Eigenmächtiges Handeln der Anwohner führt zu Einschreiten der Stadtverwaltung

Die Identität einer Stadt steht und fällt mit dem Engagement und den Ideen der Bürger einer Stadt. Im Idealfall ist es der Dialog zwischen Stadtverwaltung und Bürgern, der eine Stadt „wow“ macht. Im Falle der Wormser Altstadt scheint dieser Dialog empfindlich gestört zu sein. Allerdings dürfte es sich lohnen, an einer Entstörung zu arbeiten… für beide Seiten.

Es ist ein Projekt mit Vorbildcharakter, als sich einige Anwohner in der Altstadt vor einigen Jahren zu einem Bürgerverein zusammenschlossen, um zu zeigen, dass die Altstadt weit mehr als ein eigenwilliger Schmelztiegel der Kulturen ist. Ein erster Schritt, der auch bei der Stadt auf breite Unterstützung stieß, war die Gründung des Vereins „Hamburger Tor“ nebst Anmietung des ehemaligen gleichnamigen Lokals. Doch das Engagement einiger Anwohner ging weiter, für die Stadt teils zu weit. Insbesondere in der Frage, ob die Altstadt einer starken Verkehrsbelastung ausgesetzt ist, entbrannte ein Streit, der schließlich im Innenstadtausschuss mit einem Eklat seitens eines Anwohners seinen Höhepunkt fand (siehe WO! 04/24).

Besonders im Fokus der emotionalen Diskussion, die im Laufe der Zeit mehr als einmal den Boden der Sachlichkeit verließ, steht die Bärengasse. Eine schmale Kopfsteinpflasterstraße, die vom Süden kommend zum Berliner Ring führt, und in der auch ein Teil der engagierten Anwohner lebt. Wer die Straße kennt, weiß, dass jedes Auto, das mit einigermaßen normaler Geschwindigkeit durch diese fährt, lärmmäßig einem Traktor gleicht. Doch das besagt allerdings nichts über das Verkehrsaufkommen. Um die emotionale Diskussion mit Fakten zu untermauern, einigte man sich auf eine Verkehrszählung. Obwohl die Anwohner immer wieder darauf verwiesen, dass das Verkehrsproblem verstärkt am Wochenende auftreten würde, wertete die Stadt aber lediglich die Tage Dienstag bis Donnerstag aus. Da zeitgleich auch noch an einer Baustelle in der Paulusstraße gearbeitet wurde, fiel das Ergebnis entsprechend mau aus und die Stadt sah keine weitere Notwendigkeit, an den Verkehrsregeln etwas zu ändern.

Alle Vorschläge wurden letztlich abgelehnt, so zum Beispiel die Idee, mit einem kleinen Blumenbeet am Rande der Gasse den Verkehr zu mäßigen und zugleich den Stadtteil optisch aufzuwerten. Frustriert über die dauerhafte ablehnende Haltung der Stadtverwaltung erinnerten sich die Anwohner schließlich an ein Gespräch mit Bürgermeisterin Stephanie Lohr bei einer Begehung im Frühjahr dieses Jahres. Peter Hübner, der in der Bärengasse lebt, erinnert sich, dass die Bürgermeisterin signalisierte, dass mobile Gegenstände durchaus auf der Straße geparkt werden dürften. So regelt beispielsweise die StVo, dass auch Lastenräder am Straßenrand geparkt werden dürfen. Ein Lastenrad sollte es zwar nicht sein, aber zwei Leiterwagen, die die Bürger in Eigenregie kauften und vom benachbarten Blumenhändler bepflanzen ließen. Die gesetzlich vorgegebenen Abstände wurden abgemessen und die historischen Leiterwagen in einem entsprechenden Abstand aufgestellt.

Drei Wochen machten die bepflanzten Wagen die Straße ein wenig bunter und auch ein wenig ruhiger. Wie Hübner erzählt, zeigte sich bereits am ersten Tag, dass die Wagen auch für die Feuerwehr kein Problem darstellten. Grundsätzlich ist der Einsatz von Leiterwagen als „Verkehrsberuhiger“ in vielen Städten und Dörfern keine Seltenheit. Doch den Anwohnern hätte natürlich klar sein müssen, dass ohne Genehmigung ein dauerhafter Verbleib unwahrscheinlich ist. Und so kam es, wie es kommen musste. Nach drei Wochen endete die Ära der Leiterwagen und die Stadt ließ selbige abholen. Zwischenzeitlich befinden sie sich wieder bei den Anwohnern, dieses Mal allerdings im Hof. Für Hübner ist klar, dass das Vorgehen falsch war, er würde sich aber dennoch wünschen, dass Stadt und Bürger noch einmal einen Versuch wagen, gemeinsam die Altstadt ein wenig ruhiger und hübscher zu machen. Ideen gibt es jedenfalls viele….

Anmerkung der Redaktion: In der Print Ausgabe steht irrtümlicherweise, dass die Bärengasse zur Siegfriedstraße führt. Sie führt allerdings zum Berliner Ring, der sich an die Siegfriedstraße anschließt.

 

Text: Dennis Dirigo, Foto: privat