Wie wollen wir in unserer Stadt leben? Eine im Grunde simple Frage, die in ihrer Dimension allerdings weitreichende Folgen hat. Ein zentrales Element betrifft den zukünftigen Umgang mit einem immer größeren Verkehrsaufkommen. Tatsächlich sind in Worms rund 40.000 Fahrzeuge zugelassen, eine gewaltige Menge an Blech, die ergänzt wird durch auswärtigen Berufsverkehr, Tourismus, Lastverkehr usw. Während sich die Menge an Fahrzeugen von Jahr zu Jahr erhöht, bleibt jedoch die Größe der Stadt gleich.

Da kann man noch so viele Umgehungsstraßen bauen, im Ergebnis ändert sich letztlich nichts an der Fläche. Die Konsequenz dieser Entwicklung sind immer wieder verstopfte Straßen und damit eine gefühlte zunehmende nervliche Belastung für viele Verkehrsteilnehmer. Wer kennt sie nicht die Situationen, wenn die Nerven blank liegen und es immer wieder im Stadtverkehr zu aggressiven Auseinandersetzungen kommt. Ein ebenfalls nicht zu unterschätzender Umstand ist die Belastung der Umwelt. Zwar sind Autos im Laufe der Zeit durchweg umweltfreundlicher geworden, doch der Traum vom emissionsfreien Automobil wird wohl noch lange Zeit ein Traum bleiben. Da kann der Staat Elektroautos noch so sehr fördern. Probleme, die übrigens nicht nur Worms kennt. Schon seit längerer Zeit beschäftigen sich viele Städte mit dem drohenden Verkehrsinfarkt und suchen nach innovativen Modellen, die sowohl Verkehr als auch Umwelt entlasten. Eines dieser Modelle ist das Fahrradverleihsystem, ein Modell, das im ersten Moment gar nicht so originell erscheint, schließlich gibt es die Diskussion um kommunalen Fahrradverleih seit mehr als 50 Jahren. Kommunen behandelten das Thema jedoch lange Zeit halbherzig, zu groß war der Aufwand für Instandhaltung und eine bedarfsgerechte Verteilung. Frühere Modelle waren bevorzugt Leihsysteme der Bahn, von Fahrradläden, Werksfahrräder oder Hotelfahrrädern, wie z.B. die Fahrräder des Prinz Carl Hotels in Worms. Eine neue, ernsthafte Dimension des städtischen Fahrradverleihs erfolgte erst mit dem Pariser Erfolgsmodell Velib, das 2007 eingeführt wurde. Rund 21.000 Räder wurden über das gesamte Stadtzentrum an Knotenpunkte wie Bahnhöfe, Tramstationen usw. verteilt. Die Folge war eine erhebliche Zunahme des Radverkehrs. Es konnte sogar beobachtet werden, dass auch die privaten Fahrräder wieder vermehrt genutzt werden. Eine Erfolgsgeschichte, die auch die deutsche Politik aufhorchen ließ. Es folgte eine Ausschreibung unter dem Titel „Innovative öffentliche Fahrradverleihsysteme – Neue Mobilität in Städten“. Zunächst wollte man sich ausschließlich auf Großstädte konzentrieren. Die Entwicklung zeigte aber, dass sich auch immer mehr Klein- und Mittelstädte mit dem Thema beschäftigten, woraufhin die Bundesregierung den Wettbewerb ausweitete. Aus den eingereichten Modellvorschlägen wurden letztlich sieben als besonders innovativ ausgezeichnet, während acht Modelle Förderzusagen erhielten. Zwischenzeitlich unterhalten mehrere Städte im Umkreis von Worms professionell organisierte Fahrradverleihsysteme, die von den Bürgern begeistert angenommen werden.

UND WORMS?
Auch die Wormser Politik beschäftigt sich schon seit längerem mit der Etablierung eines solchen Systems. Bereits bei einem Pressegespräch im Jahre 2014 kündigte OB Kissel an, dass man sich aktiv mit diesem Thema auseinandersetze. Klar war aber auch schon damals, dass man Modelle aus den Nachbarstädten Mannheim oder Mainz nicht einfach eins zu eins übernehmen kann, da sowohl Fläche als auch die Zielgruppen unterschiedlich sind. Während in den besagten Nachbarstädten die Modelle besonders bei Studenten und Berufstätigen nachgefragt werden, dürfte in Worms die Struktur der Interessenten eine andere sein. Zwischenzeitlich stimmte der Stadtrat der Einführung eines solchen Verleihs zu. Der Startschuss soll im April 2017 sein, sofern die Aufsichtsbehörde die finanziellen Mittel bewilligt. Wie das Stadtoberhaupt erklärte, gehört die Finanzierung eines solchen Systems zu den sogenannten freiwilligen Leistungen. In Anbetracht des maroden städtischen Haushaltes werden gerade die freiwilligen Leistungen von der Aufsichtsbehörde intensiv einer Prüfung unterzogen. Derzeit sind für die Betriebskosten 190.000 Euro in den ersten fünf Jahren vorgesehen. Geplant sind elf Stationen mit 75 Fahrrädern. Die Ausleihpunkte sollen an neuralgischen Verkehrsknotenpunkten etabliert werden, so unter anderem am Wormser Hauptbahnhof und diversen Bushaltestellen. Die Stationen beschränken sich zunächst auf den Innenstadtbereich und sollen nicht weiter als 500 Meter voneinander entfernt sein. Eine Etablierung in den Stadtteilen ist zunächst nicht geplant, sehr wohl möchte aber die Hochschule auf eigene Rechnung eine solche Station installieren.

