Hitze-Check der Deutschen Umwelthilfe wirft Fragen auf
Es läuft derzeit nicht gut für unsere Nibelungenstadt. Es gib kein Ranking, in dem Worms nicht am unteren Ende der Liste zu finden ist. Egal ob Kitaplätze, Wirtschaftsranking, Schulden und nun auch noch zu viel versiegelte Flächen in Worms. So behauptet es zumindest die Deutsche Umwelthilfe (DUH) in ihrem Ranking.
Der Vorwurf wiegt schwer. In einem großen Hitze-Check, den die Deutsche Umwelthilfe in Auftrag gab, erklärte selbige am 30. Juli 2024: Der Großteil der Städte in Deutschland schützt die Menschen nicht ausreichend vor den extrem hohen Temperaturen als Folge der Klimakrise“. Festgemacht wird dies anhand der Flächenversiegelung sowie des sogenannten „Grünvolumens“. Hierbei betrachtete das Unternehmen „LUP Luft Umwelt Planung“ „Grünflächen mit klimaregulierendem Effekt“, der wiederum in Kubikmeter pro Quadratmeter angegeben wird. Das Ergebnis ist für Worms niederschmetternd.
Unter 190 Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern nimmt Worms den viertletzten Platz ein. Nur Regensburg, Heilbronn und Ludwigshafen schneiden noch schlechter ab. Die Auswertung der Umwelthilfe ergab, dass in Worms stolze 52,67 Prozent der Flächen versiegelt seien. Als Maximalwert gibt die Umwelthilfe wiederum an, dass die Bewertungsgrundlage der deutschlandweit durchschnittliche Anteil der Versiegelung an der Siedlungs- und Verkehrsfläche in Höhe von 45 Prozent sei. Während Ludwigshafen in Sachen Flächenversiegelung Spitzenreiter ist (57 Prozent), übernimmt diese Position beim Grünvolumen Worms. Die Negativschlagzeilen waren der Nibelungenstadt mal wieder sicher. Die hessische „Hochheimer Zeitung“ ernannte Worms gemeinsam mit Mainz gleich mal zur „Hitze Hölle“, der SWR betonte indes die „Rote Karte“, die die Umwelthilfe an Worms vergab. Selbst die Berliner taz ließ das Thema nicht kalt und erklärte „Diese deutschen Städte sind zu heiß“. Und das ZDF rief gleich mal „Hitze-Alarm in deutschen Städten – wo es am schlimmsten ist“. Dreimal dürfen Sie, liebe Leser, raten, wo es am schlimmsten ist?
Insgesamt erhielten 24 Städte eine Rote Karte, 82 eine Gelbe Karte und 84 eine Grüne Karte. Als Positivbeispiele nennt die Umwelthilfe die Städte Detmold, Ratingen, Potsdam und Jena, wo wenig Versiegelung auf viele Grünflächen trifft.
Was sagt die Stadt?
Als Wormser konnte man sich nach Sichtung dieses Hitzezeugnisses durchaus verwundert die Augen reiben. Sicherlich sind Teile der Innenstadt nicht unbedingt erholsame Grünoasen und die Logistikbranche hat das eine oder andere Flächenopfer abverlangt, dennoch gilt Worms mit seiner Gesamtfläche bis Ibersheim im Norden nicht gerade als der Inbegriff urbaner Betonkultur. Ein Umstand, der auch immer wieder Landesbehörden auffällt. So monieren sowohl die ADD als auch der Landesrechnungshof immer wieder die hohen Kosten zur Pflege der städtischen Grünflächen. Da Sparen längst zum festen Handwerkszeug des Stadtkämmerers gehört, sprießen allerorts mittlerweile die Grünflächen wild vor sich hin. Doch leider scheint dieser Umstand den Satellitenbildern, die der Auswertung zu Grunde liegen, entgangen zu sein. Doch abseits der subjektiven Beobachtung des Wormser Dschungels wollten wir von der Stadt selbst wissen, wie sie die Studie bewertet? Zunächst einmal überrascht, wie Pressesprecher Carsten Schneider-Wiederkehr auf Nachfrage unseres Magazins zugibt.
