„Jede Nacht um halb eins, wenn das Fernsehen rauscht Leg ich mich aufs Bett, und mal mir aus, Wie es wäre, wenn ich nicht der wäre, der ich bin Sondern Kanzler, Kaiser, König oder Königin.“
Entweder fragen Sie sich jetzt ganz verzweifelt, woher dieses Songzitat stammt oder Sie haben für den Rest des Tages einen sehr großen Ohrwurm. Im zweiten Fall ist mit Ihrem Musikgeschmack definitiv alles in Ordnung. Der Rest muss kurz nachsitzen….
Liebe Leser, schon wieder ist ein Monat vorbei und rein klimatisch befinden wir uns endlich an der Schwelle zum langersehnten Sommer, wobei uns schon sehr früh viele Sonnenstrahlen für ein kurzes Aufblühen geschenkt wurden. Worms trifft es in der Regel mit dem Wetter immer sehr gut, ich weiß wovon ich spreche, denn ich bin jeden Sommer in Bad Hersfeld und das ist schließlich überall als „Hessisch-Sibirien“ bekannt. Auch jetzt im Augenblick, während ich diese Zeilen schreibe, ist das Wetter unterirdisch. Das Rui- nenthermometer zeigt stolze 8° Celsius, während wir hier versuchen, einen würdevollen Sommernachtstraum nach Shakespeare zu produzieren. Da lobe ich mir doch mein Worms. Ge- nau die Stadt, die laut einiger Kommentatoren auf sozialen Netzwerken scheinbar irgendwas zwischen Sin-City und dem zweiten Tor zur Hölle sein soll, in dem es ausschließlich früher (also irgendwann in diesen ominösen 1980er Jahren, bei denen man allerdings auch schnell vergisst, dass da nicht alles toll war.) so richtig schön war und davon heute ja rein gar nichts mehr übrig sei. Man könnte dazu auch die tägliche Facebook-Wurst sagen.
Mir persönlich ging es da im Mai schon anders. Ich erinnere mich an einen tollen sonnigen Samstag, an dem sich schier die halbe Stadt nach den Marktwinzern am Gammi traf und die beiden Verkehrshäuschen sehr kräftig belebten. Ungefähr eben dieses Italien-Piazza-Gefühl, welches in Frederico Fellinis Filmen beschrieben wird. An diesem Abend habe ich mir gedacht: Lass jetzt mal ein paar Touris oder Erstsemesterstudenten durch Worms ziehen, da kann man nur denken, man sei in der geilsten Stadt der Welt gelandet. Hier war ja auch schließlich schon irgendwie alles, was Rang und Namen hatte. Vor allem ganz früher war Worms der absolute place to be. Kaiser Friedrich II hei- ratete hier, Karl der V. berief hier den berühmten Reichstag ein, König Richard Löwenherz lernte das Café Viereck im Luginsland kennen und Barbarossa fand es in Worms auch ganz nett. Aus diesen Gründen gibt es in Worms jetzt auch einen Thron direkt am Weckerlingplatz, den sich der Künstler Eichfelder ausgedacht hat, damit jeder mal Kanzler, Kaiser, König oder Königin sein kann. Der Thron wurde übrigens direkt von den Rotariern bezahlt und kein Steuergeld ist dafür „verschwendet“ worden, wie so viele immer wieder vermuten. Ich sage einfach Danke, denn es ist allemal besser, einen Thron zu haben, als keinen Thron zu haben. Da können Meckerer noch so sehr an der Idee rumnörgeln – am Ende setzt sich doch der durch, der sich auch mal hinsetzt. Im Theater heißt es immer „die Anderen spielen den König“. Endlich kann das hier wörtlich genommen werden. Schließlich wurde es uns ja auch in der Bierwerbung der 90er Jahre eingetrichtert, dass heute jeder ein König sein kann.
Wer jetzt Lust auf ein Bier hat, dem kann ich entgegenrufen, dass man in Worms eigentlich nicht lange auf dem Trockenen sitzt. Es sei denn, man ist ein städtischer Brunnen, dann kann das schon mal eine Weile dauern, aber auch da wissen sich die Wormser jetzt selbst zu helfen und kümmern sich mit Initiative und Spenden einfach selbst drum. Denn Brunnen gehören eben zum Sommer, wie schöne Nächte am Gammi, Jazz and Joy und der Mitter- nachtsdöner in der KW.
In diesem Sinne, bis nächsten Monat! Jim Walker jr.
PS: Der Song war natürlich „König von Deutschland“ von Rio Reiser.