Es gibt nicht wenige Straßen in Worms, die sich bestens als Stoßdämpferteststrecke eignen würden. Schlaglöcher, in denen locker ein paar Golfbälle Platz finden würden, geflickte Straßendecken, die dazu führen, dass man mit dem Fahrrad ordentlich durchgeschüttelt wird und Spurrillen als Zeugen des Wormser Schwerlastverkehrs lassen bei Verkehrsteilnehmern wenig Freude aufkommen. Die Stadtverwaltung erstellte nun eine „Sachstandsmitteilung zum Erhaltungszustand der Wormser Verkehrswege“.

1.160 Kilometer Straßen in Worms
Worms verfügt insgesamt über Verkehrsflächen mit einer Gesamtlänge von 1.160 Kilometern. Betreut werden diese von der Abteilung 6.6 Verkehrsinfrastruktur und Mobilität. 2005 wurden erstmalig alle städtischen Straßen sowohl in ihrer Länge und Breite, in ihrem Ausbauquerschnitt und in ihrem Zustand erfasst. Dies erfolgte zum damaligen Zeitpunkt durch Begehungen und Inaugenscheinnahme. Die Erfassung diente als Grundlage für ein digitales Straßenkataster, welches mittlerweile durch ein externes Ingenieurbüro gepflegt wird. Die Zeit der Fußmärsche ist allerdings vorbei, stattdessen werden die Straßen von den Mitarbeitern des Büros zur Zustandserfassung befahren. Hierzu nutzt man eine professionelle Software, die, neben einer Straßendatenbank, auch ein Modul zum Straßenerhaltungsmanagement beinhaltet. Ziel des Programmes ist es, mittels Schadensanalyse eine objektive Grundlage zu schaffen, aus der ersichtlich wird, in welcher Dringlichkeit Straßenabschnitte saniert werden sollten.

Jede zweite Straße marode
Eine Auswertung im Oktober 2020 ergab, dass von den 470 erfassten Straßenkilometern (Wirtschaftswege wurden nicht geprüft ) bereits bei 122 die Restnutzungsdauer abgelaufen ist. Bei weiteren 95 Kilometern erfolgt dies bis zum Jahr 2022. Das heißt, dass bei 46 % der Wormser Straßen dringender Handlungsbedarf besteht. Lediglich 50 Straßenkilometer haben eine Restnutzungsdauer, welche über das Jahr 2027 hinausgeht. Um die Restnutzung zu erhöhen, besteht aus Sicht der Stadtverwaltung die Möglichkeit der Sanierung von Straßen im Rahmen der Straßenunterhaltung, z.B. durch Abfräsen und Erneuerung der Deckschicht. Zuvor müssen jedoch Bodengutachten klären, ob die Straße überhaupt sanierungsfähig ist. Ist das nicht der Fall, hilft nur noch der Vollausbau. Doch Straßenbau ist teuer. Eine Inaugenscheinnahme im Oktober dieses Jahres von Straßen, deren Restnutzungsdauer abgelaufen ist, ergab, dass alleine bei 60 Straßen in den Vororten Abenheim, Neuhausen, Pfeddersheim, Pfiff ligheim und Leiselheim ein Vollausbau unumgänglich sei. Insgesamt wurden in den vergangenen fünf Jahren lediglich zehn Straßen im Vollausbau wieder neu hergestellt. Die Stadtverwaltung erklärt dementsprechend: „Wenn man den Bedarf an Ausbaumaßnahmen mit der tatsächlichen Realisierung vergleicht, ist davon auszugehen, dass die Verkehrssicherheit auf vielen Wormser Straßen in den kommenden Jahren nur mit weiterem hohen finanziellen Aufwand zu gewährleisten sein bzw. es zu Einschränkungen in der Nutzung der Straßen kommen wird“.

Ein komplizierter Weg zu wiederkehrenden Ausbaubeiträgen
Insgesamt beläuft sich der Sanierungsstau, wie es die Verwaltung formuliert, auf stolze 150 Millionen Euro. Viel Geld für eine Stadt ohne Geld. Im aktuellen Haushalt für das Jahr 2021 sind gerade mal 7,8 Millionen Euro für den Posten Verkehrsinfrastruktur und Mobilität vorgesehen. Hinzu addieren sich noch diverse Fördergelder, wie z.B. bei der Sanierung der Gaustraße. Dadurch kommt es allerdings immer wieder zu Verzögerungen. So sind die Fördergelder für die Gaustraße über einen längeren Zeitraum aufgeteilt, wodurch es immer wieder zu Unterbrechungen der Bauarbeiten kommt. Eine nicht unerhebliche Einnahmequelle waren bisher die einmaligen Ausbaubeiträge, die wiederum bei den Anwohnern, wie zuletzt bei der Bleichstraße oder der Neubachstraße, für viel Unmut sorgten. Doch die gehören mittlerweile zur Vergangenheit. Unlängst hat die Landesregierung entschieden, dass ab 2024 nur noch wiederkehrende Straßenausbaubeiträge erhoben werden. Was für die Anlieger gut ist, bedeutet für die Verwaltung erstmal sehr viel Arbeit. Zunächst muss eine Straßenbeitragssatzung erstellt werden, die sowohl die Beitragshöhe als auch Gebietsgrenzen definiert. Diese erfordert final die Zustimmung des Stadtrats. Die Abrechnungsgebiete sollen mithilfe der vorhandenen Datenbank, Luftbildern, Überflügen und Begehungen analysiert werden. Im Anschluss folgt die Berechnung der Grundstücke. Auch soll berücksichtigt werden, wer in der Vergangenheit bereits zur Kasse gebeten wurde.

Gutes System vs. wenig Geld
Aber es gibt auch Gutes zu berichten! Ein Gutachten des Landesrechnungshofes zur systematischen Erhaltungsplanung von Gemeindestraßennetzen in 192 rheinlandpfälzischen Kommunen kam zum Schluss, dass die Stadt Worms mit der eingangs erwähnten Verfahrensweise den Spitzenplatz in Rheinland-Pfalz einnimmt und somit als einzige Kommune eine gute bis sehr gute Strategie zur systematischen Erhaltung des kommunalen Straßennetzes fährt. Wenn das Geld fehlt, nützt allerdings auch das beste System nur wenig. Das Gutachten kam nämlich auch zu dem Schluss, dass für die Erhaltung der Wormser Straßen ca. 320.000 Euro pro Netzkilometer erforderlich sind. Diese hohe Summe ergibt sich aus der bereits dargestellten Problematik, dass viele Straßen aufgrund massiver Vernachlässigung – wegen fehlender Haushaltsmittel und anderer Entscheidungen in den letzten 30 Jahren – nicht mehr sanierungsfähig sind und nur noch durch einen Vollausbau zu retten sind. Bei all diesen komplexen Vorgängen, die es noch zu erledigen gilt, sowie den klammen Kassen, ist wohl davon auszugehen, dass die ein oder andere marode Straße die lieben Verkehrsteilnehmer noch einige Zeit begleiten wird.


INFOKASTEN:
7,8 km……. Gehwege entlang Bundesstraßen innerorts
13,8 km….. Landesstraßen
55,7 km….. Kreisstraßen
27,2 km….. Gemeinde-Hauptverkehrsstraßen
286,4 km… Gemeinde-Erschließungsstraßen
78,3 km….. eigenständige Geh- und Radwege
691 km…… Wirtschaftswege