WO! zu Besuch in dem Familienbetrieb Bäckerei Konditorei Jürgen Blaser

Die Zahl der familiengeführten Bäckereibetriebe, die mit echter Handwerkskunst dem Gaumen ihrer Kunden schmeicheln, geht kontinuierlich zurück – auch in Worms. Das bedeutet nicht den Verlust individueller Geschmackserlebnisse, sondern mittelfristig auch den Verlust eines deutschen Kulturguts, dem Brot. Denn Brot ist nicht gleich Brot! Die Gründe für das Aussterben des klassischen Bäckerhandwerks sind vielfältig. Ein Besuch bei der Wormser Bäckerei Konditorei Blaser verschafft Aufklärung.

Seit einem halben Jahrhundert erfreut der Familienbetrieb mit seinem vielfältigen Sortiment die Geschmacksknospen zahlloser Wormser*innen. Gegründet von seinem Vater, wollte Jürgen Blaser ursprünglich gar nicht in die Geheimnisse des Backhandwerks eintauchen, weshalb er zunächst eine Lehre als Großhandelskaufmann antrat. Doch dieser Beruf füllte ihn nicht aus. Im Gespräch mit WO! sagt er dementsprechend lapidar, dass er abends nicht wusste, was er eigentlich gearbeitet hatte. Die Sehnsucht, mit den Händen etwas zu schaffen, was andere glücklich und zufrieden macht, führte ihn schließlich doch noch in die Backstube. Seit 40 Jahren arbeitet er mittlerweile als Bäcker- und Konditormeister. Das heißt 40 Jahre lang morgens um 2 Uhr Dienstbeginn, um dafür zu sorgen, dass sich die Kunden pünktlich mit frischen Backwaren oder leckeren süßen Teilchen versorgen können und Arbeitstage, die manchmal 14 Stunden gehen. Auch als WO! sich mit dem Meister am frühen Mittag trifft, hat er bereits gute acht Stunden hinter sich, von Müdigkeit dennoch keine Spur.

IMMER WENIGER KLEINBÄCKEREIEN, AUCH IN WORMS

Wir wollen zunächst wissen, wie sich das Geschäft im Laufe der Jahrzehnte für ihn und seine Frau Annette Blaser, die ebenfalls im Betrieb mitarbeitet, verändert hat. „Früher waren wir Grundversorger, diese Aufgabe haben allerdings längst die Ketten und Discounter übernommen. Heute sind wir spezialisiert auf hochwertige Produkte, besondere Brötchen- oder Brotkreationen, die es bei Ketten oder eben im Supermarkt so nicht gibt.“ Zu den besonderen Spezialitäten gehört zum Beispiel ein Brot, das mit Hanfsamen zubereitet wird und demnächst das Sortiment bereichert. Blaser erzählt weiter, dass sich in diesen Jahrzehnten auch drastisch die Anzahl kleiner familiengeführter Bäckereibetriebe minimiert hat. Waren es in den 70er Jahren rund fünfzig Betriebe, gibt es in Worms aktuell gerade mal eine Handvoll Bäckereien, in denen der Chef noch persönlich in der Backstube steht. Die Situation ist zwar durchaus ernst, aber Jürgen Blaser verweist auch darauf, dass es längst Städte in der Region gibt, in denen man nur noch Großbäckereien antrifft. Nun könnte man daraus den Schluss ziehen, dass die Ketten und die Discounter die alleinige Schuld an der Misere der Kleinen trifft. Doch ganz so einfach ist es nicht. Natürlich verschafft die ständige Expansion einen Wettbewerbsvorteil. Wer mehr produziert, muss größere Mengen der Rohstoffe einkaufen und erzielt dadurch auch günstigere Einkaufspreise. Nun könnte man meinen, dass sich die erheblich günstigere Produktion auf die Preise niederschlägt. Wer allerdings die Preise in den Auslagen der Ketten betrachtet, muss schnell feststellen, dass die sich kaum von kleineren Bäckereien unterscheiden. Viele Kunden lassen sich letztlich vom Auge verführen oder folgen dem Weg der Bequemlichkeit. Welche Qualität die Rohstoffe haben oder ob das Brot oder Brötchen lediglich als Rohling in den Backofen wandert, interessiert viele nicht. Für Jürgen Blaser ist das auch der eigentliche Zaubertrick der Großbäckereien, Industrieware als Handwerksware zu verkaufen.

