WO! im Gespräch mit Wolfgang Schall

Wolfgang Schall und Wolfgang Niedecken

Bereits seit seiner Jugend war WOLFGANG SCHALL politisch aktiv und als Nachkriegskind ein steter Kämpfer gegen Rassismus, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit. Im letzten Jahr war er einer der Mitgründer des „Bündnisses für Demokratie, Toleranz und Vielfalt“ und ist aktuell noch als Behindertenbeauftragter der Stadt Worms tätig. Mit seiner Konzertagentur „Krone Concerts“ ist SCHALL seit fast drei Jahrzehnten der Mann, der den Wormsern unvergessliche Konzerte in ihrer Heimatstadt beschert hat. Ende September hat WOLFGANG SCHALL mit nunmehr 68 Jahren die Verdienstmedaille der Stadt Worms erhalten. Wir haben uns mit ihm über diese Auszeichnung und sein Leben unterhalten

WO! Herr Schall, Ende September wurde Ihnen die Verdienstmedaille der Stadt Worms verliehen. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Die Auszeichnung kam erstmal überraschend und bedeutet mir ziemlich viel.

WO! Können Sie etwas zu ihrem beruflichen Werdegang sagen? Als gelernter Fernmelder waren Sie in späten Jahren bei der Lebenshilfe beruflich aktiv. Aber was war Ihre tatsächliche Berufung?

Ich hab Fernmeldetechniker gelernt, dann hab ich Maschinenschlosser gelernt und schließlich noch eine Ausbildung zum Kesselwart bei der Firma Grace absolviert. Und am Schluss hab ich als Erzieher bei der Lebenshilfe den Beruf ausgeübt, den ich schon immer machen wollte.

WO! Sie sind aktuell auch Behindertenbeauftragter der Stadt. Wie lange wird dieses Engagement noch andauern und haben Sie in dieser Funktion ein dringendes Anliegen?

Das Amt wird bald auslaufen, dies war meine letzte Wahlperiode, da ich auch körperlich nicht mehr so fit bin. Allerdings bin ich noch im Vorstand der
Lebenshilfe
tätig. Mein Anliegen ist, dass Worms, wie andere Städte auch, nach und nach alle Barrieren – und das sind einige – abbaut. Das geht nicht von heute auf morgen, aber zumindest sollte dies bei Neubauten berücksichtigt werden.

WO! Sie sind schon seit Ihrer Jugend politisch aktiv. Gab es ein bestimmtes Erweckungserlebnis, durch das Sie politisch geprägt wurden?

Nein, das gab es nicht. Ich war schon immer ein Mensch, der sich sehr für Gerechtigkeit eingesetzt hat. Politisiert hat mich letztendlich der Kampf um das Haus der Jugend, der fast zehn Jahre angedauert hat und sehr anstrengend war. Aber es hat sich gelohnt, denn das Haus der Jugend ist heute immer noch darin.

WO! Wenn Sie heute die Möglichkeit hätten, dem jungen Wolfgang Schall etwas mit auf den Weg zu geben, was wäre das?

Das ist eine harte Frage. Auch mein Leben war ein Auf und Ab, es wurden viele Fehler gemacht, aber aus diesen Fehlern lernt man letztendlich. Manche Fehler macht man auch zweimal. Aber ich kann heute sagen, dass ich ein glücklicher Mensch bin, der ein erfülltes Leben hatte. Ich blicke auf ein
gutes Leben zurück, mit meinen Erlebnissen kann man
sicherlich ein paar Leben füllen…

WO! In Worms kennt man Sie hauptsächlich als Konzertveranstalter. Wie kam es dazu, die Konzertagentur „Krone Concerts“ zu gründen?

Es gab früher in der Valckenbergstraße eine Kneipe namens „Kulisse“. Dort haben sich all diejenigen getroffen, die ein bisschen anders waren. Hippies, Langhaarige. Mitte der Achtziger wurde die Kulisse geschlossen und als ich dann 40 Jahre alt wurde, habe ich ein Fest in der Krone in Herrnsheim gemacht und all die Leute von damals eingeladen. Damals spielten u.a. die „Peacemaker“ und „Mark Gillespie“. Nach dem Fest kamen jede Menge Leute zu mir und meinten, ich solle so etwas öfters machen. Ich hab mich dann mit Hans Pfaffenholz von der Krone unterhalten und vom Prinzip war das die Geburtsstunde von Krone Concerts.

WO! Was war für Sie persönlich das schönste Konzert während dieser Zeit?

Es sind einige Konzerte… BAP in Rheindürkheim für die Lebenshilfe war super, die Guano Apes waren grandios. Molly Hatchet war super, Saxon war geil. Interessant und lustig war Nina Hagen, Toto war vom Aufwand her sehr groß. So einen richtigen Favoriten habe ich gar nicht, aber das Konzert für die Lebenshilfe ist sicherlich ganz vorne dabei.

