23. November 2017 | Rosengarten (Mozartsaal) in Mannheim:

Von den großen Kennern der Klassik wurde Filmmusik immer ein wenig belächelt und fristete ein Dasein im Schatten von Wagner, Mozart oder auch Verdi. Doch längst erfreuen sich die Werke dieser notengewandten Komponisten großer Beliebtheit. In Worms ist das noch nicht angekommen, weswegen der geneigte Fan immer wieder eine Reise in das benachbarte Mannheim antreten muss.

Dort und in anderen deutschen Städten macht sich besonders die Konzertagentur Semmel Concerts darum verdient, die Töne, die dem Film seine Seele schenken, eine große Bühne zu bieten. Zuletzt bereiste der acht Mal für einen Oscar nominierte Komponist James Newton Howard das Land und demonstrierte gemeinsam mit dem Czech Orchestra, warum Filmmusik längst den Status einer eigenen Kunstform genießt. Howard mag nicht ganz so prominent sein wie unser Frankfurter Export Hans Zimmer, aber dafür deutlich vielseitiger. Während Zimmers Talent hauptsächlich darin besteht, seine Musik und sich selbst bestens zu vermarkten, ist Howard ein facettenreicher Tonkünstler, der es versteht, sowohl mit Orchester, als auch unter Einsatz synthetischer Klänge den Filmen immer wieder sensibel zu vertonen. Selbst wenn er den epischen Bildern seiner Filme mit Hollywood typischem Zuckerguss Bombast begegnet, hat das eine gewisse Grandezza. Etwas mehr als zwei Stunden bewies Howard in Mannheim, dass gute Filmmusik auch abseits der Leinwand Emotionen wecken kann. Eine Filmmusik kann nicht unbedingt einen schlechten Film retten, aber einen guten besser machen und weiß auch losgelöst von den Bildern zu unterhalten. Wie das funktioniert, bewies direkt zu Beginn eine Suite der eher missratenen Fantasy-Märchenverfilmung „Snow White“ mit Kirsten Stewart. Zugleich zeigte Howard auch Mut, nicht nur opulente Klangästhetik im Rosengarten zu zaubern, sondern konfrontierte den Zuhörer mit fordernden Dissonanzen, die sich brachial im Saal ausbreiteten und eindrucksvoll die auf der Leinwand im Rosengarten zu sehenden Schlachtenpanoramen des Regisseurs Rupert Sanders untermalten. Erst der Ton entscheidet über die Wirkung der Szene – und gute Regisseure wissen das. Wie weit Bilder von der Musik beeinflusst werden, demonstrierte der Komponist, der zu rund 120 Filmen die Musik komponiert hat, am Beispiel einer Szene aus Peter Jackson Blockbuster „King Kong“. Zuerst zeigte der Komponist die Szene ohne Musik, also in der Fassung, wie er sie vom Regisseur vorgelegt bekam. Howard plauderte über die Diskussionen mit dem Regisseur, der kurz zuvor den ursprünglichen Komponisten Howard Shore, jener Komponist der für die „Herr der Ringe“-Filme verantwortlich war, ersetzte. James Newton Howard hatte knapp fünf Wochen Zeit, um Musik für einen Drei-Stunden-Film zu komponieren und dann kam jene Szene, bei der King Kong zum ersten Mal, seit seiner Deportation von der Insel, in New York seiner geliebten weißen Frau begegnet. Eine Szene, die schnell ziemlich albern hätte aussehen können. Howard verwarf mehrere Ideen, bis er schließlich diese eine Melodie fand. Die Gäste im Mozartsaal bekamen anschließend die Szene genau mit dieser Melodie gezeigt und statt eines befremdlichen Gefühls, ob der Tatsache Tier liebt Mensch, erzeugt die Szene, sprich die Verbindung aus Kamera, Schnitt, Schauspiel und letztlich Musik, nichts weniger als Gänsehaut. Das ist die Magie Hollywoods, die uns verführt, begeistert oder uns zu Tränen rührt. Howards Karriere ist voll von solchen Momenten, mögen die Filme noch so oberflächlich und banal gewesen sein.

Fazit: In knapp zweieinhalb Stunden führte Komponist Howard auf charmante Art durch seine dreißigjährige Hollywoodkarriere. Dabei präsentiert er nicht nur Musik aus seinen großen Blockbustern, sondern kredenzte auch feine Werke wie „Dave“ und „Herr der Gezeiten“. Stehende Ovationen waren da selbstredend.