,

DER ERSTE WORMSER DREIER

CDU, SPD und „Worms will weiter“ unterschreiben Koalitionsvertrag

vlnr: Marco Schreiber, Dominique Denschlag, Tobias Dämgen, Stephanie Lohr, Timo Horst, Maria Unterschütz, Matthias Englert, Klaus Karlin, Dirk Beyer

Gleich zu Beginn der Unterzeichnung eines gemeinsamen Vertrags im Wormser Rathaus wurde das Wort „historisch“ erwähnt. Historisch war dabei nicht nur die Tatsache, dass die ewige „Groko“ keine Zukunft mehr hatte, sondern auch die historische Dauer von zwölf Monaten, ehe nun überhaupt ein Vertrag zustande gebracht wurde (siehe WO! 06/25).

Nach einem Flirt mit den Grünen und der Erkenntnis, dass kein Weg an der Besetzung eines ehrenamtli- chen Dezernenten vorbeiführt, folgten erneute Gespräche mit der Stadtratsfrakti- on von „Worms will weiter“. Das Ergebnis ist nun festgehalten in Form eines 24-seitigen Ma- nuskripts, das mit dem starken Wort „Verantwortung“ übertitelt ist. „Die Koalitionspartner verbindet der Anspruch, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in eine handlungsfähige Kommunalpolitik zu stärken (…)“, erklären die drei Fraktionen in dem Papier. Mit Blick auf die klammen Kassen erkennen sie, dass aber nur mit einem stabilen Haushalt Investitionen in Bildung, Infrastruktur, Klima, Soziales und Stadtentwicklung gelingen können. Und das dürfte die größte Herausforderung in den gerade mal noch vier verbleibenden Jahren sein.

ALT BEKANNTE THEMEN

An Ambitionen mangelt es dem Triell nicht, wenn auch anzumerken ist, dass in dem 22-seitigen Vertrag viele altbekannte Themen wiederzufinden sind. So geistert die angesprochene Videoüberwachung bereits seit 20 Jahren durch die Flure des Rathauses, was auch für die Rheinuferpromenadengestaltung gilt. Zu den ganz großen Klassikern gehört sicherlich das Jugendzentrum, das einmal mehr auf der Liste der Politik ganz oben steht. Nun ist es ja nicht verkehrt, Altbekanntes erneut in den Fokus zu nehmen, doch für den Bürger klingen solche Ziele vermutlich mehr nach „Copy and Paste“ als nach ehrgeiziger Ambition. Insgesamt widmen sich die Fraktionen in ihrem Vertrag elf Themenfeldern – von Bildung und Jugend, über Innenstadt und Stadtteile, bis hin zu Personalfragen. Natürlich spielt auch der Verkehr eine Rolle. Um eine nachhaltige Mobilitätswende in Worms voranzubringen, werden alternative Mobilitätsformen ausgebaut und attraktiver gestaltet. Den ÖPNV möchte man ebenso ausbauen, wie den etwas stockenden Ausbau des Radverkehrsnetzes weiterhin vorantreiben. Außerdem möchte man die Auslastung bestehender Parkhäuser erhöhen und neue Parkflächen vorrangig auf privaten statt auf öffentlichen Flächen schaffen. Die fast vergessene Tiefgarage in der Friedrichstraße soll erneut ins Visier genommen werden.

WUNSCH VS. REALITÄT

Das Problem bei Ideenpapieren ist, dass sie im Raum des gemeinsamen Denkens attraktiv klingen. Doch beim nochmaligen Blick darauf, zeigt sich manchmal, dass die Realität nun kein geduldiges Papier ist. So sollen die Diesterweg-, die Neusatz- und die Westend-Grundschule perspektivisch zu Ganztagsschulen ausgebaut werden. Dabei soll das Modell einer betreuenden Grundschule bedarfsgerecht erhalten bleiben, heißt es in der Zielformulierung. Doch diese Idee, so sinnvoll sie in diesen Zeiten ist, führt jetzt schon zu Diskussionen unter den betroffenen Schulen. Denn Ganztagsbetreuung bedeutet entweder mehr Personal oder ausgedünnte Stundenpläne und vor allem bedeutet dies mehr Ausgaben. Natürlich hat Timo Horst (Stadtentwicklungsdezernent) recht, wenn er bei der Vorstellung des Papiers betont, dass die Bildung unsere wichtigste Ressource ist. Selbiges gilt auch für den Aus- bau von Schulsozialarbeit, die für die Wormser Schulen forciert wird. Im Durchschnitt sollen die Präsenzzeiten um 50 % gesteigert werden. Insofern dürften diese Ziele Stadt, Lehrern und Koalitionären sicherlich noch viel Kraft abverlangen.

