Pestel-Institut legt Wohnungsmarkt-Analyse vor

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In Worms muss dringend gebaut werden. Worms braucht bis 2028 pro Jahr den Neubau von rund 400 Wohnungen. Diese Wohnungsbau-Prognose für die kommenden vier Jahre hat das Pestel-Institut in einer aktuellen Regionalanalyse zum Wohnungsmarkt ermittelt.

Matthias Günther vom Pestel-Institut spricht von einem „lahmenden Wohnungsneubau, dem mehr und mehr die Luft ausgeht“. So gab es in den ersten fünf Monaten dieses Jahres nach Angaben des Pestel-Instituts in ganz Worms lediglich für 48 neue Wohnungen eine Baugenehmigung. Zum Vergleich: In 2023 waren es im gleichen Zeitraum immerhin noch 95 Baugenehmigungen. Das entspricht einem Rückgang von 49 Prozent. Ein großes Problem stellt in Worms die Situation dar, dass es zwar ein Defizit an Wohnungen gibt, aber gleichzeitig laut aktuellem Zensus rund 2.000 Wohnungen leer stehen, die nicht genutzt werden. Das seien 4,5 Prozent vom gesamten Wohnungsbestand in der Stadt.

Mehr als die Hälfte dieser Wohnungen stehen seit über einem Jahr leer. „Dabei geht es allerdings oft um Wohnungen, die auch keiner mehr bewohnen kann. Sie müssten vorher komplett – also aufwendig und damit teuer – saniert werden“, erklärt Günther. Das Pestel-Institut hat die Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) durchgeführt. Für dessen Präsidentin macht die Untersuchung eines deutlich: „Es ist eine Milchmädchenrechnung, die leerstehenden Wohnungen gegen den aktuellen Bedarf an Wohnungen gegenzurechnen. Das funktioniert so nicht.

Politiker, die das gerade versuchen, betreiben Augenwischerei“, sagt Katharina Metzger. Sie erteilt damit der Aufforderung von Klara Geywitz (SPD) eine klare Absage. Die Bundesbauministerin hatte zuletzt den Menschen, die eine Wohnung suchen, geraten, aufs Land zu ziehen. Dagegen kommt das Pestel-Institut zu dem Fazit, dass am Neubau von Wohnungen in Worms kein Weg vorbeiführt.

Wieder „einfacher bauen“

Für die Verbandschefin vom Baustoff-Fachhandel steht fest: „Der Wohnungsbau ist auch in Worms das Bohren dicker Bretter.“ Um voranzukommen, fordert Metzger, die Baustandards zu senken: „Einfacher bauen – und damit günstiger bauen. Das geht, ohne dass der Wohnkomfort darunter leidet. Andernfalls baut bald keiner mehr.“ Es müsse ein „starkes Abspecken“ bei Normen und Auflagen geben – im Bund, bei den Ländern und Kommunen. Katharina Metzger warnt: „Am Ende stoppen überzogene Förderkriterien, Normen und Auflagen den Neubau von Wohnungen – von hoch geschraubten Klimaschutzmaßnahmen, ohne die es keine Förderung gibt, bis zu Stellplätzen, ohne die erst gar nicht gebaut werden darf.“

Scharfe Kritik richtet Metzger an den Bund: „Es passiert zu wenig. Und was jetzt passiert, kommt zu spät. Wer 400.000 Neubauwohnungen – darunter 100.000 neu gebaute Sozialwohnungen – im Wahlkampf verspricht und im Koalitionsvertrag festschreibt, der darf nicht erst ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl wach werden.“ Ohne eine deutlich stärkere staatliche Unterstützung würden weder der notwendige Neubau noch die Sanierungen von Wohnungen im erforderlichen Umfang gelingen.

Kritik an der Politik

Außerdem kritisiert Metzger gemeinsam mit den Wissenschaftlern vom Pestel-Institut den geplanten Bundeshaushalt für 2025: Darin fehlten dringend notwendige Fördermittel für den Wohnungsneubau – allen voran für den sozialen Wohnungsbau. Der benötigt nach Berechnungen des Pestel-Instituts mindestens 12 Milliarden Euro pro Jahr von Bund und Ländern. Der Bund stelle für 2025 jedoch lediglich 3,5 Milliarden Euro bereit. Auch die Perspektive sei schlecht: Bis 2028 wolle die Bundesregierung Sozialwohnungen mit weniger als 22 Milliarden fördern. „Das reicht hinten und vorne nicht. Und es ist ein willkürlich gegriffener Zeitraum, um eine vermeintlich hohe Milliardensumme in den Raum zu stellen.

Doch die Wahrheit dahinter ist: Der soziale Wohnungsbau wird bei dieser Bundesregierung auch weiter auf der Strecke bleiben. Das müssen die Menschen den heimischen Bundestagsabgeordneten in Worms jetzt klarmachen. Nur wenn es massiven Druck vor Ort gibt, werden diese und die kommende Bundesregierung begreifen, wie ernst die Lage ist“, sagt Katharina Metzger. Aktuell erlebe die Wohnungsbau-Branche „einen regelrechten Absturz“. Viele Unternehmen hätten bereits Kapazitäten abbauen müssen. „Die Neubau-Zahlen gehen in den Keller. Mauerstein-Hersteller zum Beispiel schließen Werke. Die Entlassungswelle rollt: Der Bau verliert Beschäftigte – darunter gute Fachkräfte. Dabei ist das das Letzte, was sich Deutschland jetzt erlauben darf“, so Katharina Metzger.

Die Verbandspräsidentin des Baustoff-Fachhandels warnt gemeinsam mit dem Pestel-Institut vor einer „Absturz-Spirale beim Wohnungsneubau“. Die Situation sei fatal: „Wohnungsnot trifft auf Nicht-Wohnungsbau. Diese toxische Entwicklung muss dringend gestoppt werden.“ Denn Wohnungsmangel schaffe soziale Spannungen. „Wenn sich Menschen wochen- und monatelang um eine neue Wohnung kümmern müssen, dann braut sich da etwas zusammen. Das ist Gift für das soziale Miteinander in der Gesellschaft“, so Katharina Metzger.

Text: Frank Fischer 

Archivfoto WO!