Es war eine denkwürdige Szene mit Symbolcharakter, die man am Abend des 13. März 2016 am Fernsehen beobachten konnte. Unter frenetischen „Malu, Malu“ Rufen betrat die alte und neue Ministerpräsidentin vor unzähligen Parteigenossen die Bühne. Begleitet von Alexander Schweitzer (Landtagsfraktionschef), dem Wormser Abgeordneten Jens Guth und dem Innenminister Roger Lewentz sang sie in ausgelassener Stimmung: „So sehn Sieger aus, shalalala…“.

Eine möglicherweise nachvollziehbare Reaktion nach einem wochenlangen kräftezehrenden Wahlkampf, bei dem die SPD in einem wahren Aufholkrimi die zuvor favorisierte CDU letzten Endes überholte und sogar das Wahlergebnis von 2011 um 0,5% toppen konnte. Doch bereits einige Wochen nach diesem Überraschungssieg sollten sich dunkle Schatten über dieses Siegerteam legen. 2013 übernahm sie erstmalig das Amt von dem scheidenden Ministerpräsidenten Kurt Beck, der zuvor immer wieder in unterschiedliche Affären verstrickt war. Die Spektakulärste war die peinliche Affäre um den Nürburgring. Der ehemalige Landeschef und sein damaliger Finanzminister Ingo Deubel versenkten zwischen 2007 und 2012 rund eine halbe Milliarde Euro. Damals plante die SPD die legendäre Eifel Rennstrecke mit einem überdimensionierten Freizeitpark, inklusive Hotels, Disco, Achterbahn etc., zu einem touristischen Highlight auszubauen, um die strukturschwache Region zu beleben. Sozusagen Strukturpolitik mit der Brechstange. Heute wissen wir alle was daraus geworden ist, nämlich nichts. Die Politiker fielen gleich reihenweise auf dubiose Geschäftsleute rein und sammelten so einen wahrhaft eindrucksvollen Erfahrungsschatz im Umgang mit windigen Investoren, sollte man meinen. Als Malu Dreyer das Amt übernahm, wollte sie alles anders machen. Sie wollte eine seriöse Politik machen, sich nicht blenden lassen von schillernden Unternehmern, die Millionensummen in marode Unternehmen pumpen wollten. Doch dann kam alles anders.

DIE POSSE NIMMT IHREN LAUF
Anfang Juni präsentierte Innenminister Roger Lewentz vor Fernsehkameras die neuen Investoren des Flughafen Hahn. Es waren Bilder, die unweigerlich Assoziationen weckten, als seien diese aus einem Satiremagazin. Etwas unsicher lächelnd schüttelte Lewentz die Hand eines hochgewachsenen Chinesen, dessen Augen hinter einer Sonnenbrille verborgen waren. Flankiert ist dieser von einer Entourage, gekleidet in wahlweise schlecht sitzenden Anzügen oder merkwürdiger Damengarderobe. Kurze Zeit nach den kamerawirksamen Bildern platzte schließlich die Bombe. Nun ist eine nachlässige Garderobe sicherlich kein Indiz für eine mangelnde Kreditwürdigkeit. Wie mangelhaft die Ehrbarkeit der asiatischen Unternehmer sein sollte, musste allerdings ausgerechnet ein Fernsehteam herausfinden. Zuvor lehnte sich jedoch Ministerpräsidentin Dreyer sehr weit aus dem Fenster und erklärte: „Das Unternehmen (Shanghai Yiqian Trading Company – SYT, Anm. der Red.) bietet keinerlei Anlass für Zweifel. Wir haben alles an Sicherheiten eingeholt, was möglich ist.“ Nachdem erste Unstimmigkeiten auftraten und erste vereinbarte Zahlungen nicht eingingen, wurde der Verkaufsprozess erst einmal ausgesetzt. Neugierig geworden, schickte der TV Sender SWR einen Reporter auf die Suche nach der Firma, die in der chinesischen Baubranche ganz groß sein sollte. An der hinterlegten Adresse fand er allerdings nur leer stehende Büroräume, sowie die Filiale eines Reifenhändlers. Dort begrüßte ihn ein Angestellter mit den Worten: „Na, sind Sie auch ein geprellter Anleger?“ Die Blamage war perfekt.

