Fertigstellung bis 2028 geplant

Oft wird das Wort Jahrhundertbauwerk strapaziert. Gemessen an der Bauzeit sowie den erwarteten positiven Auswirkungen auf den Verkehr in der Nibelungenstadt, ist die B47 Südumgehung nichts weniger als ein solches. Bleiben die Fragen, wann diese beendet ist und ob die erhoffte Entlastung für die Wormser Innenstadt tatsächlich eintritt?

Lange bevor 2016 in Worms der Startschuss für den Bau des letzten rheinland-pfälzischen Teilstücks der Südumgehung fiel, wurden bereits erste Abschnitte fertiggestellt, die eine unmittelbare Auswirkung auf den Ver- kehr zwischen Worms und Monsheim hatten. Musste man früher den Weg durch Pfi?igheim, Pfeddersheim und Monsheim nehmen, um beispiels- weise in das Zellertal zu kommen, sorgt bereits seit 1995 der Neubau, der parallel zur alten B9 verläuft, für eine spürbare Entlastung in den genannten Orten. Das Problem ist allerdings, dass der Verkehr Richtung Hessen und umgekehrt am Ende der Ausbaustrecke weiterhin durch die Nibelungenstadt führt und damit Anwohner und Straßen belastet. Die Pläne für

den weiteren Ausbau lagen bereits lange Zeit in der Schublade des Landesbetriebes Mobilität, doch das aufwendige Vorhaben verzögerte sich durch weitere Baumaßnahmen, wie das Errichten von Lärmschutzwänden, sowie dem Geländezukauf. Zeit- gleich entwickelte sich im Wormser Stadtrat ein Streit über den Bau der sogenannten Krankenhaustangente, die wiederum die Stadtteile Pfi?igheim, Herrnsheim und Leiselheim an die Südumgehung anbinden soll. Zuletzt einigte sich der Stadtrat 2021 auf eine weitere Prüfung der Pläne. Hierbei wolle man abwarten, wie sich der Verkehr nach Fertigstellung der Südumgehung entwickle. Doch das wird dauern. Die vom Landesbetrieb Mobilität geplanten und durchgeführten Arbeiten am letzten Abschnitt vor der Rheinbrücke haben zwar zwischenzeitlich an Fahrt gewonnen, dennoch gibt es eine Hiobsbotschaft zu vermelden. Eigentlich sollte der letzte Abschnitt bereits im Sommer 2024 beendet sein. Der neue Termin zur Straßenfreigabe ist nun für den Sommer 2028 anvisiert.

Wer baut, braucht Geduld

Wer baut, braucht in Deutschland Geduld und ein dickes Portemonnaie. Das musste auch der LBM erfahren. So erklärt dieser, dass die notwendigen Voruntersuchungen und die Entsorgung von Altlasten im Baufeld deutlich mehr Zeit in Anspruch nahmen als ursprünglich geplant. Außerdem, so der LBM, ist das Bauen im städtischen Bereich wegen der Verlegung von Leitungen (Gashochdruckleitungen, Strom, Telekommunikation etc.) und der komplexen Verkehrsführungen zur baulichen Umsetzung unter Verkehr sehr zeitintensiv. Der dritte Bauabschnitt ist wegen seiner Ingenieurbauwerke, wie Lärmschutzwänden, der Fuß- und Radwegunterführung Klosterstraße und der Teilverrohrung des Maria-Münster-Baches, der anspruchsvollste Ab- schnitt. Zudem sei der Fachkräftemangel auch bei der Behörde angekommen, so- dass freie Stellen nicht besetzt werden können. Das hatte wiederum Auswirkungen auf die Bearbeitungszeit aller Projekte. Mit Geldern des Bundes finanziert, haben sich zwischenzeitlich auch die Baukosten verteuert. Die ursprünglich geschätzten Baukosten, einschließlich dem Erwerb von 173 Grundstücken, lagen im Jahr 2016 bei 36,4 Millionen Euro. Aktuell liegt die finale Kostenschätzung bei satten 63,6 Millionen Euro. Viel Geld für die gerade mal 2,4 Kilometer lange Strecke. Gründe für die Kostenentwicklung sind u.a. die allgemeinen Baupreissteigerungen um plus 25 Prozent von 2016 bis 2023. Ebenso stiegen aufgrund der Komplexität des Projekts die Planungskosten. Behördliche Vorgaben, bezüglich der Bepflanzung und der Entsorgung der Altlasten, verteuerten und verzögern die Südumgehung zusätzlich.

Stillstand für die Innenstadt

Für die Stadt Worms ist die Verschiebung ein Ärgernis, denn seit vielen Jahren koppelt man die viel diskutierte Verkehrsberuhigung in der Innenstadt an die Fertigstellung. Im Bau- und Mobilitätsausschuss reagierte Timo Horst dementsprechend: „Das sind schockierende bis katastrophale Nachrichten für die Stadt.“ Übersetzt bedeutet dies, dass auch weiterhin in der Innenstadt keine Entscheidungen getroffen werden, so zum Bei- spiel für das touristische Zentrum zwischen Stephansgasse und Heiliger Sand. Angedacht ist seit Jahren eine Verkehrsberuhigung, um dies als geschlossenes touristisches Areal zu erschließen. Fraglich ist indes, ob dies ohne die Krankenhaustangente möglich ist? So setzte sich das Planungsstudio Habermehl und Follmann im Stadtentwicklungskonzept Mobilität intensiv mit der Verkehrsentwicklung auseinander. Dort kam man zu dem Schluss, dass die Entlastung nur funktioniere, wenn die ungeliebte Tangente gebaut wird. Doch die erfordert umfängliche Eingriffe in die Natur zwischen Herrnsheim, Leiselheim bis hin zum äußeren Ring im Wormser Süden. Doch während man aus Umweltschutzgründen an dem Ausbau zweifelt, hat sich die Wormser Wirtschaft längst für die Strecke positioniert. Bereits zu Beginn des Streits um die Krankenhaustangente im Jahre 2016 erklärte Michael Kundel, Vorsitzender der IHK Rheinhessen und Geschäftsführer Renolit: „Wenn die Stadt über Jahrzehnte eine vollständige Umfahrung der Stadt plant und dann nach der Realisierung der ersten Hälfte die zweite streicht, dann ist das verkehrspolitischer Unsinn.“ Nun haben alle Beteiligten erstmal reichlich Zeit, um über die weitere Verkehrsplanung nachzudenken.

Text: Dennis Dirigo Foto: Andreas Stumpf