Neuausrichtung als städtebauliche Chance

Sparkasse Hauptgebäude gegenüber Lutherplatz

Lange Zeit galt die Entwicklung des Salamandergeländes als Leuchtturmprojekt. Das war, bevor die Kosten begannen, aus dem Ruder zu laufen. Nun muss das ehrgeizige Projekt abspecken und das ist wiederum eine Chance für die Innenstadtentwicklung.

Nachdem sich in den vergangenen Wochen zeigte, dass sich das Bauprojekt des Wormser Entsorgungsunternehmen ebwo AöR finanziell zu einem Alptraum ent- wickelte, möchten Stadt und ebwo nun die Reißleine ziehen. Wie in unserer letzten Ausgabe berichtet, zeigten neue Kostenkalkulationen, dass das Projekt statt der zuletzt anvisierten 200 Millionen Euro rund 252 Millionen Euro kosten würde und das noch bevor der erste Spatenstich gesetzt ist. Klar war damit, dass die zu erwartenden zukünftigen Mietkosten für die Stadt deutlich in die Höhe schnellen. Denn entstehen sollten dort nicht nur die Hauptfeuerwache und eine neue Heimat für die Entsorgungsbetriebe, sondern auch eine städtische Kita, die Integrationsbetriebe sowie das sogenannte Rathaus III. Alleine das geplante Verwaltungsgebäude hätte voraussichtlich jährlich knapp 4 Millionen Euro Miete gekostet. Fraglich ist hierbei, ob die Stadt zur Unterzeichnung eines solchen Mietvertrags -– aufgrund der Haushaltslage – überhaupt die Zustimmung der Aufsichtsbehörde (ADD) bekommen würde. Das hat nun auch die Stadt erkannt. Bei einem Pressegespräch informierten nun alle Beteiligten über die überraschenden Entwicklungen. Mit Blick auf die Kostenentwicklung erklär- te gleich zu Beginn des Gesprächs Bürgermeisterin Stephanie Lohr, die zugleich Aufsichtsratsvorsitzende der ebwo ist: „Diese Zahl passt einfach nicht zum Haushalt“. Grundsätzlich äußerten sich Lohr und Oberbürgermeister Adolf Kessel immer noch positiv über das Projekt oder wie Lohr es umschrieb: „Das perfekte Projekt“. Eben mit dem kleinen Schönheitsfehler versehen, dass es für die Stadt letztlich unbezahlbar ist. Das erkannte auch die SPD Worms und schrieb in einer Pressemitteilung: „Nach der ernüchternden Kostenexplosion auf 250 Millionen Euro war das Ziehen der Notbremse richtig, und der nun vorgeschlagene Kurs ist ein realistischer und zukunftsfähiger Weg, der neue Chancen eröffnet.“ Aber was ist nun der vorgeschlagene Kurs?

Aus 1 mach 3

Eine alternative Idee kam in Person des Wormser Unternehmers Tim Brauer (Timbra Group) und Frank Belzer (Rheinhessen Sparkasse). Statt an den bisherigen Plänen zum Bau des „Rathaus III“ auf dem Salamandergelände festzuhalten, ohne zu wissen, wie sich die Kosten weiterentwickeln, zieht die geplante Verwaltung in das bisherige Hauptgebäude der Sparkasse an prominenter Stelle gegenüber des Lutherplatzes. Wie bei dem Pressegespräch im Rathaus Steffen Burdack (Leiter Vorstandsstab Rheinhessen Sparkasse) erläuterte, wird sich aufgrund interner Veränderungen der Personalbedarf verringern. Dadurch verringere sich auch der Bedarf an Arbeitsplätzen. Da wiederum nicht alle geplanten Mitarbeiter des Rathauses in dem Gebäude am Lutherplatz einen Platz finden können, bietet Timbra an, auf der bisherigen Brachfläche des Gerberquartiers ein weiteres Verwaltungsgebäude zu errichten. Bleibt noch die Frage, was mit der Rheinhessen Sparkasse passiert, denn die möchte keinesfalls die Stadt verlassen. Auch hier präsentierte das Duo Timbra und Rheinhessen Sparkasse, das bereits mehrfach in Worms aktiv wurde, so bei dem Neubau der Lucie-Kölsch-Musikschule im Valckenbergareal, eine Lösung und die betrifft das seit vielen Jahren leerstehende Gebäude des ehemaligen Gesundheitsamtes in der Andreasstraße. Während die Stadtverwaltung in das Sparkassengebäude zieht, zieht die Sparkasse wiederum in das ehemalige Gesundheitsamt. Das würde in den Plänen von Timbra abgerissen werden. Errichtet werden soll ein deutlich ansprechenderes Gebäude, in dem nicht nur die neue Sparkasse untergebracht wird. Zudem soll hier auch Gastronomie, Einzelhandel sowie ein noch zu bestimmender Anteil an Wohnungen entstehen. Zugleich soll dieses Projekt auch als einladendes Entree zum historischen Domquartier fungieren.

