Wer in den Achtzigern aufgewachsen ist, der hatte es einfach. Da gab es klare Feindbilder. Wenn Rocky Balbao gegen Ivan Drago in „Rocky IV“ gekämpft hat, dann war der Russe der Böse und der Amerikaner (mit italienischen Wurzeln) der Gute. Damals herrschte Kalter Krieg und man hatte als Heranwachsender in erster Linie Angst vor einem Atomkrieg zwischen Russland und Amerika; mit Deutschland irgendwie mittendrin als Grenze zum Osten. Dann kam Gorbatschow und mit ihm Perestroika. Alles entspannte sich, an den Grenzen fielen sich wildfremde Menschen in die Arme, Deutschland wurde wiedervereinigt, die DDR fiel zurück an den Westen, es wurde scheinbar kräftig abgerüstet und man wähnte sich jahrelang in einer Zeit des Friedens. Womöglich des trügerischen Friedens, denn in dieser Zeit dehnte sich die NATO (zu der auch Deutschland und die USA gehören) immer mehr nach Osten aus, bis der Russe Putin im Zuge der Unruhen in der Ukraine bei dem Thema Krim irgendwann gerufen hat: „Bis hierhin und nicht weiter….“ Deshalb ist es derzeit fast sogar schlimmer als in den 80ern, zu Zeiten des Kalten Krieges. Das Verhältnis zwischen Russland und Amerika ist merklich abgekühlt. Obwohl Angela Merkel als Kind des Ostens tendenziell eigentlich eher zu Russland halten müsste, hat sich die Kanzlerin auf die Seite des Nato-Partners USA geschlagen, die gemeinhin noch als unsere Freunde und Befreier gelten, die uns einst vor dem Nazi-Regime gerettet und Deutschland die Demokratie zurückgegeben haben. Aber da man seine Freunde normalerweise nicht belauscht, abhört und deren Daten speichert, ist dieser Status zumindest wert, noch einmal neu überdacht zu werden. Sicherlich wirkt ein Barack Obama auf den ersten Blick smarter, charmanter und irgendwie auch vertrauenserweckender als ein Wladimir Putin. Aber hat Putin deswegen Unrecht? Und ist Obama, der 2009 bei Amtsantritt das umstrittene Gefangenlager Guantanamo Bay auf Kuba abschaffen wollte, obwohl auch heute noch Menschen dort gefoltert werden, tatsächlich im Recht, Sanktionen gegen Russland zu fordern? Ist Obama, der zeitweise mehr Lust am Kriege führen entwickelt hat als sein unsäglicher Vorgänger George W. Bush, tatsächlich der Messias gewesen, der die Welt friedlicher gemacht hat und dafür etwas voreilig sogar einen Friedensnobelpreis erhalten hat? Als besagter George W. Bush seinerzeit zum Krieg gegen Al Qaida aufgerufen hat, gab er die Losung aus: „Ihr seid entweder für uns oder die Terroristen!“, was die indische Schriftstellerin Arundhati Roy wie folgt kommentierte: „Da können wir dankend abwinken, er soll wissen, dass die Welt nicht zwischen einer böswilligen Mickey-Maus und wildgewordenen Mullahs zu entscheiden braucht.“ Wie verhalten wir uns aber, wenn die Welt irgendwann zwischen einem Wolf im Friedensnobelpreiskostüm und einem Vegetarier, der nackt auf Pferden reitet, entscheiden muss? 2014 war zweifelsohne ein Jahr, in dem das Weltbild vieler Menschen ins Wanken geriet.