UND SO SOLL ES FUNKTIONIEREN!
Per App vom Smartphone aus, per Telefon oder an der Stele eines der Fahrradterminals kann sich der Interessent anmelden und kurz die Freigabe abwarten. Danach kann man das Fahrrad aus dem Schloss nehmen und die Tour kann losgehen. Das Besondere an diesem System: Das Fahrrad kann man an jeder beliebigen Station abgeben und muss nicht zurückgebracht werden. Das gilt auch über die Stadtgrenzen hinaus. Wer also nach Mannheim radeln möchte, kann dies mit dem Leih-Fahrrad von Worms aus tun und es dort wieder abgeben. Dies ist möglich, da das System an das etablierte Mietsystem VRNnextbike angegliedert ist, was bereits in der Metropolregion weitverbreitetet ist.

RADFAHRERSTADT WORMS
Natürlich stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie fahrradfreundlich Worms ist. Zwar wird gerne von offizieller Seite betont, dass Worms sich selbst als ausgesprochen freundlich diesbezüglich sieht, baulich können dem die meisten Radfahrer nur eingeschränkt zustimmen – und das wird sich auf Jahre nicht ändern. Zwar wurde für Fahrradfahrer in den vergangenen Jahren viel getan, dennoch gibt es viele Knotenpunkte, die einen Stresstest nicht unbedingt überstehen würden. So sind zum Beispiel Kreisel für Autofahrer eine willkommene Erleichterung gegenüber den oft zermürbenden Ampelschaltungen, bei denen man gefühlt eine Ewigkeit wartet und problemlos währenddessen den Barthaaren beim Wachsen zuschauen kann. Für Zweiradfahrer sind Kreisel jedoch oft eine echte Herausforderung. In der Geschwindigkeit von Autofahrern gerne unterschätzt, führt dies nicht selten zu brenzligen Situationen. Auch Straßen wie die Gau-, Mainzerstraße oder Teile der Alzeyerstraße bieten oft abenteuerliche Situationen und weisen keine ausgesprochenen Radstrecken aus. Aufgrund eines klammen Geldbeutels ist ein zusätzlicher Ausbau von ausdrücklichen Radwegen eher unwahrscheinlich, Stichwort sind hier so genannte Radschnellwege, wie sie bereits in vielen Städten vorhanden sind. Man darf gespannt sein, wie sich das Worms der Zukunft entwickeln wird.

CAR-SHARING, AUCH EINE ALTERNATIVE ZUM DROHENDEN VERKEHRSINFARKT?
Wie der Homepage der Stadt Worms zu entnehmen ist, wird ein Auto im Durchschnitt ca. 40 Minuten am Tag gefahren, die restlichen rund 23 Stunden steht es ungenutzt herum und blockiert die gerade in der Stadt so wertvollen Freiflächen. Genau hier greift die Idee des Car-Sharing. Ein Auto wird gemeinsam mit anderen Personen genutzt. Organisiert als Verein, Genossenschaft oder GmbH teilen sich 12-15 Personen ein Fahrzeug und somit auch die Kosten für Anschaffung, Steuer, Versicherung und Reparaturen. Weiter informiert die Homepage über die Erkenntnis, dass Car-Sharing nachweislich zu geringeren persönlichen Fahrleistungen führt als bei eigenem Autobesitz – ohne dass es zu Mobilitätseinbußen kommt, da viele Wege mit dem ÖPNV, Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt werden. Es leistet damit einen Beitrag zur Verringerung der aus dem Autoverkehr resultierenden Umweltbelastungen (Produktion, Energieverbrauch, Stellplatzflächen, Luftschadstoffe, Lärmbelastung, Abfall). Durch jedes gemeinsam genutzte Fahrzeug werden bis zu acht Autos eingespart. Bundesweit gibt es zurzeit 150 Car-Sharing-Anbieter mit insgesamt über 750.000 Mitgliedern. In Worms besteht die Möglichkeit, das Car-Sharing-Angebot der Stadtmobil Rhein-Neckar AG zu nutzen. Derzeit stehen zwei Fahrzeuge zur Verfügung, die in der Zornstraße geparkt sind. Interessierte Kunden können zwischen mehreren Tarifen wählen. Grundsätzlich wird zu Beginn eine Aufnahmegebühr sowie eine Kaution berechnet. Ansonsten fällt anschließend nur noch ein geringer monatlicher Grundbeitrag an, sowie die Berechnung der tatsächlichen PKW Nutzung. Für VRN Kunden verringern sich die Kaution und die Aufnahmegebühr. In größeren Städten ist Car-Sharing schon längst fester Bestandteil des Verkehrskonzeptes. Es bleibt abzuwarten, ob sich das Modell auch in Worms etablieren wird. Über die derzeitige Nutzung der beiden Wormser Stadtmobile ist leider nichts bekannt.