Konsum und Kultur – Teil 3

Hildensaga Ein Königinnendrama. Foto: Dennis Dirigo

Nachdem wir in unserer MÄRZ-Ausgabe im Zuge unseres WO! TESTS, wie tourismustauglich Worms ist, die „Wormser Sehenswürdigkeiten“ und im APRIL die Hotel- und Gaststättensituation“ unter die Lupe genommen haben, beleuchten wir in dieser Ausgabe die Bereiche „KONSUM und KULTUR“. Zum Thema „Konsum“ stellt sich die Frage: Welche Einkaufsmöglichkeiten bieten sich Touristen, die ein paar Tage in Worms verbringen? Zum Thema „Kultur“ lautet die Frage: Welche kulturellen Angebote in der Stadt können Touristen nutzen, wenn sie ein paar Tage in Worms verbringen?

Als kürzlich „Worms blüht auf“ bei sommerlichen Temperaturen Tausende in die Innenstadt lockte, konnte man sich als Besucher bei dem Gedanken ertappen, dass es doch eigentlich immer so sein sollte. Volle Straßen, überfüllte Cafés und gut gelaunte Kunden. Das Team von „Worms wird wow“ hat an diesem Tag einen Frequenzzähler installiert, um die Passantenströme zwischen den touristischen Highlights rund um den Wormser Dom und der Innenstadt festzuhalten. 13.334 erfasste Besucher zeigen, dass die Leute kommen, wenn ihnen etwas geboten wird. Ähnliches gilt für den „Mantelsonntag“ im Herbst. Wenn man jedoch an einem normalen Werktag durch die City läuft, bietet sich ein gänzlich anderes Bild, wenn die Fußgängerzone mitunter wie ausgestorben wirkt. Dann fällt einem auch eher auf, dass die Stadt von Dönerläden, Shisha Bars, Wettbüros, Barber-Shops und Handyläden dominiert wird. Mit diesem Mix an Geschäften wird der Tatsache Rechnung getragen, dass der Migrationsanteil der Bewohner in der Innenstadt bei knapp 50% liegt. Ein Gast aus Berlin schrieb bei TRIPADVISOR über seinen Besuch in Worms: „Die Wormser Innenstadt ist ein Sammelsurium von hässlichen Bausünden, Billigläden, Barber Shops und sehr „buntes Publikum“ überall. Nach der lohnenden Domführung haben wir die Stadt fluchtartig verlassen. Weder haben wir ein nettes Café noch ein einladendes Restaurant gefunden. Außer den historischen Knüllern wie Dom und Friedhof hat die Stadt nichts zu bieten.“ Stattdessen findet man in bester Lage Filialen von Billigketten wie KIK, TEDI oder Woolworth. Dass man in Worms keine Läden von Luxusmarken findet, hängt mit der Einkaufskraft ihrer Einwohner zusammen. Eine Stadt bekommt das an Angeboten, was der Geldbeutel ihrer Einwohner hergibt. Dementsprechend findet man die hier ansässigen Ketten wie DM, Rossmann, Deichmann, H&M, C&A oder New Yorker in jeder halbwegs größeren Stadt. Große, namhafte Ketten machen dagegen weitestgehend einen Bogen um Worms, weil die Kundenfrequenz schlichtweg zu niedrig ist. Von daher verwundert es nicht, dass man bei einem Gang durch die Innenstadt immer wieder Leerstände antrifft. Auch wenn das Team von „Worms wird wow“ mit Bundesmitteln dem Leerstand entgegenwirken soll, gleicht das Unterfangen einer mühsamen Sisyphos Arbeit. Wenn man einen Leerstand füllt, tut sich woanders ein neuer auf. Wie ein Mahnmal steht derweil mitten in der Innenstadt die leerstehende Kaufhof-Immobilie. Nach den Plänen des Inhabers der Immobilie, „Ehret und Klein“ aus Starnberg, soll dort das „K32“ entstehen, das mit einem Mix aus Gewerbe, Wohnen und Gastronomie gefüllt werden soll. Nur wann es soweit sein wird, steht noch in den Sternen. Zwar hat man mit REWE seit längerem einen Ankermieter, der sich im K32 einmietet. Aber die Vermarktung der anderen Ladenflächen läuft bisher eher schleppend, wie „Ehret und Klein“ kürzlich bei einem Pressegespräch einräumen mussten. Tatsächlich lohnt sich ein Stadtbummel vor allem für die kleinen Fachgeschäfte mit Qualitätsprodukten und persönlicher Beratung, die es auch in Worms noch gibt. Sie heißen „Lützenkirchen“, „Atrium“, „Reformhaus Franz“, „Buchhandlung Thalia“, „Kunsthandlung Steuer“, „Heaven Records“, „Elektro Ruff“, „Fotogena“ oder „Lichtbox“. Für etwas anspruchsvollere Kleidung ist „Jost“ eine gute Adresse, für Damenmode die „Boutique Vivi“ oder „Pur Pur Select“. Auch wenn man Optiker oder Juweliere sucht, wird man in der Wormser Innenstadt auf jeden Fall fündig. Und dann gibt es ja noch die Kaiserpassage, die viele Wormser als Sargnagel für die Wormser Innenstadt bezeichnen. Was bei der Eröffnung vor 20 Jahren noch eine große Nummer war, ist mittlerweile Standard in nahezu jeder Stadt von der Größe wie Worms, die über ein eigenes Einkaufszentrum verfügt. Eine Besucherin aus Andernach schreibt bei TRIPADVISOR über die Kaiserpassage: „Kleine Shopping Mall, mit jeder Menge 08 / 15 Läden und ein bisschen Gastronomie. Schön sauber und gepflegt wertet sie die Stadt ein wenig auf, die außer Ihrem Dom nicht viel zu bieten hat.“ Ob es ohne die Kaiserpassage manche Geschäfte in der Innenstadt noch geben würde, ist reine Spekulation. Aktuell ist die Kaiserpassage in Sachen Konsum eine der wenigen vorzeigbaren Adressen in Worms und landet bei TRIPADVISOR immerhin auf Platz 15 der beliebtesten Orte, die von Worms-Besuchern aufgesucht werden.