WER HAT SCHULD?
Doch wie das in der Politik so üblich ist, sucht man gerne die Schuld bei anderen. Demut, Selbstreflexion – Fehlanzeige. Für Malu Dreyer und Roger Lewentz war klar, Schuld war die Beraterfirma KPMG, die man beauftragte, die Landesanteile an dem Flughafen (82,5%) zu verkaufen. Tatsächlich ist die Rolle der Münchner Wirtschaftsprüfer dubios. Dubios ist aber auch, warum das Unternehmen überhaupt den Auftrag erhielt, war es doch auch in die Nürburgring Affäre verwickelt. Dennoch erhielt die Firma 2012 den Auftrag, einen Käufer für den Flughafen, der im letzten Jahr einen Verlust von 17,4 Millionen Euro verbuchte, zu finden. Für diesen Auftrag, sowie für die Markterkundung seit 2012, die Ausschreibung, die Abstimmung mit der EU-Kommission und verschiedenartigen rechtlichen Beratungen des Landes, erhielt die Firma laut Aussage des Innenministeriums ein Honorar in Höhe von 6,25 Millionen Euro. Das asiatische Unternehmen bot derweil einen Kaufpreis von 13 Millionen Euro. Nach den Schuldzuweisungen der SPD Richtung KPMG, wiesen die wiederum die Schuld von sich und erklärten, dass die Landesregierung „einseitig und letztlich unaufrichtig“ den Sachverhalt wiedergegeben hätten, vielmehr hätte diese einen erheblichen Verkaufs- und Zeitdruck auf die Firma ausgeübt. Tatsächlich hätten die Wirtschaftsprüfer der Landesregierung bereits im Mai empfohlen, die Verhandlungen aufgrund von Unregelmäßigkeiten auszusetzen. KPMG erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme: „Entgegen dieser Empfehlung entschied Staatssekretär Randolf Stich (SPD) für die Landesregierung, (…), die Verhandlungen mit dem Ziel eines möglichst kurzfristig umsetzbaren Vertragsabschlusses fortzuführen.“ Weiter: „Er begründete dies mit den fehlenden Handlungsalternativen und dem Hinweis auf den von der Ministerpräsidentin bereits zuvor zum Ausdruck gebrachten Zeitdruck.“ Frei nach dem Motto „ Augen zu und durch“, ließ man sich dennoch auf den Deal mit SYT ein – mit bekanntem Ergebnis.

WIE GEHT ES WEITER?
In Anbetracht der atemberaubenden Summen, die bisher gezahlt wurden, meldete sich mittlerweile der Chef des Steuerzahlerbundes, Ex-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), zu Wort und erklärte, man müsse prüfen, ob man die Shanghai Yiqian Trading wegen arglistiger Täuschung in Regress nehmen könne. Aber wie verklagt man eine Briefkastenfirma? Besser könnten womöglich die Chancen sein, die Beraterfirma auf Schadensersatz zu verklagen. Lewentz erklärte unlängst, dass der rheinland-pfälzische Rechnungshof „schnellstens“ alle Unterlagen für ein Gutachten zur Verfügung gestellt bekommen würde. Indes hat die KPMG weiterhin den Auftrag, einen Käufer für den Flughafen zu finden. Und weil man noch nicht genug Geld verbrannt hat, hat man gleich noch eine weitere Firma beauftragt, die nun die Beraterfirma berät. Bereits im Sommer bekam der Düsseldorfer Wirtschaftsprüfer Dr. Martin Jonas den Auftrag, einen neuen Käufer zu finden. Hierfür hat man den Verkauf komplett neu ausgeschrieben und dabei gleichzeitig die Bedingungen modifiziert. Die neuen Interessenten müssen bis zum 21. Oktober ein neues Angebot vorlegen. Um zu zeigen, dass sie es ernst meinen, müssen sie ein Pfand in Höhe von 250.000 Euro hinterlegen. Ebenso muss der geplante Kaufpreis hinterlegt werden, genauso wie ein schlüssiges Finanzierungskonzept. Zu guter Letzt fordert das Land den Nachweis, dass ein möglicher Käufer qualifiziert ist, sein Zukunftskonzept für den Flughafen auch umzusetzen. Neu ist auch, dass nicht allein das höchste Gebot zählt. Entscheidend ist das Gesamtpaket. Besonders delikat ist bei den Vertragsverhandlungen, dass die Landesregierung dem Wartungsunternehmen („Haitec“) des Flughafens Hahn einen Flugbetrieb bis 2028 garantiert hat. Derzeit liegen 13 Angebote vor. Roger Lewentz erklärte diesbezüglich vollmundig: „Ziel ist es, noch in diesem Jahr zu einem Abschluss zu kommen.“

KONSEQUENZEN FÜR DREYER & CO.?
Für die Akteure der Landesregierung gab es für diese Posse bisher keine Konsequenzen. Einem durch die CDU gestellten Misstrauensvotum hielt Landeschefin Malu Dreyer im Juli dieses Jahres stand. Es ist wie so oft in der Politik. Man stelle sich nur mal vor, ein Angestellter eines Unternehmens hätte sich einen derartigen Fauxpas geleistet. Wahrscheinlich wäre es nicht nur zu einer Abmahnung gekommen, der liebe Mitarbeiter hätte vermutlich gleich seinen Platz räumen können. In der Politik übernimmt man hingegen ungern die Konsequenzen eigener Nachlässigkeit, und mit dem Geld anderer Leute lässt es sich sowieso viel angenehmer arbeiten. Um möglichst gut durch die Krise zu kommen, hat sich die Landesregierung selbst ebenfalls einen Berater gegönnt. Kommunikationsmanager Bela Anda, ehemaliger Regierungssprecher unter Gerhard Schröder von 2002 bis 2005, übernimmt diese Aufgabe. Für einen 140 Stunden Vertrag erhält dieser einen Lohn von 30.000 Euro. Nicht der schlechteste Monatsverdienst.