WO! zu Besuch auf der "Matadero" Baustelle
Eigentlich war es nur eine kurze, zufällige Begegnung, als der Darmstädter Marc Baumüller 2018 mit seinem Oldtimer auf dem Weg zu einer Weinprobe in Bad Dürkheim die Rheinbrücke in Worms querte und dabei den Alten Schlachthof entdeckte. Noch am selben Abend suchte er sich die verfügbaren Informationen zusammen und beschloss, das marode Gebäude zu kaufen, um es dem Dornröschenschlaf zu entreißen.
Zunächst galt es aber ein paar Hindernisse zu überwinden. Mit dem damaligen Eigentümer Rhenania war er sich schnell einig. Allerdings zeigte sich, dass es einen weiteren Eigentümer gab, der zudem auf Teile des Rhenania Geländes Wegerechte besaß. Für Baumüller kam ein Teilerwerb unter diesen Bedingungen nicht in Frage und er begab sich in Verhandlung. Nach einem Jahr war man sich schließlich einig und die Planungen konnten beginnen. 2024 soll dann der Dornröschen- schlaf ein Ende finden und das „Matadero“ zur Heimat für Freunde der schönen Dinge werden. In den denkmalgeschützten Mauern entsteht in den nächsten zwei Jahren eine Erlebniswelt, in der regionale Manufakturen ebenso zu finden sind wie Gastronomie. Zudem wird es auf dem 13.000 Quadratmeter großen Areal zwei Eventflächen geben und Büroräume. Wenn man mit Marc Baumüller durch die derzeit noch leeren Hallen streicht, ist seine Begeisterung geradezu spürbar. Obwohl derzeit noch nichts von der Erlebniswelt zu sehen ist, außer ein paar Fahnen vor dem Gebäude, vermag der Unternehmer mit seinen detaillierten Schilderungen einen nachhaltigen Eindruck davon zu vermitteln, was Worms erwartet.
DENKMALSCHUTZ SPIELT GROSSE ROLLE
Im Dezember übergab der Geschäftsmann der Stadt den Bauantrag. Wie Baumüller bei unserem Baustellenbesuch erklärt, hofft er, im Sommer eine Genehmigung zu erhalten. Sollte es zu keinen weiteren Verzögerungen kommen, rechnet er vorsichtig mit einem Eröffnungstermin im Laufe des Jahres 2024. Derzeit finden in den Hallen Vorbereitungsarbeiten statt. Fliesen werden vom Schmutz befreit, Wände verputzt und Stromleitungen überprüft. Zuvor musste das Gebäude, das seit 2011 weitestgehend leer stand, erstmal von Unmengen an Unrat befreit werden. Wie Baumüller schildert, wurden rund 40 Container mit Müll befüllt. Über die Jahre hinweg wurde das Gebäude immer wieder zum Ziel von Vandalismus. Wände wurden mit Farben beschmiert, die noch vorhandene Ausstattung zerstört und die Flächen als Müllablage genutzt. Der Darmstädter Unternehmer sah bei seinem ersten Rund- gang dennoch das Potential dieses in die Jahre gekommenen Industriedenkmals. Erbaut 1912, zählte es damals zu den modernsten und damit effektivsten Schlachthöfen in Deutschland. Und weil die Geschäfte gut liefen, war es den Architekten vergönnt, bei den Erweiterungsarbeiten freie Hand zu haben, wie Baumüller zu berichten weiß. Das erkläre dann auch, warum der Turmanbau in der eher untypischen Form einer Kathedrale errichtet wurde.
