Was ist Sicherheit? Die Antwort darauf ist sehr komplex, besonders in Hinblick auf Großveranstaltungen. Längst hat das Feiern seine Unschuld verloren, und daran ist noch nicht mal der Terror alleine Schuld. Bereits die Massenpanik im Jahr 2000 auf dem Konzertgelände in Roskilde, die acht Menschenleben forderte, warf einen düsteren Schatten auf das gerade begonnene neue Jahrtausend. Die Folgen waren umfangreiche Veränderungen bei den Sicherheitsmaßnahmen, aber auch die konnten nicht verhindern, dass bei der Love Parade 2010 in Duisburg abermals Menschen bei einer Großveranstaltung ums Leben kamen. Noch heute tobt der Rechtsstreit darüber, wer und ob überhaupt jemand dafür verantwortlich ist, dass 21 junge Menschen zu Tode getrampelt wurden. Seit diesem Zeitpunkt beschäftigt Organisatoren vor allem die Frage nach der Verantwortung, untermauert mit dem beliebten Satz: „Schließlich setze ich meine Unterschrift darunter und muss haften!“.

Ein Satz, der im Vorfeld des Rheinland-Pfalz-Tages auch von unserem Oberbürgermeister öfters zu hören war.  Zugleich kündigte dieser an, dass die Sicherheitsmaßnahmen, die man für diese drei Tage entwickelt hat, bei weitem jedes Wormser Fest übertreffen, schließlich haben sich die Zeiten geändert. Tatsächlich kamen zu den oben genannten Katastrophen im Laufe der letzten Jahre zahlreiche Terrorattacken in Europa hinzu, die den Blick auf Sicherheit in der Öffentlichkeit zusätzlich veränderten. Erlebbar wurde das bereits ein Tag nach der Amokfahrt des Terroristen Anis Amri auf dem Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz, bei der 12 Menschen starben. Mit schweren Geschütz bewaffnet, patrouillierte die Wormser Polizei am Folgetag über den Weihnachtsmarkt, während die Straßenzufahrten mit größeren Autos blockiert wurden. Seitdem begleiten Poller oder Betonklötze Veranstaltungen in Worms. Notdürftig dekoriert mit Geschenkpapier oder Blumen zeugen sie dennoch von unserer Furcht vor Terror. Doch egal wie sehr wir uns vorbereiten, das Grauen kennt immer wieder neue Gesichter. Nach den Terrorfahrten kamen Messerattacken, eine der wohl perfidesten Arten des Terrors. Ist es doch nahezu eine Bedrohung aus dem Nichts.

„Wir haben uns vorgenommen, dass Sicherheit oberste Priorität hat“, erklärte OB Michael Kissel bei der heutigen Pressekonferenz zum Sicherheitskonzept des bevorstehenden Rheinland-Pfalz-Tages. Was das bedeutet, davon konnte man sich am Ende der mehr als einstündigen Veranstaltung ein ungefähres Bild machen. Wie sehr sich die Welt verändert hat, davon können auch Zahlen erzählen. Zu Beginn der Veranstaltungen unternahm der OB einen Ausflug in die Vergangenheit und erklärte, dass es beim letzten Rheinland-Pfalz-Tag in Worms, im Jahre 1986, zwar auch ein Sicherheitskonzept gab, das umfasste allerdings gerademal zwei Leitz Ordner. Zwar rechnet man heute mehr in Datensätzen als in Leitz-Ordnern, aber alleine 16 Arbeitskreise, die sich mit dem Thema Sicherheit beschäftigten, zeugen davon, dass man es hier mehr als ernst meint. Betreut wurde das Konzept von einer externen Dienstleiterin, der Eventmanagerin Bettina Rottberg, die seit 2011 an der Entwicklung von Konzepten für die jeweiligen Rheinland-Pfalz-Tage beteiligt ist.

Wie groß das Ausmaß des Festes ist, erklärte ein sichtlich stolzer Stadtchef. „Die Veranstaltungsfläche ist größer als bei allen bisherigen Rheinland-Pfalz-Tagen“. Ein Umstand, den Clemens Hoch, Mitarbeiter der Staatskanzlei Mainz mit dem Satz: „Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass ihr euch beworben habt“, quittierte und ergänzte: „Ich weiß, dass dieses Fest für den städtischen Haushalt mit seinen Sicherheitsmaßnahmen einiges an finanzieller Belastung bedeutet“. Hoch ergänzte zu den Sicherheitsausgaben: „Die Stadt Worms stemmt das aus eigener Tasche, wofür wir sehr dankbar sind“. Gleichwohl räumte er ein, dass man mit zukünftigen Ausrichtern des Landesfestes gemeinsam über die Finanzierung sprechen müsse. Wie hoch die ungefähre Summe ist, erfuhr die Presse nach einer Anfrage unseres Magazins. Betonend, dass man natürlich die Ausgaben erst nach dem Drei-Tages-Fest genau beziffern könnte, schätzte der erfahrene Verwaltungsmann Kissel den Sicherheitsetat auf rund 420.000 Euro. Eine Zahl, bei der man an Anbetracht des desolaten Haushaltes der Stand erst mal schlucken muss.