Da aus der Meldung der DUH leider nicht genau ersichtlich ist, wie die Zahlen zustande kommen, haben wir sie mit eigenen Auswertungen verglichen“, erklärt Schneider-Wiederkehr. Dabei kommt die Stadt auf ein vollkommen anderes Ergebnis. Daraus ergibt sich, dass per 31.12.2023 65,3 Prozent der Stadtfläche für Vegetation genutzt werden, also nicht versiegelt sind. Rechnet man die Gewässerflächen mit, sind sogar knapp 70% unversiegelt“, berichtet der Pressesprecher und verweist zudem auf zahlreiche Maßnahmen rund um den Klimaschutz. So habe man bereits einige Konzepte entwickelt, um den Anteil an Grünflächen zu erhöhen. Dabei verweist die Pressestelle insbesondere auf den Rahmenplan Klimakonzept Innenentwicklung. Vorgesehen ist darin die weitere Entsiegelung von bisher asphaltierten Flächen, wie zum Beispiel am Neumarkt und in der Willy-Brandt-Anlage. Zudem informiert der Plan über Fassadenbegrünung, Erweiterung von Parkanlagen und Offenhaltung von Luftleitbahnen. Zuletzt geschah dies bei dem kontrovers diskutierten Gewerbegebiet Mittelhahntal. Nach heftigen Protesten der Bürgerinitiative Klimaschutz Mittelhahntal gab die Stadt eine Studie in Auftrag, die das Mittelhahntal als wichtige Kaltluftschneise für die Innenstadt ausweist. Doch wie kann es sein, dass zwischen dem Ergebnis der Stadt Worms und der Deutschen Umwelthilfe eine derart große Diskrepanz in der Betrachtung von Grün- und Betonflächen besteht?
Was sagt die Deutsche Umwelthilfe?
Der Weg führt uns schließlich zur Umwelthilfe. Wir wollen von der Umwelthilfe wissen, wie genau die Berechnung der Flächenversiegelung vorgenommen wurde? Hanna Buntz, Pressesprecherin der DUH erklärt: Die Informationen zum Grünvolumen und zur Gesamtversiegelung stammen aus KI-Modellen in Kombination mit den Sentinel-2-Satellitendaten des Erdbeobachtungsprogrammes der EU (Copernicus).“ Weiter ergänzt sie: Hochgenaue Höhenmessungen der Vegetation in Städten dienen hierbei als Referenz für das Grünvolumen und Bevölkerungsdaten aus dem Zensus 2022 als Berechnungsgrundlage. Betrachtet wurde das Jahr 2023. Die statistisch relevanten Umrisse der Verwaltungsgebiete (Städte und
Gemeinden) sowie der Siedlungs- und Verkehrsflächen (SuV) stammen aus den frei verfügbaren Daten des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie (Stand 2023).“
Allerdings räumt die Umwelthilfe auch ein, dass es zu Abweichungen bei den Daten gekommen sein kann. So sei die Datenerhebung bezüglich der Versiegelung deutschlandweit uneinheitlich, weswegen ein Schätzverfahren entwickelt worden sei. Egal, welche Zahlen stimmen, Tatsache ist, dass auch in Worms Flächen immer wieder dem Wachstum zum Opfer fallen. So rechnete die Klimainitiative Mittelhahntal vor, dass bereits in den vergangenen 20 Jahren rund 140 ha Land in Worms versiegelt wurden. Mit einer neuerlichen Suche nach einem Gewerbegebiet dürfte sich diese Zahl weiterhin verschlechtern. Da dürfte es auch nur wenig hilfreich sein, kleinere Flächen, wie die genannten Plätze, wieder dem Grünvolumen zuzuführen.
Text: Dennis Dirigo, Foto: Andreas Stumpf