WO! im Gespräch mit Nibelungen- Regisseur Roger Vontobel
WO! Was reizt Sie daran, ein drittes Mal die Nibelungen zu inszenieren?
Es ist einfach ein Faszinosum an sich. Ich vergleiche es immer mit „Star Wars“. Das Universum ist sozusagen unergründlich und riesig. Die Nibelungen sind ein Sammelsurium an Geschichten, an Vernetzungen und immer wieder auch ein Spiegel in unsere Zeit. Je mehr ich mich damit beschäftige, desto faszinierender finde ich dieses Universum.
WO! Ist es dennoch nicht frustrierend, sich mit einer Geschichte auseinanderzusetzen, die immer wieder im Untergang mündet?
Ein Happy End ist irgendwie immer eine Antwort. Aber ich glaube, Antworten sind nicht das richtige Mittel im Theater. Ich mag offene Enden, die Perspektive der Möglichkeit. Denn eine Zerstörung ist gleichzeitig auch die Möglichkeit eines neuen Anfangs einer anderen Person oder einer anderen Situation. Es ist also nicht einfach eine Apokalypse, sondern für eine Gruppen von Menschen ein Neubeginn.
WO! In „Siegfrieds Erben“, das eine Fortsetzung war, haben wir wiederum gelernt, dass der Neubeginn auch in einer Katastrophe endete…
Ja, das war dennoch eine tolle Sache, die Geschichte weiterzuerzählen. Im Grunde machen wir das hier auch, nur dass es dieses Mal eine Art Spin off ist, bei der wir eine Figur beleuchten, die bisher weniger Beachtung fand.
WO! Man könnte dies dann auch mit dem Marvel Cinematic Universe vergleichen?
Ja, das wäre neben dem „Star Wars“ Vergleich der weitere Begriff, den ich im Kontext mit den Nibelungen verwenden würde. Das ist ein Universum und es gilt, dies mit den Mitteln unserer Zeit auszuloten. Da sind so viele Geschichten, die mit uns zu tun haben. Ich finde diesen Kosmos auch spannend, weil er vielleicht die Grundlage ist, mit dem wir kulturgeschichtlich gestartet sind.
WO! Haben Sie im Kopf bereits eine Idee, was Sie bei einem vierten Ausflug in das Nibelungenuniversum erzählen würden?
Das verrate ich natürlich noch nicht (lacht).
WO! Wie kam es eigentlich zur Idee, Dietrich von Bern in den Mittelpunkt zu rücken?
Seit 2018 unterhalte ich mich immer wieder mit Thomas Laue, sozusagen meinem Partner in Crime, über die verschiedenen Möglichkeiten. Bereits in „Siegfrieds Erben“ tauchte Dietrich von Bern auf, allerdings als Nebenfigur. Schon damals fanden wir diese Figur faszinierend. Wenn man den Charakter nimmt und einfach mal ran zoomt, ist es spannend zu entdecken, welche Geschichte hinter dieser Figur steckt. Der ausschlaggebende Punkt war, sich mit Pazifismus auseinanderzusetzen. Ich mag an dem Stoff, dass er keine Antworten gibt. Ich würde vielmehr behaupten, dass die Geschichte wichtige Fragen aufwirft. Ist Diplomatie das Maß aller Dinge oder ist es manchmal notwendig, andere Mittel anzuwenden, um sein Ziel durchzusetzen? Das ist die große Frage, die Dietrich in die Nibelungensage mit hineinträgt.
WO! Empfinden Sie als Druck, wenn die Leute erneut spektakuläre Bilder erwarten?
Druck ist immer da! Finden die Leute gut was ich mache oder eben nicht. Vielmehr überwiegt aber die Freude. Ich mag es, Geschichten groß zu erzählen und das kann ich hier in Worms.
WO! Im Gegensatz zur letztjährigen Inszenierung fällt ein eher konventioneller Zugang zur Besetzung auf. Wie stehen Sie zur Diversität auf der Leinwand und auf der Bühne?
Grundsätzlich finde ich das alles spannend. Mein Ansatz ist allerdings, dass die Wahl der Besetzung stets in der Geschichte verankert sein muss. Es darf nie drüber gesetzt sein. Alles muss der Geschichte untergeordnet sein. Die Schauspieler bzw. die Charaktere müssen nachvollziehbar sein. Sie sind für das Publikum Ankerpunkte, an denen sie sich festhalten können, mit wem sie durch die Geschichte gehen können. Das ist für mich die oberste Prämisse und deswegen sieht die Besetzung so aus, wie sie nun auf der Bühne steht. Eine tatkräftige und schlagkräftige Truppe.
WO! Sie haben bei Ihren vergangenen Besuchen in Worms stets auch die Umgebung Rheinhessens erkundet. Haben Sie für dieses Jahr schon was geplant?
Erstmal bin ich ja zum Arbeiten da. Dazu kommt, dass ich ja auch in Bern ein Theater leite und damit eine Doppelbelastung habe. Aber ich denke, ich werde sicherlich ein paar Momente finden. Ich liebe die Natur und habe dementsprechend ein großes Bedürfnis, einfach mit dem Fahrrad durch die Landschaft Rheinhessens zu fahren und diese zu entdecken. Immer wieder bin ich in den vergangenen Jahren bei den Fahrten auf Juwelen gestoßen, die ich nicht mehr vergesse. Darauf freue ich mich wieder.
WO! Wir danken Ihnen für das Gespräch
Das Gespräch führte Dennis Dirigo vor dem Probeauftakt am 28. Mai.
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