Fazit Konsum:  Die Kaiserpassage und ein paar über die Innenstadt verteilte Fach- geschäfte – viel mehr hat die Wormser City nicht zu bieten. Wenn man das Einkaufsangebot von Worms beurteilen will, muss man zwangsläufig an die Geschäfte denken, die es einmal hier gegeben hat. Gemessen daran, hat sich die Stadt in den letzten 20 Jahren nicht weiterentwickelt und verfügt aktuell nur über ein mäßiges Konsumangebot

Einzelhandelsveranstaltung Worms blüht auf . Foto: Dennis Dirigo

Zum Thema „Kultur in Worms“ prägte der vorherige Oberbürgermeister Kissel vor langer Zeit einen Satz, der lange nachhallte, als er verkündete, dass Worms auf dem Weg zu „Europas Kulturhauptstadt“ sei. Man mag dem Alt-OB nachsehen, dass er zu Zeiten der Nibelungen-Festspiele, wenn tatsächlich mal ein paar Prominente nach Worms gekommen sind, stets besonders euphorisch war. In unserem WO! TEST geht es aber nicht darum zu beurteilen, wie weit Worms von „Europas Kulturhauptstadt“ entfernt ist. Denn natürlich wissen auch wir, dass in Städten wie London, Paris oder Prag an einem Abend mehr Kultur geboten wird als in Worms im kompletten Jahr. Vielmehr geht es darum, Worms mit Städten vergleichbarer Größe in Relation zu setzen. Verglichen mit anderen Mittelstädten Deutschlands hat Worms verhältnismäßig viel Kultur zu bieten, vor allem im Sommer, wo bekanntlich die meisten Touristen unterwegs sind. Sobald die ersten Sonnenstrahlen zu sehen sind, geht es los mit den Festivitäten in Worms. Jüngst zu Ende gegangen ist die zweite Auflage der „Wormser Weinmeile“, die trotz Wetterkapriolen erneut gut angenommen wurde. Entlang des Stadtmauergrabens locken Mitte April an einem verlängerten Wochenende Wein, Musik und Snacks zum Verweilen ein. Im Mai findet die traditionsreichste städtische Veranstaltung statt, der „Wormser Pfingstmarkt“ (18. – 26.05.24). Der Pfingstmarkt geht auf einen Erlass von Kaiser Friedrich II zurück, der bereits im Jahr 1243 der Stadt die Marktrechte verliehen hatte. Fortan durfte die Stadt alljährlich nach Ostern für zwei Wochen einen Jahrmarkt abhalten, zu dem auch Händler zugelassen waren, die nicht aus der Stadt stammten. Ehrlicherweise muss man aber auch einräumen, dass der Pfingstmarkt zu den Festivitäten gehört, die am meisten mit Besucherschwund zu kämpfen haben. Nach diversen Wechseln der Veranstalter, tritt die Stadt in diesem Jahr wieder selbst als Veranstalter auf. Ebenfalls im Mai findet das „Spectaculum“ (10. – 12.05.24) statt. Seit 2002 lädt das „Wormser Netzwerk Lebendiges Mittelalter“ alljährlich ins Wormser Wäldchen zu dem Mittelaltermarkt, der sich in den letzten beiden Jahrzehnten vom Geheimtipp zum Publikumsrenner gemausert hat. Das Marktspektakel zog zuletzt knapp 25.000 Besucher an und gilt über die Grenzen hinaus als einer der besten Mittelaltermärkte des Landes. Der Juni steht im Zeichen der „Wormser Kulturnacht“ (15.06.24). An einem Abend präsentieren an über 30 Orten in der Innenstadt einheimische Künstler Beiträge aus den Bereichen Musik, Film, Kunst, Literatur und mehr. Knapp 2.000 Besucher kann die Kulturnacht pro Jahr verzeichnen und liefert ein eindrucksvolles Spiegelbild der Wormser Kulturszene. Im Mai findet wiederum das noch junge Format „Musik am Gammi“ statt, bei dem an vier Wochenenden Musiker auf dem Parmaplatz, im Herzen der Stadt, auftreten.

