Warum die Stadt eine virtuelle Ausstellung kauft und niemand davon weiß
Psst! Erinnern Sie sich noch an eine Ausstellung in der Wormser Innenstadt, in der historischen Frauen gedacht wird? Nein? Dann sind sie nicht alleine, denn auch zweieinhalb Jahre nach der Einweihung ist die Sichtbarkeit der Frauen bisher nur besonders neugierigen Kunstliebhabern vorbehalten.
Der Grundgedanke hinter der Ausstellung ist gut. Da in den meisten Städten die Erinnerungen an historische Persönlichkeiten zumeist männlich geprägt sind, so auch in Worms, konzipierte ein Künstlerinnenkollektiv ein ganz besonderes Projekt, nämlich #makeusvisible. Das geschieht allerdings nicht durch weitere Bauwerke oder Plakate, sondern durch die Nutzung digitaler Technik, mit der „Augumented-Reality-Denkmäler“ geschaffen werden. Um die Damen sichtbar zu machen, reicht ein QR- Code, der von einem Schild abgescannt werden muss. Es erscheint ein Link, den man anklickt und schon präsentieren sich virtuelle Kreationen, die sich von der Umsetzung her zwischen gewöhnungs- bedürftig und kreativ bewegen.
Fünf historische Frauen suchte man für Worms aus:
- Mathilde Geiger
- Emma Giesen
- Maria Elisabeth Kranzbühler
- Elise Blenker und
- Wilhelmine Marie Michel
Die Schilder sind über die Innenstadt verteilt und – obwohl gut sichtbar – für die meisten Menschen unsichtbar. Zumeist zeigt sich in Gesprächen immer wie- der, dass trotz Berichterstattung, Internetpräsenz und weiteren Maßnahmen die virtuelle Ausstellung für das bürgerliche Worms vielleicht zu progressiv sei. Zu fin- den ist das Projekt – neben Worms – in München und New York. Im August 2023 vorgestellt, sollte die Ausstellung eigentlich auf ein Jahr beschränkt sein, da die Kosten nicht unbeträchtlich seien, so zumindest damals die Bürgermeisterin STEPHANIE LOHR. Ab- hängig sei eine Verlängerung von der Resonanz. Das Jahr verging und die Schilder hingen immer noch. Auf der Suche nach Antworten im Umfeld von „Worms wird wow“ zeigte sich bald, dass das Projekt gekauft wurde. Kostenpunkt 15.000 Euro aus dem steuerfinanzierten Fördertopf von „Worms wird wow“.
Und das sagt die Stadt
Nun hätte man vermuten können, dass trotz ihrer virtuellen Barriere die Kunstperformance ein voller Er- folg war und ist und man sich aus diesen Gründen dazu entschied, das Projekt zu kaufen. Auf Nachfrage unseres Magazins erklärte allerdings die Pressestelle, dass eine Auswertung der Zugriffszahlen nicht vorgenommen wurde, da diese zusätzliches Geld koste. Auf die Frage, warum man sich dennoch für den Kauf entschied (inklusive der einjährigen Miete sind es rund 30.000 Euro), erklärt Pressesprecher CARSTEN SCHNEIDER-WIEDERKEHR, dass der Kunstbeirat der Stadt aufgrund der außergewöhnlichen Qualität eine Empfehlung ausgesprochen hätte.
„Die Entscheidung, an die Geschichte dieser historischen Frauenfiguren nicht in „klassischer Form“ – als Ausstellung, mit Textstelen o. ä. – zu erinnern, ist dabei sehr bewusst gefallen. Eine künstlerische Umsetzung in Form von Augmented Reality bietet für die Betrachter ein besonderes und durchaus herausforderndes Erlebnis zwischen „virtueller“ und „realer“ Welt; digitale Kunst ist auf dem Vormarsch“, so der städtische Pressesprecher. Zudem verweist er auf den innovativen Charakter der Ausstellung, der bewusst „anders“ gewählt sei. Was die Kosten angeht, so habe man im Steuerungskreis Innenstadt unter der Voraussetzung zugestimmt, dass jene 15.000 Euro der maximale Preis sein dürften.
Ob die Ausstellung nun gesehen wird oder nicht, ist wiederum für die Stadt zweitrangig. „Nutzungs- oder Zugriffszahlen sind aus unserer Sicht zur Beurteilung künstlerischer Projekte kein geeignetes Mittel, weil Kunst sich grundsätzlich nicht nach „Nützlichkeit“ bewerten lässt und das auch gar nicht soll“, führt SCHNEIDER-WIEDERKEHR aus. Es wäre dennoch zu wünschen, dass sich in Zukunft doch ein paar Menschen finden, die im virtuellen Raum fünf Wormser Frauen aus der Vergangenheit auf ungewöhnliche Art und Weise begegnen wollen. Sollten Sie neugierig geworden sein, dann beginnen Sie Ihren Rundgang am Weckerlingplatz und finden Sie heraus, wer dort auf Sie wartet.
Text: Dennis Dirigo Foto: Andreas Stumpf