voneinander getrennt zu sein.

WO! Kommt Ihre Familie zu den Festspielen?
Na klar kommt meine Familie zu den Festspielen und freut sich sehr auf die Vorstellung.

WO! Wir danken Ihnen für das Gespräch!

Das Gespräch führten Dennis Dirigo und Nicole Bircan