Die Leuchttürme

Als Leuchtturm-Veranstaltung in Rheinland-Pfalz gelten die Nibelungen-Festspiele (12. – 28.07.24), die jährlich im Juli von knapp 20.000 Zuschauern besucht werden. Die Festspiele wurden 2002 erstmals aufgeführt und waren auch als Werbeträger für die Stadt gedacht, um auswärtige Gäste in der Festspielzeit nach Worms zu locken. Genau hier liegt aber aus touristischer Sicht ein Kernproblem: Da die Festspiele nur zwei Wochen andauern, ist Worms in dieser Zeit gut besucht, die Hotels ausgebucht, aber nach dem Ende der Festspiele ist der touristische Effekt schon wieder vorbei. Auch hier lohnt sich ein Blick nach Bad Hersfeld, wo die dortigen Festspiele über zwei Monate gehen (21.06. – 18.08.24) – und das mit einem Budget von knapp 8 Mio. Euro, in Worms beläuft sich der Etat auf ca. 4 Millionen Euro. Dafür kann man in Bad Hersfeld über acht Wochen hinweg fünf verschiedene Stücke sehen. Der touristische Effekt ist immens. Während Worms im Jahr knapp 160.000 Übernachtungen verzeichnen kann, sind es im wesentlich kleineren Bad Hersfeld (30.000 Einwohner) beachtliche 360.000 Übernachtungen. Im Übrigen brachte eine Studie der Hochschule Worms vor einigen Jahren zutage, dass die auswärtigen Besucher der Nibelungen-Festspiele in erster Linie aus dem Umkreis von 50 Kilometern kommen. Nebenbei bemerkt erzielt man diesen Effekt auch mit dem „Backfischfest“ (24.08. – 01.09.24), dem größten Volksfest am Rhein. Auch hier sind es viele Besucher aus dem hessischen Ried, Ludwigshafen oder Frankenthal, die deswegen extra nach Worms kommen. Der Unterschied zum Festspielpublikum besteht lediglich darin, dass Festspiele eine andere Klientel anziehen als ein „Rummelplatz“. Ebenfalls über die Grenzen hinaus bekannt ist das Musikfestival „Jazz & Joy“ (16. – 18.08.24), das auf vier Bühnen rund um den Wormser Kaiserdom stattfindet. Unter den knapp 20.000 Besuchern pro Jahr sind auch jede Menge Musikinteressierte aus dem Rhein-Main-Gebiet, die sich immer wieder überrascht zeigen, welche schönen Ecken die Stadt Worms zu bieten hat. Zugebenermaßen steigt das Festival aber auch auf den schönsten Plätzen in der Innenstadt. Für jüdische Besucher dürften die „SchUM-Kulturtage“ (26.10. – 24.11.24) von Interesse sein, wenn Vorträge, Lesungen, Konzerte, Führungen und vieles mehr zum Kennenlernen der jüdischen Kultur in die SchUM-Stätte Worms – seit 2021 UNESCO-Welterbe – einladen. Events im Herbst und Winter wie die „Wormser Weinmesse“ (Anfang November) oder die „Wormser Weihnacht“ (20.11. – 23.12.24) runden die städtischen Angebote an Kulturevents ab.

