Entschuldungsprogramm und ein mieses Wirtschaftsranking

Es war ein Angebot, das die Stadt nicht ablehnen konnte, als das Land im Mai auf Worte Taten folgen ließ und Oberbürgermeister Adolf Kessel einen Bewilligungsbescheid zur angekündigten Übernahme eines Teils der städtischen Altschulden überreichte. Doch bekanntlich gibt es selten ein Angebot, das nicht mit einer Forderung verbunden ist.

Dass die Stadt finanziell mit dem Rücken zur Wand steht, ist hinreichend bekannt. Alleine im kürzlich bewilligten Haushalt beläuft sich das Defizit auf stolze 34 Millionen Euro. Sinkende Gewerbesteuereinnahmen und steigende Ausgaben in allen Bereichen, sowie eine chronische Unterfinanzierung durch das Land, lassen einen ausgeglichenen Haushalt in weite Ferne rücken. Sich der Problematik bewusst, dass zahlreiche Kommunen in Rheinland-Pfalz unter wachsenden Schuldenbergen leiden, hat die Landesregierung ein Programm entwickelt, das sich als „Partnerschaft zur Entschuldung der Kommunen in Rheinland-Pfalz (PEK-RP)“ versteht. Kurz formuliert, das Land übernimmt einen Teil der Altschulden. Neben hochverschuldeten Städten wie Pirmasens und Kaiserslautern nimmt auch Worms an dem Programm teil. 123,3 Millionen Euro, nebst Zinsen in Höhe von rund 3 Millionen Euro, übernimmt das Land vom Wormser Schuldenberg. An der gegenwärtigen Misere des aktuellen und des kommenden Haushalts für das Jahr 2025 ändert das hingegen wenig. Tatsächlich wird eine zusätzliche Herausforderung auf den Haushalt zukommen. Denn mit der Teilnahme an dem Entschuldungsprogramm verpflichtet sich Worms, innerhalb von 30 Jahren 151 Millionen Euro Altschulden abzuzahlen. Das bedeutet, dass fortan 4 Millionen Euro im Jahr im ohnehin überhitzten Haushalt für die Rückzahlung eingeplant werden müssen. Zur gleichen Zeit betont wiederum die Aufsichts- und Dienstleistungsbehörde (ADD), dass man zwar den aktuellen Haushalt genehmigt habe, allerdings weiterhin unzufrieden mit den Sparmaßnahmen der Stadt sei.

In einem Begleitschreiben zur Haushaltsgenehmigung erklären sie: „Politik und Verwaltung sollen sich mit einer weiteren Anhebung der Realsteuerhebesätze auseinandersetzen“. Hier sei, laut der Behörde, die rechtlich zumutbare Grenze noch nicht ausgeschöpft. Kommunalpolitiker Gerold Senn (CDU) verfasste in einem Kommentar auf unserer Facebook Seite zu dem Vorgehen des Landes eine feine Allegorie, in der eine Mutter ihrem Kind ein knapp bemessenes Taschengeld auszahlt. In der folgenden Zeit bekommt das Kind immer mehr Ausgaben auferlegt, mit der Folge, dass das Taschengeld schnell zur Neige geht und sich das Kind schließlich Geld borgt. Am Ende übernimmt die Mutter die Schulden und erklärt: „Du musst also mit deinem Taschengeld auskommen,
sonst werde ich für dich bestimmen, was du dir kaufen darfst und ob du dir überhaupt noch Kino, Schwimmbad, Eis oder Pommes leisten darfst.“ 
Die Folgen einer solchen Politik sind dann manchmal auch direkt spürbar.

Mainz Top,  Worms Flop

Im Mai dieses Jahres veröffentlichte das Institut der Deutschen Wirtschaft als Ergebnis einer Studie ein bundesweites Wirtschaftsranking. Eine Studie, die für Worms eine ganz besonders bittere Nachricht parat hält, nämlich die, dass es nun sozusagen amtlich ist, dass Worms eine Stadt mit jeder Menge Problemen ist. Ermittelt wurde ein sogenanntes Niveauranking, also sozusagen die Ist-Situation des jeweiligen Kreises oder der Stadt, in dem auch die Lebensqualität bemessen wird, sowie ein Dynamikranking, das die Chancen einer Region bewertet. Um dies zu beurteilen, wurden drei Indikatoren benannt: Arbeitsmarkt, Wirtschaftsstruktur und Lebensqualität, die wiederum durch insgesamt
14 Faktoren beeinflusst werden (Gewerbesteuern, allgemeine Steuerkraft, Altersdurchschnitt, Bildung, Straftaten, Beschäftigungsquote von Frauen, private Überschuldung, aber auch die Anzahl von Baugenehmigungen). 400 Städte und Kreise wurden ausgewertet. Das Ergebnis für Worms ist desolat. Während die Stadt im Niveauranking auf Platz 391 landet, reicht es im Dynamikranking immerhin für Platz 300. Als direkter Vergleichskonkurrent erweist sich in dem Ranking ausgerechnet die unweit von Worms entfernte Landeshauptstadt Mainz.

In der Studie heißt es: „Die Spitzenposition im Dynamikranking (und Platz 2 im Niveauranking) besetzt die kreisfreie Stadt Mainz. Die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt weist die beste wirtschaftliche Entwicklung in den letzten zwei Jahren auf und punktet vor allem bei der Wirtschaftsstruktur. Die dynamische Entwicklung ist nicht nur auf die starke Entwicklung als Biotech-Standort zurückzuführen, sondern Mainz punktet auch bei der lokalen Gewerbeentwicklung und bei der Integration von Akademikern und Akademikerinnen auf dem Arbeitsmarkt“. Faktoren, die auf Worms leider nur bedingt zutreffen. Worms teilt sich wiederum die letzten Plätze mit Städten wie Duisburg, Delmenhorst, Bremerhaven, Gelsenkirchen und dem letztplatzierten Herne. Ziel der Studie ist übrigens nicht einfach nur ein Vergleichswettbewerb. Vielmehr soll das datenbasierte Vorgehen es ermöglichen, räumliche Entwicklungen bundesweit zu vergleichen. Die Ergebnisse des IW-Regionalrankings erheben dabei den Anspruch, eine aussagekräftige Basis für politische Entscheidungsträger zu bilden. Übersetzt heißt dies, dass die Ansiedlungspolitik und die soziokulturelle Entwicklung von Worms gravierende Folgen hat. Ob das Steuer so einfach umgerissen werden kann, wird sich zeigen. Das Institut ist sich zumindest sicher, dass die Möglichkeiten für alle Regionen gegeben sind. Hinsichtlich der Wormser Schuldenfalle dürfte das für die Wormser Politik eine Jahrhundertaufgabe werden.

Text: Dennis Dirigo