Wer bei den bisherigen Veranstaltungen aufmerksam zuhörte oder sich durch die Presse informierte, ahnt bereits, was Worms am ersten Juniwochenende erwartet. Für drei Tage wird die Innenstadt, beginnend vom Bahnhof, endend am Rhein, zu einer Hochsicherheitszone, für die die Anwohner eine Ausnahmegenehmigung benötigen, wenn sie sich mit dem Auto bewegen wollen. Bekannt ist, dass an den drei Tagen während der aktiven Zeit des Festes, also von 10 Uhr bis 23 Uhr, gar keine Bewegung mit einem Auto möglich ist. Außerhalb dieser Zeiten ist die Nutzung nur mit jener Ausnahmegenehmigung möglich. Wer dennoch sein Auto während der Kernzeit benötigt, muss sein Gefährt auf einem der öffentlichen Parkplätze außerhalb des Stadtrings parken. Vor dort wird er mit einem Shuttlebus kostenlos in die Innenstadt gebracht. Zum Problem könnte die Größe der beiden Flächen werden. Die Parkmöglichkeiten am Salamander Gelände und dem Industriegebiet Langgewann fassen zusammen lediglich 7.000 Fahrzeuge. Sollte allerdings nur ein Bruchteil der anvisierten 300.000 Besucher mit dem PKW anreisen, sieht es für die Anwohner unter Umständen schlecht aus. Das musste eine Anwohnerin, die auf der Stadtverwaltung eine Ausnahmegenehmigung holte, auf brüske Art und Weise erfahren. Da sie an dem Wochenende außerhalb von Worms arbeiten muss, ist sie auf ihr Auto angewiesen. Auf die Frage, ob sie auch eine Parkplatzgarantie bekäme, antwortete man ihr mit einem schroffen „Ja“ und dem Satz: „Wenn wir keinen mehr haben, dann haben Sie halt Pech gehabt“. Nicht gut sieht es auch für Menschen aus, die die Rheinbrücke queren müssen, denn die ist bekanntermaßen an diesem Wochenende von vier auf zwei Spuren reduziert, sprich, es ist ausschließlich die neue Brücke befahrbar. Wer den Umweg über Mannheim in Kauf nimmt, könnte ebenso sein Verkehrs-Waterloo erleben, denn seit ein paar Tagen wird an der Autobahnbrücke bei Mannheim-Sandhofen wieder fleißig gearbeitet, wodurch es zu Staus kommen kann. Mitleid hat der Oberbürgermeister mit den Betroffenen indes wenig: „Wir haben alle Bürger darauf hingewiesen, dass alle Lieferungen nur nachts gemacht werden können“. Er ergänzte aber noch, dass man in einigen begrenzten Fällen Ausnahmen machen würde.

Insgesamt 900 Polizisten sollen an diesem Wochenende in Worms im Einsatz sein. Zu diesen gesellen sich noch zahlreiche Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste, rund 300 Mitarbeiter der Feuerwehr und des THW, viele hunderte Sanitäter und Ärzte. Ebenso wird ein stattliches Heer an städtischen Mitarbeitern für die Besucher als Ansprechpartner in allen Belangen zu Verfügung stehen. Insgesamt 450 städtische Mitarbeiter befinden sich im Einsatz, davon 150 im regulären Dienst und 300 ehrenamtlich. Zusätzlich wurde betont, dass man mit den Krankenhäusern in Frankenthal, Grünstadt und Alzey Regelungen getroffen hat, sodass im Falle eines Katastrophenszenarios auf deren Hilfe zurückgegriffen werden kann. Ebenso hat man weitere Notarztdienste verpflichtet. Wie Angelika Zezyk, Leiterin Sicherheit und Ordnung, erläuterte, hätte man im Vorfeld so ziemlich jede Eventualität durchgespielt, um jedoch sofort hinzuzufügen, dass es natürlich keine hundertprozentige Sicherheit gebe.

Besonders im Fokus der Verantwortlichen steht die Gefahr durch Autos. Hierfür wurde ein umfassendes Verkehrskonzept erarbeitet, das durch die Wormser Presse hinlänglich bekannt sein dürfte. Im Kontakt steht man auch mit der Flugsicherung des Wormser Flughafens. Eine ebenso hohe Priorität hat die Lenkung von Besucherströmen, um überfüllte Plätze zu vermeiden. Die erfahrene Eventmanagerin Rottberg erklärte, dass es durchaus dazu kommen kann, dass der Zugang, besonders zu Bühnen, zeitweise wegen Überfüllung geschlossen ist. Um Panik in den Fußgängerzonenbereichen zu vermeiden, soll auch hier ein Zählsystem angewandt werden, das man regelmäßig bei Großveranstaltungen wie Jazz & Joy nutzt. Ziel ist es auch hier, im Überfüllungsfall die Besucher umzulenken. Zusätzlich montierte Lautsprecher sollen hierbei unterstützend wirken, genauso wie eine Kameraüberwachung. Vorgesehen ist eine visuelle Überwachung an 16 zentral gelegenen Orten. Insgesamt gilt es für die Sicherheitskräfte ein Areal von rund 350.000 Quadratmetern unter Kontrolle zu halten.

Eine Herkulesaufgabe. Michael Kissel begründet die Eignung der Stadt Worms gerne mit einem Verweis auf Jazz & Joy und weitere Großveranstaltungen, wo man ähnliche Situationen stemmt. Tatsächlich dürfte die dreitägige Großveranstaltung für viele Beteiligte eine neue Erfahrung werden. Es stellt sich für die Zukunft allerdings die Frage, wie viele dieser Erfahrungen mit dem Geldbeutel gestemmt werden. Der OB betonte bei der Pressekonferenz abermals die Bedeutung des Festes für die Stadt und die Möglichkeit der Bürger dieser Stadt, ihren Stolz auf selbige auszudrücken. Letztlich stellt sich aber auch die Frage, was uns dieser Stolz hinsichtlich eines leeren Geldbeutels wert ist. Bleibt zu hoffen, dass der Sicherheitsapparat nicht in Bewegung gesetzt werden muss und das Wetter Worms „wohlgesonnen“ ist.