Foto: Dennis Dirigo

Private Veranstaltungen

Wenn man die Veranstaltungen des Sommers auflistet, bei denen die Stadt ihre Finger im Spiel hat, dann dürfen natürlich auch die zahlreichen „Weinfeste, Hoffeste und Kerben in den Stadtteilen und in der näheren Umgebung nicht fehlen, ebenso wenig wie das überaus beliebte „Tiergartenfest“ (13. & 14.07.24). Obwohl es für private Veranstalter immer schwieriger wird, ein Event finanziell zu stemmen, so sind in den letzten Jahren auch immer wieder Events dazu gekommen, die von privaten Veranstaltern durchgeführt werden und ebenso zu den Höhepunkten des Wormser Kulturjahres gezählt werden können. Im Juli gehört auf jeden Fall das „WOpen Air“ (19.07. – 04.08.) dazu. Die kreativen Köpfe von der Kinowelt Worms und dem Medienpark Vision haben 2020 ein Open-Air-Spektakel mit bunten Sonnenschirmen über den Köpfen der Besucher ins Leben gerufen, das seitdem mit Freiluftkino, Comedy, Musik und Kleinkunst die Besucher begeistert. Wie jede etwas größere Stadt hat auch Worms ein bayrisches „Oktoberfest“ zu bieten, das von „Project 4 Event“ in einem großen Bierzelt auf dem Festplatz ausgetragen wird und – dem Anlass entsprechend – zünftige Livemusik zu bieten hat. Um die Vorweihnachtszeit lockt die „Winter Revue Wormsin den festlich geschmückten Mozartsaal, um die einzigartige Kombination aus Kulinarik und Artistik zu genießen. Auch die Freunde der „Kunst“ kommen in Worms gleich an mehreren Stellen auf ihre Kosten. Regelmäßige Ausstellungen veranstaltet der Kunstverein Worms e.V, ebenso wie das Wormser Kultur- und Tagungszentrum. Sonderausstellungen steigen im Städtischen Museum Andreasstift oder im Museum Heylshof. Gelegentliche Ausstellungen finden im Kunsthaus Worms, in der Fabrik oder bei der Kunsthandlung Steuer statt.

Szene9. Aufführung „Genesis“ im Schlosspark Herrnsheim

Subkultur hat gelitten

In den 80er und 90er Jahren war Worms tatsächlich für seine ausgeprägte Kneipenkultur bekannt. Aber die hat in den letzten Jahren gelitten und wurde vermehrt durch Shisha-Bars abgelöst. Auch wenn man heutzutage in WormsLivekonzerte“ erleben will, wird man außerhalb der städtischen Einrichtungen, wie dem „Kultur- und Tagungszentrum“ oder dem „Lincoln Theater“, nur noch selten fündig. Die einzigen Kneipen, die noch Livebands eine Chance geben, sind die „Funzel“, „Schwarzer Bär“, „Carrolls Pub“, „BB on the Rockzz“ oder an der Rheinpromenade im Sommer „Kolbs Biergarten“ und die „Strandbar443“. Für junge Bands bietet die „Wormser Rocknacht“, die seit letztem Jahr im Kanal 70 ausgetragen wird und Anfang Dezember stattfindet, nach wie vor eine große Bühne. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die aktuelle Wormser „Musikszene“ nur noch einen Bruchteil an Bands wie noch vor 20 – 30 Jahren zu bieten hat, als Worms als „Rock-City“ galt. Einrichtungen wie die Güterhalle, die Kneip, das Bistro Connection oder das MC/DC hatten seinerzeit regelmäßig Livekonzerte auf dem Programm stehen. Diese Locations gehören aber ebenso der Vergangenheit an wie verschiedene Musikfestivals, wie das „Apostel Open Air“, „Wormstock“ oder „Worms rockt“, die allesamt auf dem Festplatz stattfanden, aber nach wenigen Jahren wieder eingestellt wurden. Während aber die Wormser Musikszene brach liegt, hat die Stadt seit der Einführung der Nibelungen-Festspiele eine überaus lebendige „Theaterszene“ zu bieten. „Theater Curiosum“, „Szene 9“, „Nibelungenhorde“, „Theater-Teens“ und „Theater im Museumshof“ sind allesamt Einrichtungen, die erst in der Zeit nach Beginn der Festspiele 2002 entstanden sind.

FAZIT: Auch wenn es noch nicht ganz für „Europas Kulturhauptstadt“ reicht, so hat Worms doch – gemessen an der Größe der Stadt – viel Kultur zu bieten. Vor allem in den touristisch wichtigen Sommermonaten jagt eine Festivität die nächste und das sollte auch für auswärtige Gäste interessant sein. Dass man die eine oder andere Veranstaltung touristisch noch besser nutzen könnte, steht dagegen auf einem anderen Blatt.

Text: Frank Fischer