WO! Es gab auch Rückschläge, ich erinnere mich, dass z.B. das Toto-Konzert mehr Besucher benötigt hätte?

Da haben wir 10.000 Mark drauflegen müssen…

WO! Es gab aber auch Glücksfälle wie die Guano Apes oder Reamonn…

Die Guano Apes hatten wir frühzeitig für damals 1.700 Mark gebucht. Als die Band in den Charts auf Platz eins gelandet ist, hat sich der Vertrag geändert.

WO! Das heißt, ihr musstet mehr zahlen?

Der Vertrag wurde aktualisiert, aber es war immer noch ein sehr fairer Deal.

WO! Das Konzert fand damals in der Krone statt?

Nein, in der Nikolas-Dörr-Halle. In der Krone waren die Guano Apes nochmal, aber als Special Guest bei Reamonn.

WO! Welchen Künstler / welche Band hätten Sie gerne mal für ein Konzert nach Worms geholt? Das Budget spielt keine Rolle….

Dann würde ich mal Neil Young nach Worms holen. Ein guter Blueser, das wäre was. Aber vielleicht mache ich ja auch nochmal was. So ganz weg bin ich noch nicht vom Fenster….

WO! Sie waren auch viele Jahre als Berater beim Wormser „Jazz & Joy“ tätig. Welche Erinnerungen verbinden Sie damit und wie beurteilen Sie die Entwicklung des Festivals?

Ich hab schon in den Neunzigern mitgearbeitet, aber erst Anfang der 2000er war ich mit dabei im Team, nachdem Stefan Traub das zuvor alleine entschieden hatte. Ich denke, dass das Stefan Traub nicht so gepasst hatte, weshalb er auch letztendlich als Festivalleiter ausgestiegen ist. Ich fand die Zeit, als wir das als Team gemacht haben, richtig gut. Dass heute mit David wieder nur eine Person entscheidet, hat dem Festival meines Erachtens nicht gut getan. Mir fehlt beispielsweise Blues, weil das zu einem Jazzfestival einfach dazu gehört. Mir geht das Festival im Moment zu sehr in Richtung Pop. Aber wenn die Leute weiter hingehen, ist das okay, wobei zu unserer Zeit noch 10.000 Leute mehr da waren. Aber das ist vermutlich ein allgemeiner Trend bei Festivals.

WO! Sie sind im Ruhestand. Wie sieht der typische Tagesablauf des Rentners Schall aus?

Ich habe keine Zeit!!

WO! Das ist einer der häufigsten Sätze, die man von Rentnern hört….

Ich bin noch im Vorstand der Lebenshilfe und mache das mit Herzblut, weil mir die Leute dort total am Herzen liegen. Ich habe mit drei anderen Leuten zusammen das „Bündnis für Demokratie, Toleranz und Vielfalt“ gegründet, was mir ebenfalls sehr am Herzen liegt, weil mir die politische Entwicklung Angst macht. Mir wird es überhaupt nicht langweilig. Eigentlich habe ich eher zu viel um die Ohren…

WO! Demokratie ist ein gutes Stichwort. Wie sehen Sie die aktuelle politische Entwicklung in Deutschland?

Besorgniserregend. Es geht dabei nicht nur um die AfD, sondern um die ganzen Extremen, die es aktuell gibt. Ich bin ein Mensch, der unsere Demokratie immer kritisiert hat und in Opposition zum Staat stand. Ich war unzufrieden mit unserem System. Jetzt merke ich, wie wertvoll das ist, weil es uns Freiheiten gegeben hat, die es in vielen Ländern so nicht mehr gibt. Weil sich die Leute falsch oder zu wenig informieren, hab ich einfach Angst, dass das in eine Richtung kippt, die nicht gut ist. Und wenn es erstmal gekippt ist, wird es allen erst bewusst werden, dass es ein Fehler war. Ich bin jetzt zweifacher Uropa und kann nicht zusehen, wie die Welt sich für meine Nachkommen verändert. Wahrscheinlich werde ich in dieser Sache bis zu meinem letzten Atemzug aktiv sein.

WO! Was ist Ihr größter Wunsch für Ihren letzten Lebensabschnitt?

Gesundheit wäre sehr wichtig, wenn man relativ beschwerdefrei durchs Alter gehen könnte. Das zeichnet sich aber leider im Moment nicht ab. Und dass es finanziell weiter geht. Dadurch, dass ich durch meine Erwerbsminderungsunfähigkeit zehn Jahre früher in Rente gegangen bin, ist meine Rente nicht allzu hoch. Von daher ist meine Hoffnung, dass Essen und Wohnung bezahlbar bleiben. Aber ich hab irgendwie die Hoffnung, dass ich die zehn Jahre – oder wieviel mir noch bleiben – über die Bühne kriege.

WO! Dafür drücken wir alle Daumen und wünschen alles Gute für die nächsten Jahre!

Das Gespräch wurde geführt von: Frank Fischer,
Fotos: Frank Schumann, W. Schall