WO! Die Messe kam bei den Besuchern sehr gut an. Wie kam diese eigentlich zustande? Es war schließlich das erste Mal, dass in Rheinland-Pfalz eine Messe zu diesem Thema stattfand…

Stephan Wilhelm: Das Thema E-Mobilität begleitet uns seit langem. Es ging los, als EWR sein 100-jähriges Bestehen feierte, da wurden E Fahrzeuge angeschafft. Nachhaltigkeit ist für uns ein großes Thema, weswegen wir nach und nach unseren Fuhrpark umgestellt haben. Der nächste Schritt waren dann logischerweise die dazugehörigen Ladesäulen, inklusive der Infrastruktur. Da sind dann weitere Fragen wie „Wo tanke ich, wenn die Ladesäule zugeparkt ist?“, „Wo liegt eigentlich die nächste Ladestation?“ oder „Welche Nutzfahrzeuge gibt es bereits?“ Aus dieser Überlegung „Was ist notwendig, wie können wir einen Umstieg sorgfältig planen?“ ist die Idee der E Mobilitätsmesse entstanden.

Günter Reichart: Wie der Kollege schon sagt, seit 2010 sind wir auf dem Geschäftsfeld unterwegs. 2011 waren es 100 E-Bikes zum 100-Jährigen, die wir beim Rheinradeln vorstellten. 2012 kam dann die erste mobile E-Kartbahn. Wir begannen schließlich darüber nachzudenken, wie man das Thema weiterentwickeln müsste. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es unterschiedliche Stecker- Normen, weshalb ein größeres Engagement beim Ausbau von Ladeinfrastruktur wenig Sinn machte. Nachdem sich das änderte und es endlich bundesweit ein einheitliches System gab, begannen wir, das Thema stärker zu verfolgen. Mittlerweile gibt es rund 150 Partnerunternehmen, die das gleiche System wie wir benutzen. Und so hat sich das dann sukzessive weiter entwickelt. Ich denke, wir haben mit der Messe den Nerv der Zeit getroffen.

WO! Im Moment sind E-Autos noch ziemlich teuer. Was spricht aus ihrer Sicht dafür, dass ein Normalkunde auf E-Mobility umstellt?

Stephan Wilhelm: Natürlich ist es für den Privatkunden immer noch eine Frage der Investitionshöhe im Vergleich zum konventionellen Fahrzeug. Die Anschaffung ist zwar teurer, aber es stellt sich auch die Frage, wie man das Auto nutzen wird. Je nachdem, wie lange der Kunde das Fahrzeug nutzt, rechnet es sich wirtschaftlich durchaus. Die Leasingraten sind heute deutlich niedriger als vor fünf Jahren, da mussten wir selbst noch für das ein oder andere Fahrzeug über 1.000 Euro an Leasingraten für ein monatliches Invest aufbringen. Heute liegen sie zwischen 250 bis 350 Euro.

WO! Was viele Leute immer noch abschreckt, ist der Umstand der mangelnden Reichweite.

Stephan Wilhelm: Das stimmt heutzutage nicht unbedingt mehr. Der E-Golf hat zum Beispiel eine Reichweite von 450 Kilometern. Im Moment sind auch viele Hybrid Fahrzeuge unterwegs, für die das auch nicht gilt. Das ist übrigens auch ein gutes Beispiel, dass sich ein E-Auto gegenüber einem konventionellen Auto rechnet. Wenn man z.B. diesen Golf leasen würde, zahlt man vermutlich 320 Euro im Monat. Dafür brauchen Sie allerdings keinen Kraftstoff mehr. Sie brauchen zwar Strom, der kostet aber nur ungefähr ein Drittel. Wenn ich jetzt hochrechne, komme ich irgendwann an den Breakeven, wo ich feststelle, dass ich günstiger unterwegs bin als mit einem klassischen Verbrennungsmotor.

WO! Was kostet derzeit eine Stromladung? Wir haben gelesen, dass Sie eine Flatrate für 25 Euro anbieten. Es ist für uns kaum vorstellbar, dass dies die Gesamtkosten für einen kompletten Monat sein können?

Günter Reichart: Die Flatrate ist auf 1.000 kWh im Jahr begrenzt. Alles darüber hinaus wird individuell in Rechnung gestellt.

WO! Ist so ein günstiger Strompreis langfristig zu halten? Seit vielen Jahren ist der wachsende Stromhunger weltweit ein großes Thema. Wir befinden uns inmitten der Energiewende, mit dem Ziel, unseren Strombedarf ausschließlich mit regenerativen Energiequellen abzudecken?

Günter Reichart: Natürlich wird es mit der Zeit immer wieder neue Kalkulationen geben müssen. Das heißt, der Preis wird sich weiterhin volatil verhalten.

WO! In den Sondierungsgesprächen der angedachten Jamaika-Koalition wurde darüber diskutiert, dass der Verbrennungsmotor bis 2030 auslaufen soll. Ist das realistisch?