Neue Chance für das Gerberquartier

Bezüglich der Pläne zur Stadtverwaltung erläutert Brauer im Gespräch mit unserem Magazin, warum zwei Gebäude für das „Rathaus III“ notwendig sind. Geplant sind Arbeitsplätze für rund 570 Mitarbeiter. Zwar wird das Gebäude der Sparkas- se saniert, was vor allem den weitläufigen Bereich im Erdge- schoss betrifft, dennoch dürfte der Platz inklusiver flexibler Arbeitsplätze für maximal 500 Menschen reichen, so Brauer. Hier tritt die Idee eines weiteren Bürogebäudes auf den Plan. Und das würde Brauer gerne im Gerberquartier errichten. Be- kanntlich hat vor rund fünf Jahren das bayrische Unternehmen ehret + klein das Gelände sowie die bereits fertigen Plä- ne erworben. Entstehen soll dort ein Wohnquartier mit Schwerpunkt Seniorenwohnen sowie ein Hotel. Außer dass sich die Natur im Laufe der Jahre das Gelände wieder begann zurückzuholen, geschah allerdings nichts mehr auf der Brachfläche. Das soll sich nun ändern. Dem Wormser Tim Brauer ist dabei wichtig zu betonen, dass es ihm darum geht, diesen baulichen Makel als Vergangenheit zu strafen. Um dem Ziel näher zu kommen, befindet sich der Unternehmer bereits in Gesprächen mit ehret + klein, betont aber mit Blick auf die Verhandlungen, dass das Projekt für sein Unternehmen nicht zwingend sei. Zugleich unterstreicht er, dass Timbra lediglich einen Teil des Projektes übernehmen werde. Im Idealfall soll die Senioren Wohnen Holding, die die Mehrheit an dem Gelände besitzt, weiter das Projekt des seniorenfreundlichen und -betreuten Wohnens umsetzen. Der Architekt Jörg Deibert, der einst die Pläne für das Gerberquartier entwarf, würde weitere Wohnprojekte mit Partnern reali- sieren, während Timbra gemeinsam mit der Rheinhessen Sparkasse das Bürogebäude sowie das geplante Hotel umsetzen würde.

Bewegung im Domquartier

Für Stadtentwicklungsdezernent Timo Horst ist dies eine attraktive Idee, zumal er sich im Pressegespräch von der bisherigen Performance von ehret + klein in Worms enttäuscht zeigt. Tim Brauer habe wiederum gezeigt, dass er es kann und ein verlässlicher Partner sei. Stephanie Lohr ergänzte, dass erste Berechnungen zeigen, dass sich die Kosten signifikant reduzieren würden. Auf Nachfrage unseres Magazins erläutert Brauer, dass ein entscheidender Knackpunkt in Sachen Kosten auf dem Salamandergelände die geplanten Parkflächen, in Verbindung mit einer Tiefgarage, gewesen wären. Er habe sich nach Kenntnis der Zahlen gefragt, ob es möglich sei, die Bedürfnisse der Stadt kostengünstiger umzusetzen und seine Antwort war am Ende: ja. Städtebaulich wäre das Projekt zudem ein klarer Gewinn, da damit auch endlich Bewegung in die Pläne rund um das Domquartier kommen und zugleich ein Leerstand im Hauptgebäude der Sparkasse vermieden würde.

Es war noch in der Zeit des Baudezernenten Uwe Franz, als der Stadtrat beschloss, sowohl das Gesundheitsamt, als auch die zwei leerstehenden Trakte des ehemaligen Hochstifts in einer Konzeptvergabe zu veräußern. Doch aus der Vergabe wurde erstmal nichts. Dafür bekam die Stadt Fördergelder (16,5 Millionen Euro verteilt auf mehrere Jahre) vom Bund zugesagt. Es gab erste Planungen, die jedoch verworfen wurden. Das Unternehmen tobe. stadt entwickelte neue Pläne und eigentlich sollte die Konzeptvergabe in diesem Jahr erfolgen. Sollte der Stadtrat Ende Mai zustimmen, hat sich allerdings die Konzeptvergabe zumindest für das Gesundheitsamt erledigt. Brauer, der in den vergangenen Jahren das komplette Valckenbergareal erwarb und dem auch das Eichbaum Stammhaus gehört, macht kei- nen Hehl daraus, dass er neben dem ehemaligen Gesundheitsamt auch an dem Gebäude der evangelischen Kirche in der Dechaneigasse interessiert ist. Erste Visualisierungen, wie sich das Areal zwischen Andreasstraße und Dechaneigassse entwickeln könnte, zeigen auf jeden Fall ein ansprechen- des Design. Zugleich könnte das Projekt das dringend benötigte Leucht- turmsignal sein, dass Worms doch noch „wow“ wird.

Wie geht es weiter mit dem Salamandergelände?

Die Stadt betont: „Es geht nicht darum, eine Lösung gegen die andere auszuspielen. Beide Optionen – sowohl die Variante auf dem Salamandergelände als auch der angebotene Standort im Lutherring – haben ihre Qualitäten und Vorzüge. Entscheidend ist, welche Lösung langfristig die besseren Perspektiven für die Stadt Worms bietet – wirtschaftlich, organisatorisch und städtebaulich.“ Klar ist jetzt erstmal, dass der geplante Spatenstich in diesem Jahr sich erneut verzögern dürfte. Wie ein sichtbar enttäuschter Hans Gugumus, Geschäftsführer ebwo AöR, im Pressegespräch betonte, müsse natürlich alles neu durchdacht werden, da das bisherige Konzept von den angestrebten Synergieeffekten lebte. Die seien nun aber nicht mehr gegeben. Letztlich habe man sich immer wieder darum bemüht, allen Wünschen gerecht zu werden, was dann zur Kostenexplosion führte. Ein Schnäppchen dürfte das Projekt allerdings weiterhin nicht sein. Mit welchen Kosten nun kalkuliert wird und wie es weitergeht, war zum Zeitpunkt des Gesprächs nicht klar. Sollte der Stadtrat den neuen Plänen zustimmen, könnte zumindest umgehend mit dem Bau des Bürogebäudes im Gerberquartier begonnen werden, da die erforderliche Baugenehmigung schon seit einiger Zeit vorliegt. Insgesamt hoffen alle Beteiligten, dass eine Realisierung der drei Vorhaben (Sparkasse, Gesundheitsamt, Ger- berquartier) bis 2029 möglich ist.

Text: Dennis Dirigo Foto: Andreas Stumpf