Eine der wichtigsten Säulen der Demokratie ist die Schaffung maximaler Transparenz. Dazu gehört es, den Bürgern einen Einblick in die Gremienarbeit zu gewähren. Das ist natürlich jetzt schon gegeben, denn sowohl die städtischen Ausschüsse als auch die Sitzungen des Stadtrates sind öffentlich. Nun wäre der nächste konsequente Schritt gewesen, die Sitzungen per Stream im Internet oder im Offenen Kanal zu übertragen. Doch daraus wird erst mal nichts.
Die Odyssee eines Antrags
Die Geschichte hat bereits ein paar Jahre auf dem Buckel. Bereits 2017 stellte die FWG/Bürgerforum Worms einen Antrag zur Übertragung der Sitzungen im Offenen Kanal. Dieser hatte zuvor mitgeteilt, sich um die technische Umsetzung zu kümmern. Prinzipiell sprachen sich damals alle 52 Stadtratsmitglieder für mehr Bürgernähe und damit Transparenz aus, dennoch sah man einige Hürden und verwies das Thema in den Ältestenrat. Und so nahm die Odyssee ihren Lauf. Vom Ältestenrat ging es wieder in den Stadtrat, geriet in Vergessenheit und gelangte mit einem neuen Antrag vom 05.02.2020 wieder zur Diskussion in den Stadtrat. Anschließend ging es in den Haupt- und Finanzausschuss, denn schließlich ist das Projekt mit Kosten verbunden. Da es dort ebenfalls zu keiner Entscheidung kam, gab man das Thema abermals in den Ältestenrat. Dieser beschloss am 14.09., dass alle Ratsmitglieder anonym abgefragt werden sollten, wer bereit sei, einer Ton- und Bildaufzeichnung zuzustimmen. Das Ergebnis ist ernüchternd und legt den Verdacht nah, dass es einigen Mitgliedern mit Transparenz und Bürgernähe nicht ganz so ernst ist. Von insgesamt 52 Mitgliedern stimmten 16 für das Projekt, acht sprachen sich dagegen aus und ganze 28 Stadträte*innen gaben überhaupt keine Rückmeldung. Damit ist das Vorhaben vorerst gescheitert, da gemäß der Gemeindeordnung ausnahmslos alle Mitglieder für eine Übertragung zustimmen müssen. Im Digitalausschuss am 28.10. verkündete Oberbürgermeister Adolf Kessel das Ergebnis und verlas zugleich die Begründungen der Stadtverwaltung, die das Projekt aus verschiedenen Gründen ebenfalls kritisch sah. Dazu gehörten rechtliche Bedenken sowie räumliche Probleme (Platzmangel im Ratssaal, Denkmalschutzprobleme, technische Probleme). Die Kosten in Höhe von rund 21.000 Euro müsse man wiederum abwägen. Nicht minder problematisch sei eine Umsetzung im Mozartsaal, wo aufgrund der Corona-Situation derzeit die Sitzungen abgehalten werden.
Eine vertane Chance?
Software Entwickler Jonas Deichelmann, der die SPD im Digitalausschuss vertritt, zeigte sich vor allem enttäuscht von dem Umstand, dass nicht alle Mitglieder an der Abfrage teilnahmen: „Ich finde es traurig, dass nicht einmal die Hälfte der Mitglieder teilgenommen hat. Man muss schließlich auch mal neue Wege gehen“. OB Kessel vertrat die Meinung, dass es vielfältige Möglichkeiten gebe, sich über die Presse zu informieren oder einfach als Zuschauer teilzunehmen. Peter Englert, der die FWG Bürgerforum im Ausschuss vertritt, sprach von einer vertanen Chance. In einer anschließenden Pressemitteilung fand er noch deutlichere Worte: „Wer sich in ein öffentliches Amt wählen lässt und sich bei der Übertragung einer öffentlichen Sitzung in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sieht, sollte ernsthaft darüber nachdenken, ob Politik das Richtige für ihn bzw. sie ist.“ Die FWG Bürgerforum Worms verwies auch darauf, dass man mit dem Verhalten die Ehrenamtlichen des WMM (Wormser Montags Magazin) im Offenen Kanal mit Füßen treten würde. Diese hätten sich wiederholt mit einem guten Konzept und Ideen eingebracht. Alfred Koch (FDP) zeigte sich im Digitalausschuss zwar auch enttäuscht von der geringen Beteiligung, äußerte aber auch die Hoffnung, dass das Thema irgendwann nochmals eine Chance erhält. Andere Kommunen haben längst diese Chance ergriffen. Was in Worms derzeit noch Utopie ist, gehört in den rheinland-pfälzischen Städten Speyer, Koblenz, Trier und Landau schon seit geraumer Zeit zum demokratiefreundlichen Alltag. Dort kann man es sich mit einer Pizza vor dem Fernseher bequem machen, um entspannt zu lauschen, wie die Stadträte die Zukunft der Stadt gestalten.