Dieter Wedel setzt in Bad Hersfeld auf nibelungische Erfahrungen

Man muss das Rad nicht ständig neu erfinden. Wer könnte das besser wissen als Dieter Wedel, der sich in seiner filmischen Karriere schon ein ums andere Mal Plagiatsvorwürfen ausgesetzt sah, weil immer wieder große Teile seiner Filme an bekannte Hollywood-Produktionen erinnerten. Auch bei seiner neuen Stelle als Intendant der Bad Hersfelder Festspiele betritt Wedel alte Pfade, um dem osthessischen Örtchen zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen.

Da die Nibelungen Festspiele in diesem Jahr erst im August stattfinden, ist es in Sachen Neuigkeiten noch sehr ruhig im Moment. Derweil hat der alte Wormser und neue Bad Hersfelder Intendant Dieter Wedel unter gewohnt viel Blitzlichtgewitter die aus Funk und Fernsehen bekannten Schauspieler des Ensembles für die 65. Bad Hersfelder Festspiele verkündet. Den größten Starauflauf bietet sicherlich William Skakespeares „Komödie der Irrungen“, mit der am 6. Juni die achtwöchigen Festspiele in dem osthessischen Kurort eröffnet werden. Sonja Kirchberger, Cosma Shiva Hagen, Heinz Hoenig und Mathieu Carrière werden unter der Regie von Dieter Wedel auf der Bühne in der Stiftsruine zu sehen sein. Bis auf Carrière waren alle Schauspieler auch schon in Aufführungen der Wormser Festspiele dabei. Außerdem wird in diesem Jahr „Der zerbrochne Krug“ von Heinrich Kleist aufgeführt, und zwar von dem im letzten Jahr geschassten Intendanten Holk Freytag, den Wedel so über einen Umweg wieder mit ins Boot holte. Das Musical „Cabaret“ inszeniert Gil Mehmert, der sich in Worms im Jahr 2009 für die Komödie „Das Leben des Siegfried“ verantwortlich zeichnete. Wedel-Assistent Joern Hinkel bringt ebenfalls ein Stück von Shakespeare auf die Bühne, wobei die „Sommernachts-Träumereien“ nicht in der Stiftsruine, sondern in dem angrenzenden Park mit einem Ensemble, bestehend aus Profis und örtlichen Laiendarstellern, aufgeführt werden. Auch das hatte sich in Worms schließlich bestens bewährt: die Einbeziehung der Einwohner, um die Akzeptanz der Festspiele in der Bevölkerung zu steigern. „Lottofee“ Franziska Reichenbacher, der die BILD-Zeitung eine Affäre mit Dieter Wedel nachgesagt hat, betreut das Kinderstück „Die Eule“, ein unbekanntes Grimmsches Märchen. Um genügend Besucher für anspruchsvolles Freilufttheater zu begeistern, hat Wedel neben den eingangs erwähnten Darstellern aus „Komödie der Irrungen“ für das Musical „Cabaret“ Helen Schneider und Judy Winter gewinnen können, die Hauptrollen übernehmen Rasmus Borkowski und Bettina Mönch. In Hinkels „Sommernachts-Träumereien“ wirkt mit Markus Majowski ein alter Bekannter aus dem Ensemble der letzten beiden Jahre der Nibelungen Festspiele mit. Auch aus Wormser Sicht gibt es Positives zu vermelden: Sowohl Nibelungen-Urgestein Andre Eisermann als auch Jungschauspieler Peter Englert, Sänger der Döftels, haben einen neuen Job in Bad Hersfeld gefunden – beide in Joern Hinkels Inszenierung.

Insgesamt stehen in Bad Hersfeld sieben Stücke auf dem Programm, das sehr komödienlastig ist. Trotzdem will Wedel den gewagten Spagat zwischen Anspruch und Popularität schaffen. So erklärte der neue Intendant, er habe im letzten Jahr auf der Tribüne Besucher mit kurzen Hosen und Popcorn in der Hand gesehen, was Wedel zu dem Fazit veranlasste, dass man kein Popcorn-Theater sein möchte und der Besuch eines Theaterstückes nicht mit einem Kinoabend zu verwechseln wäre. Mit jeder Menge Fernsehstars im Gepäck will Wedel, ebenso wie 13 Jahre lang in Worms, die 65. Bad Hersfelder Festspiele vom künstlerischen Anspruch her neu positionieren. Der Besuch eines Stückes soll zu einem Gesamterlebnis werden. Deshalb werden für die Besucher auf der neuen Tribüne in der Stiftsruine Klang, Sicht und Komfort verbessert werden. Auch hierfür hat Wedel sein über Jahre bewährtes Soundteam aus Worms engagiert. Zudem gibt es zukünftig eine Pause pro Stück, weshalb der Park rund um die Stiftsruine zu einem großen Foyer umgerüstet wird. Auch hier lässt unser Heylshof grüßen, der sich dank seines bezaubernden Ambientes zum heimlichen Star der Wormser Festspiele gemausert hat. Was sich für uns wie „Alter Wein in neuen Schläuchen“ anhören mag, scheint in Bad Hersfeld gut anzukommen. Wie mit Stefan Pruschwitz, dem ehemaligen Chef des Wormser Stadtmarketings, ein alter Bekannter verkünden durfte, laufe der Vorverkauf für die insgesamt knapp 85.000 Karten „vielversprechend“ und man liege aktuell „über den Erwartungen“. Was auch immer die Erwartungen gewesen sein mögen: kräftig die Werbetrommel rühren, das konnten Wedel und sein Team schon viele Jahre in Worms.

ÜBRIGENS: Auf das Budget angesprochen, das seinem Vorgänger Holk Freytag zum Verhängnis wurde, weil dieser nicht bereit war, zukünftig knapp eine halbe Million Euro einzusparen, antwortete Wedel vielsagend: „Man soll nicht immer zuerst nach dem Preis fragen, sondern nach dem Wert.“ Dabei vergaß er jedoch zu erwähnen, dass Wedel ebenso auf 4,5 Millionen Euro an Etat zurückgreifen konnte wie sein Vorgänger und eben nicht den Rotstift ansetzen musste. Sonst würden vermutlich nicht so viele Stars in Bad Hersfeld vorbeischauen.