QUALITÄT STATT QUANTITÄT

Für Blaser steht wiederum die Qualität im Vordergrund, weswegen man sich auf lediglich zwei Filialen beschränkt. Um die Qualität zu gewährleisten, steht er als Meister nicht alleine in der Backstube. Insgesamt backen sie zu fünft , wovon ein weiterer Meister aus den Rohstoff en feinste Speisen zubereitet. Zuzüglich zu dem Verkaufspersonal ist das ein durchaus ansehnlicher Personaleinsatz. Stolz ist man in diesem Zusammenhang darauf, dass man mit den meisten Mitarbeitern bereits seit vielen Jahren zusammenarbeitet, während in den Ketten oft eine hohe Fluktuation herrscht und zudem viel Technik viele Bäcker ersetzt. Von Jürgen Blaser wollen wir wissen, ob es für ihn Pläne gab, selbst zu expandieren? Eine Kette über die Stadtgrenze hinaus zu etablieren, stand nie auf der Agenda. Allerdings gab es eine Zeit, in der man insgesamt vier Filialen betrieb. Das hatte allerdings zur Folge, dass Jürgen Blaser fortan mehr mit der Organisation und der Personalführung beschäftigt war. Für jemanden, der mit seinen Händen arbeiten möchte, kein dauerhafter Zustand. Also beschränkte man sich wieder auf das Kerngeschäft in der Friedrich-Ebert-Straße und der Filiale in Horchheim im Netto-Markt. Dass demnächst in unmittelbarer Nähe auf der Rückseite des Wormser Hauptbahnhofs die Großbäckerei Görtz ein weiteres Geschäft eröffnet, sieht das Ehepaar dennoch gelassen. Natürlich wird es so sein, dass sie ein paar Brötchen weniger verkaufen werden. Selbstbewusst erklären sie aber auch, dass ihre Kunden ihre Produkte zu schätzen wissen.

KLIMAWANDEL, CORONA UND NACHWUCHSPROBLEME

Sorgen bereitet ihnen vielmehr der Fortbestand der Bäckerei. Tatsächlich geht der Branche der Nachwuchs aus, denn immer weniger junge Menschen wollen das Handwerk des Bäckers erlernen. Auch setzen den Bäckereibetrieben in den letzten Jahren die heißen Sommer zu. Nicht etwa, weil es dann in der Backstube noch heißer als sonst ist, sondern weil die sonnenintensiven Monate Ernteausfälle zur Folge haben, die sich wiederum auf die Rohstoffpreise auswirken. Auch hier hat der die Nase vorne, der in größeren Mengen einkauft, sprich: Supermarktketten und Großbäcker. Und dann wäre da noch das leidliche Thema Corona. Natürlich hat sich Corona nicht negativ auf den Appetit der Kunden auswirkt, dennoch erklärt Jürgen Blaser, dass sie, wie viele Betriebe auch, Umsatzeinbußen zu verzeichnen haben. Negativ wirkten sich die Schließung der Gastronomie sowie der Wegfall von größeren Festen aus, die sie ebenfalls mit ihren Produkten belieferten. Ebenfalls ein Umstand, der die kleinen Bäckereien härter trifft als die Ketten. Klar sollte auf jeden Fall sein, dass, wenn irgendwann die letzte Bäckerei, die auf traditionelle Art ihr Brot backt, ihre Pforten schließt, auch ein gutes Stück deutsches Kulturgut verschwindet, denn nicht umsonst feiert man im Mai den „Tag des deutschen Brotes“. Tatsächlich zählt seit 2014 deutsches Brot aufgrund seiner Qualität und seiner Vielfalt zum immateriellen Kulturerbe. Damit das so bleibt, sollte man fleißig frisches Brot beim Bäcker um die Ecke kaufen, so lange es ihn noch gibt, und den Nachwuchs dazu begeistern, mit viel Handgeschick ein Brot zu kreieren und zu backen.

Text: Dennis Dirigo