Nicht nur unter der Erde sorgt der Ludwigsplatz für Diskussionsstoff. Seit längerem schwelt auch ein Konflikt zwischen Anwohnern und jungen Menschen, die den Platz vor der Kaiser Passage lautstark als Treffpunkt nutzen. Lange Zeit schien sich die Stadt für die Klagen der Anwohner und Geschäftsleute nicht zu interessieren. Nun soll alles anders werden, oder doch nicht?
Anfang März wandten sich Polizei und die Stadt Worms in einer gemeinsamen Presseerklärung an die Öffentlichkeit. Darin erklärten sie, dass sie bereits seit Oktober 2020 den Ludwigsplatz verstärkt im Fokus hätte und es zu 15 größeren Einsätze kam, bei denen unterschiedlich große Gruppen Minderjähriger angetroffen und kontrolliert wurden. Die Stadt selbst sei seit Februar täglich vor Ort gewesen und hätte an fünf von 28 Tagen Gruppen von bis zu 15 Personen kontrolliert. Diese seien teilweise des Platzes verwiesen. Ein Großteil der Feststellungen bezog sich auf Corona-Verstöße aufgrund der Kontaktbeschränkung. Das Problem selbst ist jedoch nicht erst mit Corona aufgetaucht. Bereits seit einigen Jahren ist besonders gegen Ende der Woche ab den Nachmittagsstunden der Platz südlich der Martinskirche Anlaufpunkte für zahlreiche junge Menschen. Wer seine Zeit schon mal bei einem Milchkaffee im Times Café verbrachte, kennt die Problematik. Jungs und Mädchen umgarnen sich mit jugendlichem Imponiergehabe, bevorzugt Passantinnen werden mit machohaften Sprüchen angesprochen. Auch wird ausgiebig und rücksichtslos Fußball gespielt, wobei der Ball durchaus auch mal im Außenbereich des Cafés landen kann. Auf eine Entschuldigung des Schützen wartet man bei der Abholung des Balls vergeblich.
Es ist gar nicht mal der Umstand des Open-Air-Treffs, der vielen aufstößt, sondern vielmehr das unangenehme Auftreten halbstarker Jugendlicher. Auch die Polizei beobachtete im Laufe der Kontrollen eine Verhaltensänderung. Waren die jungen Leute Monate zuvor noch zugänglich und einsichtig, gibt es mittlerweile bei Kontrollen nun Widerworte, außerdem registrierte man eine gewisse Gleichgültigkeit. Dennoch zeigten sich Anwohner und Geschäftsinhaber hoffnungsvoll, dass nun Ruhe eintreten würde. In einem Schreiben an unsere Redaktion erklärte ein Anwohner (Name der Redaktion bekannt), dass man allerdings nach wie vor enttäuscht sei. Der Autor geht sogar noch einen Schritt weiter: „So wie es zurzeit umgesetzt wird, hätte man sich die Erklärung sparen können!“ Obwohl bekannt ist, dass sich diese Jugendgruppe werktags von 17-20 Uhr, am Wochenende früher, dort trifft, würden in dieser Zeit kaum Kontrollen durchgeführt oder man versuche das Problem zu ignorieren.
Als vor kurzem vier Mitarbeiter des Kontrolldienstes auf dem Ludwigsplatz patrouillierten, befanden sich zeitglich eine Gruppe von 20-30 Jugendlichen vor Ort. Doch statt auf Einhaltung der Corona Verordnung zu pochen (Abstand, Anzahl der Personen im öffentlichen Raum) ignorierte man die Gruppe und wandte sich einem älteren Pärchen zu, das man kontrollierte, so die Beobachtung des Anwohners. Auf Verwunderung stößt auch die Praxis, dass sich die Polizei kurz vor Eintreffen zu einer Kontrolle mit der Sirene ankündige, sodass bei Eintreffen bereits kein Jugendlicher mehr anwesend sei. Geschockt zeigte sich der Anwohner, als vor ca. vier Wochen drei Jugendliche über die Absperrung des Woolworth Parkplatzes kletterten und eine Scheibe zerschlugen. Der Anwohner stellte die Gruppe zur Rede, woraufhin sich flüchteten. Im Anschluss verständigte er die Polizei, allerdings erschien kein Streifenwagen. Ähnlich erging es einem Ebwo Mitarbeiter, der Ende März Jugendliche dabei ertappte, als diese den Obelisken begannen mit Farbe zu beschmieren. Auch hier wurde der Kontrolldienst verständigt, ohne dass dieser kam.
Frustriert von diesen Erlebnissen, befürchtet der Wormser, dass der Eindruck entstehen könne, dass der Ludwigsplatz aufgegeben wurde. Stadt und Polizei setzen indes Hoffnung in die Arbeit der Streetworker. Aber auch die wird von Corona erschwert, wie die Stadt mitteilt, da der persönliche Kontakt begrenzt sei. Festzustellen ist, dass der Innenstadt ein professioneller Jugendtreff fehlt und es überhaupt wenige Freizeitmöglichkeiten für pubertierende Jugendliche in Worms gibt. Natürlich löst das nicht alle Probleme, es wäre jedoch ein Anfang, jungen Menschen, die in der Stadt leben, Perspektiven zu bieten. Getan hat sich bislang wenig. Solange dies nicht der Fall ist, ist es umso wichtiger, dass Polizei und Stadt ihr Versprechen, den Ludwigsplatz „beschwerdefrei“ zu bekommen, in die Tat umsetzen und Grenzen setzen, statt wegzuschauen. Denn es sollte klar sein, dass eine Generation verlorener Jugendlicher mitunter die Problemerwachsenen der Zukunft sind.
Nachtrag: Im Stadtrat am 8. April wurde beschlossen, dass das Diakonische Werk ab dem 1. Mai einen Jugendtreff auf dem Ludwigsplatz errichten soll. In welcher Form, ist derzeit noch unklar. Das Vorhaben stößt allerdings bei Geschäftsleuten und Anwohnern auf Ablehnung, da derzeit vermehrte Kontrollen dazu geführt hätten, dass die Jugendgruppen sich nicht mehr auf dem Ludwigsplatz aufhalten. Nun befürchtet man, dass ein Jugendtreff erneut die Jugendlichen anziehen könnte.
Text: Dennis Dirigo Foto: Andreas Stumpf