MEHR BEZAHLBARER WOHNRAUM

Mit Blick auf den angespannten Wormser Wohnungsmarkt, insbesondere bei bezahlbarem Wohnraum, versprechen die Fraktionen, dass bei der Entwicklung neuer Wohngebiete grund- sätzlich eine Quote von 25 % sozialgefördertem Wohnraum gilt. Versehen mit der kleinen Hintertür, dass Abweichungen im begründeten Einzelfall im Einvernehmen der Koalitionspartner zulässig sind. In den kommenden Jahren sollen auch weitere Bauprojekte forciert werden (Wohngebiet „Gleisdreieck“ in Rheindürkheim und Neubaugebiet „In den Lüssen“ – Nordend- siedlung), die bereits im Stadtrat vor Jahren auf den Weg gebracht wurden. In Wiesoppenheim und Abenheim ist die Erschließung neuer Baugebiete vorgesehen. Zwischen der B47 alt und der Autobahnbrücke wird ein Gewerbegebiet in Pfeddersheim entstehen. Zudem soll ein weite- res Gewerbegebiet mit einer Mindestgröße von 25 Hektar erschlossen werden.

KEINE STEUERERHÖHUNG

Als Signal für die Wirtschaft kündigt das Trio an, dass es zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Worms in dieser Wahlperiode keine Erhöhung der Gewerbesteuer geben wird. Zwei Ziele zum Preis von einem werden unter dem Punkt „Integ- ration von ausländischen Fachkräften in den Arbeitsmarkt“ verfolgt. So erklären sie: „Arbeit ist der zentrale Schlüssel zur Integration, weil sie nicht nur wirtschaftliche Unabhängigkeit schafft, sondern auch soziale Teilhabe, Identifi- kation und gegenseitiges Verständnis in unserer Gesellschaft fördern. Wir werden das Jobcenter in seiner Rolle als aktiven Vermittler und Partner zwischen Arbeitssuchenden und Arbeitgebern stärken. Besonderes Augenmerk legen wir auf die Integration von Geflüchteten und Menschen mit Vermittlungshemmnissen. Hier soll die Zusammenarbeit zwischen dem Jobcenter und den städtischen Betrieben wieder intensiviert werden.“ In Anbetracht der hohen Arbeitslosenquote (8,7 Prozent) in der Nibelungenstadt, kombiniert mit dem hohen Anteil migrantischer Bürger, ist das ebenfalls in der Theorie ein guter Plan. Bereits vor Jahren machte der Jobcenter darauf aufmerksam, dass eines der größten Vermittlungshindernisse Sprachbarrieren seien. Mit Blick auf die jüngsten Aussagen der Sozialraumanalyse, die vor allem beim Nachwuchs in Worms erhebliche Defizite bei der Sprachkompetenz erkennt, dürfte dieses Ziel die ausführenden Mitarbeiter beim Jobcenter vor interessante Probleme stellen.

„ABIBÄLLE SOLLEN WIEDER IN WORMS STATTFINDEN“

Wie auch bei den vergangenen Koalitionszeiten zwischen CDU und SPD findet sich unter den Zielen die Fortschreibung, die Erreichbar- keit des kommunalen Ordnungsdienstes auf 24 Stunden auszuweiten. Ebenso sollen durch angepasste Beleuchtungskonzepte in Straßen und auf Plätzen Angsträume vermieden werden. Im Blick haben die Partner natürlich auch die Stadtteile und versprechen keine Einsparungen auf Kosten der Vororte. Kulturell bekennt sich das Trio zu den Festspielen und strebt eine Beteiligung des Landes an. Mit Blick auf das Wormser Tagungszentrum versprechen die Fraktionen: „Das Wormser“ soll preislich stärker für Wormserinnen und Wormser geöffnet werden – etwa durch angepasste Ermäßigungsmo- delle oder gezielte Angebote. Verbunden mit der klaren Forderung: „Abibälle sollen wieder in Worms stattfinden“. Doch bevor eines dieser Ziele weiterverfolgt wird, geht es erst mal um Personalentscheidungen. Zunächst wurde in diesem Zusammenhang Peter Englert („Worms will weiter“) am 28. Juni zum ehrenamtlichen Dezernenten ernannt. Im Zuge der regulären Neuwahl der hauptamtlichen Beigeordneten (2029) wird der Stadtvorstand um eine weitere hauptamtliche Beigeordneten-Stelle erweitert. Für diese Position erhält „Worms will weiter“ das Vorschlagsrecht. Das Vorschlagsrecht für den ehrenamtlichen Beigeordneten geht im Zuge dessen auf die CDU über.

Hier können Sie den kompletten Koalitionsvertrag nachlesen: https://www.cdu-worms.de/koalitionsvertrag/

Text und Foto: Dennis Dirigo