„WOLLEN KLIMANEUTRALEN BETRIEB“
Für Baumüller ist es nicht das erste Projekt in historischen Gemäuern. Zu seinem umfangreichen Portfolio gehören unter anderem „Klassikstadt“ in Frankfurt und die „Automobile Erlebniswelt“ im Ruhrgebiet inmitten einer still gelegten Zeche. Das Vorgehen ist da- bei stets dasselbe, wie Baumüller erklärt. Sein Fokus liege auf historischen Gebäuden und deren Erhalt. Wichtig ist ihm diesbezüglich eine enge Zusammenar- beit mit den Denkmalschutzbehörden, auch in Worms. Da bekannt ist, dass im Zweiten Weltkrieg in unmittelbarer Nähe auch Flak-Geschütze aufgestellt waren, rechnet er diesbezüglich mit Funden. Aber auch das gehört für Baumüller zur üblichen Routine eines sol- chen Projekts. Um den historischen Charakter zu bewahren, werden Rückbauten vorgenommen, nachträglich eingebaute Verstrebungen werden entfernt, verbaute Fenster freigelegt und der künstlich erhöhte Boden wieder abgesenkt. Während die Substanz von vorvergangenen Zeiten zeugt, soll das „Innenleben“ des Matadero wiederum zukunftsweisend sein. Das große Ziel von Baumüller und seinem Team ist es, den Energiebedarf des Matadero durch Photovoltaik und Pellett-Wärmepumpen abzudecken, sodass ein klima- neutraler Betrieb möglich ist.
EIN LEUCHTTURM FÜR DIE REGION
Wenn alles fertig ist, soll das Matadero nichts weniger als ein Leuchtturm für die Region werden. Bis zu dem Zeitpunkt, als Baumüller vom Auto aus den Schlachthof entdeckte, sei ihm Worms kein Begriff gewesen, gibt Baumüller unumwunden im Gespräch mit WO! zu. Überhaupt sei Worms, obwohl gerade mal 35 Kilometer entfernt, für viele Darmstädter kein Begriff. Das soll sich bald ändern. Natürlich geht es Baumüller nicht nur um das Wohl der Stadt, sondern auch um das Geschäft. Denn dem Diplom Betriebswirt ist natürlich klar, dass er für ein solch großangelegtes Vorhaben auch Gäste aus der Umgebung braucht. In einem zweiten Schritt soll auf dem Areal zudem ein Hotel entstehen. Anfangs war dies nicht vorgesehen, bis die Bank während der Finanzierungsgespräche dies anregte. Baumüller räumt allerdings ein, dass dies vor Ausbruch der Corona Pandemie war, er hofft aber, dass sich die Meinung der Bank nicht geändert hat. Zunächst gilt es aber, den eigentlichen Schlachthof fit für die Herausforderungen der Zukunft zu machen.
EINE ERLEBNISWELT LOCKT AN DEN RHEIN
Wenn die Arbeiten fertig sind, soll es mehrere Eingänge zum Gesamtareal geben. Ebenso sind alle Räume miteinander verbunden, im Grunde ähnlich wie in einer Einkaufspassage, nur dass der Fokus stärker auf Gastronomie gerichtet ist. In der großen Halle mit dem Tonnengewölbe sollen zukünftig 400 Gäste in einem Steakhouse Platz finden. Im Nachbarraum wird es ebenfalls ein etwas kleineres Res- taurant geben. Wie Baumüller erwähnt, sind beide Lokale bereits verpachtet. Die Namen möchte er aber noch nicht verraten. Die obere Etage bekommt zusätzlich ein Lichtbad verpasst und wird so zur Terrasse. Dort soll es auch eine Lounge geben. Entlang des Hauptgebäudes werden kleine Ladengeschäfte entstehen. Dafür ist ein Anbau notwendig, der selbstverständlich ebenso mit den Ansprüchen des Denkmalschutzes abgeglichen ist. Geplant ist in den Geschäften ein Sortiment regionaler Handwerkskunst oder Kulinarik. Auch hierfür konnte er bereits bei einigen Gastronomen Interesse wecken. Erst wenn jedoch alle Verträge unterzeichnet sind, möchte er verraten, wer die zukünftigen Mieter sind. Bis dahin gilt es, die Daumen zu drücken, dass es zu keinen gravierenden Verzögerungen kommt, da- mit die Rheinpromenade bald eine zusätzliche Aufwertung bekommt.
Weitere Infos zu dem Projekt finden Sie hier: https://matadero.de/
Text: Dennis Dirigo, Fotos: Andreas Stumpf, Grafiken: Marc Baumüller
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