Am 23.02. war die Bundestagswahl und ehrlich gesagt bin ich froh, dass es endlich vorbei ist! Ich konnte es am Ende einfach nicht mehr hören und einige Äußerungen der Spitzenpolitiker klangen in etwa so, als hätte es gerade frischen Autolack zur Verköstigung gegeben. Kann man dieser Tage eigentlich noch irgendwie unpolitisch sein? Gibt es denn irgendwelche anderen Themen, die vielleicht mit Glück und Sonnenschein in Verbindung stehen? Irgendwas Schönes?

Liebe Leser,

keine Politik. Aber was erzähle ich stattdessen? Meinen Alltag? Meine Arbeit? Versuchen wir‘s. Auf meiner Arbeit suche ich gerade Statisten für das Stück „Ronja Räubertochter“ und sortiere fleißig Bewerbungen. Wenn Sie 18 sind und tanzen können, nur zu. Nee, das taugt nicht zur Kolumne. Versuchen wir es mit Alltag: Gerade baue ich in meinem Elternhaus ein Metallgästebett auf und fluche über viel zu kleine Gewinde- schrauben, die partout nicht in die Stangen passen wollen. Das Ganze mache ich, damit die Pflegebetreuerin meines Vaters hier ab und an schlafen kann. Klar, ich könnte jetzt natürlich eine Kolumne über die Zustände im Gesundheitssystem verfassen, einfach schockiert sein und allen raten, es hoffentlich nie für größere Dinge zu gebrauchen, aber das ist ja auch wie- der nur negativ. Nee, also auch nicht. Boah. Hat die Stadt nicht irgendwo ein paar Mülleimer getauft? Der Wormser Elvis endlich einen Auftritt in einer Fernsehshow? Irgendwas, womit ein mittelbegabter Kolumnist mal etwas anfangen könnte. Der einzige Elvis in einer Fernsehshow, die ich durch Zufall gesehen hatte, war natürlich Markus Söder. Ja, der Interpret vom „Winter Wunderland“, der nebenbei noch Ministerpräsident von Bayern ist. Also schon wieder Politik. Grrr. Es scheint nicht zu helfen. Die Bundestagswahl war wohl doch das entscheidende Thema. Verdammt.

Was war an diesem Wahlkampf eigentlich am Gruseligsten? Die Spitzenkandidaten von CDU und SPD? Davon einer jetzt Ex-Kanzler und der andere wohl zukünftiger Kanzler? Oder die Tatsache, dass der komplette Wahlkampf auf die Karnevalssaison fiel? Für mich persönlich sind die Stimmenzuwächse der AfD erschreckend, aber auch eine große Warnung. Politik holt einen großen Teil der Menschen nicht mehr ab oder wirkt unverständlich. In Osthofen hatte die AfD 36%, in Worms sehr deutlich über 20%. Wie geht man damit um, dass so viele Menschen be- reit sind, eine rechtsextreme Partei zu wählen, die wie eine Erfindung aus einer schlechten

„Black Mirror“ Folge wirkt?

Meine sozialen Medien waren wieder voll und unterschiedlicher hätte es nicht sein können. In Instagram war alles voll davon, warum Fritze Merz eher so der Mr. Burns Typ ist und natürlich ganz viel Anti-AfD Werbung. Facebook wieder- um war in den Kommentarspalten von irgend- welchen blauen Herzen, „Nur noch AfD“ und je- der Menge zweifelhaften Beiträgen gefüllt, die keinerlei Prüfung standhalten. Ein Problem wird dadurch schon deutlich. Es gibt ein „Die und Wir“, eine Volksfront von Judäa und die judäische Volksfront. Es ist richtig und wichtig, Haltung zu zeigen, aufzuklären und deutlich zu machen, dass die Ideen und Machtfantasien der AfD einfach nur populistisch sind. Ein Tummelbecken für Neonazis an entscheidenden Stellen innerhalb der Partei. Und trotzdem dürfen wir nicht canceln! Wir müssen diskutieren, bilden und überzeugen. Auch mit greifbarer naher Politik. Im Moment haben wir eine Bubble, die sich gegenseitig versichert, nicht die AfD zu wählen und Hardliner, die jeden noch so kleinen Facebook Beitrag mit ihren Ergüssen füllen. Wir müssen diese Menschen zur Demokratie zurückholen, in den Schulen jeden Tag von früh bis spät „Schindlers Liste“ zeigen und bei Gelegenheit ganz schnell Ödon von Horváths „Italienische Nacht“ lesen. Da kommen wir ansonsten nämlich raus.

Auch die Medien (ja, auch das WO!) stehen in der Pflicht, für Aufklärung und Diskussion zu sorgen.  Wir warten auf den Skandal, die nächste Eilmeldung und natürlich ist es leichter, jemanden fertig zu machen, statt „gut gemacht“ zu sagen. Ein Autounfall ist gut für die Auflage. Der Verrat immer noch beliebter als der Verräter.

So, das hatte sich lange aufgestaut, wer mehr über den Zusammenbau des Bettes wissen will, der schreibe mir gerne.

Bis nächsten Monat. Jim Walker jr.

PS: Im nächsten Monat geht es ganz sicher nicht um Politik, stattdessen werde ich eines der größten Geheimnisse in der Geschichte des WO! Magazins enthüllen.