Im Sommer 2025 feiert das jüngste Nibelungen Stück „See aus Asche – Das Lied der Nibelungen“ seine Uraufführung vor dem Wormser Dom. Verfasst wurde es von dem Dramatiker Roland Schimmelpfennig, der zu den aktuell gefragtesten Dramatikern gehört. Neben seinem Steckenpferd Theater, verfasste Schimmelpfennig bisher auch drei Romane. Sein letzter erschien 2021 und könnte inhaltlich nicht weiter entfernt sein von den Nibelungen. Dennoch gewährt der Roman einen Einblick in die Art, wie Roland Schimmelpfennig Geschichten erzählt – und die ist vor allem rasant. In „Die Linie zwischen Tag und Nacht“ erzählt er vordergründig einen Berlin Krimi rund um den gefallenen Drogenfahnder Tommy, der versucht, die Identität einer unbekannten Toten herauszufinden. Diese hatte er zufällig in einem Kanal während einer Straßen-Rave am 1. Mai entdeckt. Tommy fühlt sich an ein altes Trauma erinnert. Einst gefeierter Drogenfahnder der Berliner Polizei, überfuhr er auf dem Weg zu einem Einsatz einen Jungen. Zwar wurde er deswegen nicht belangt, der Polizist zerbrach aber innerlich und verstrickte sich in der Berliner Unterwelt. Seitdem taumelt er, keiner Droge abgeneigt, durch Berlin. Erst mit dem Fund der Leiche glaubt er, in der Suche nach ihrer Identität Erlösung finden zu können. Erzählerisch zeigt sich schnell, dass Schimmelpfennig weniger an einer stringenten Kriminalgeschichte interessiert ist. Zu oft erscheint sein Erzählstil konstruiert, während der Zufall Tommy immer wieder auf die richtige Spur lenkt. Vielmehr geht es dem Autor um die titelgebenden Linien. Die Grenzen zwischen normalem und abseitigem Leben, die Linien weißen Pulvers auf dem Spiegel oder die Linien zwischen Glück und Katastrophe. Schimmelpfennig erzählt dies in knappen Sätzen mit präzisen und wenig ausschweifenden Beschreibungen. Dadurch erzielt er ein hohes Tempo und zieht den Leser fast schon rauschhaft in die teils surreal anmutenden Episoden. Man darf gespannt sein, was dieser Erzählstil für die Nibelungen bedeutet.
Rezension von: Dennis Dirigo
Autor: Roland Schimmelpfennig
Verlag S. Fischer
208 Seiten | 22,- Euro
ISBN: 978-3-10-397410-2