Stephan Wilhelm: Das ist für uns schwer einzuschätzen. Natürlich macht E-Mobilität flächendeckend nur Sinn, wenn wir unseren Energiebedarf ausschließlich nachhaltig abdecken können. Es macht keinen Sinn, aus Polen Atomstrom zu kaufen und hier mit dem E Auto durch die Gegend zu fahren. Deshalb gehört zu dem Wachstum von E-Fahrzeugen das Wachstum erneuerbarer Energiequellen dazu. Das muss sich miteinander entwickeln.

Günter Reichart: 2030 ist als Zahl komplett unrealistisch. Heute sind 45 Millionen Fahrzeuge in Deutschland unterwegs. Und davon Fünfunddreißigtausend rein elektrisch. Die Zielsetzung von einer Million Fahrzeuge hat man auf der Zeitschiene für 2025 fixiert. Wenn die Politik jetzt sagt, ab 2030 sollen nur noch E-Autos oder Hybrid Autos unterwegs sein, halte ich das vorsichtig formuliert für sehr anspruchsvoll seitens
der Politik. Natürlich wird es einen exponentiellen Anstieg geben, was wir mit den E Bikes derzeit auch erleben.

WO! Politiker müssen sich allerdings daran messen lassen, was sie sagen, wenn sie tatsächlich solche Ziele vorgeben…

Stephan Wilhelm: Politik ist natürlich abhängig von denen, die am Ende diese umsetzen. Man muss im Moment deutlich sagen, dass wir auch in Deutschland alle Klimaziele verfehlt haben. Die Politik könnte im Grunde jetzt schon den Diesel und den Benzinmotor verbieten. Würde man aber nicht tun. Es ist ja kein Geheimnis, dass die Automobilhersteller an herkömmlichen Autos noch viel Geld verdienen. Im Moment ist es auch so, dass man sich die Frage stellen muss, ob das E-Fahrzeug mit seiner Batterie bei der Ökobilanz auch gut ist? Wenn man statt 10.000 Fahrzeugen irgendwann 10 Millionen Fahrzeuge im Jahr produziert, dann sieht die Welt völlig anders aus. Deswegen fällt der Umstieg vom Verbrennungsmotor auf E Motor noch so schwer. Aber wenn wir spüren, dass Klimaschutzziele nicht eingehalten werden und das nächste Rheinhochwasser Überschwemmungen mit Millionenschäden in den Innenstädten verursacht, dann muss die Regierung handeln. Dann wird’s auch gehen und in der Eifel wird keiner sagen: „Ich will kein Windrad!“

WO! Viele Endkonsumenten sehen die Energiewende auch kritisch, weil diese letzten Endes auch eine Teuerung des Lebens bedeutet. Gibt es eine Perspektive, dass der Strompreis nicht ins Unermessliche steigt?

Stephan Wilhelm: Die Frage wird auch sein, wer zahlt die erneuerbare Energie? Es gibt Vergleiche zu den Investitionen in Atomkraftwerke. Wenn der Staat heute so viel Geld in erneuerbare Energien stecken würde, wie er damals in Atomkraftwerke gesteckt hat, wären wir heute ein ganzes Eck weiter. Jetzt hat man die Last auf die Bevölkerung runter gebrochen und gesagt, erneuerbare Energie muss mit dem Strompreis mit bezahlt werden. Und so spürt es der Bürger direkt.

Günter Reichart: Momentan ist nicht zu erkennen, dass es günstiger wird. Vielleicht kann es mal eine Wende geben, wenn sich noch mehr Erzeugungsdezentralität und damit verbundene Autarkie sowie die Themen um die Speichertechnologien gelöst sind, aber das wird die Zukunft zeigen.

Stephan Wilhelm: Wenn man sich die Strompreisentwicklung anguckt und den staatlichen Teil rausrechnet, dann ist der Strompreis einigermaßen stabil.

Günter Reichart: Ja, die staatlich reduzierten Abgaben und Steuerabgaben liegen heute bei über 50%.

WO! Diese Entwicklung klingt, als könnte Autofahren irgendwann zum Luxus werden?

Stephan Wilhelm: Bis der Strompreis fürs Auto auf dem Niveau des bisherigen Kraftstoffs ist, das dauert noch. Der müsste bis dahin um das Dreifache steigen. Ich glaube, Autofahren selbst wird nicht teurer in Zukunft, aber das Interesse geringer.

WO! Wahrscheinlich wird langfristig aufgrund der Verkehrsdichte sowieso ein Umdenken stattfinden müssen…

Stephan Wilhelm: Ich denke, dass gerade bei jüngeren Menschen bereits ein Umdenken passiert. Ich habe ganz viele in meinem Bekannten- und Verwandtenkreis, die denken gar nicht darüber nach, einen Führerschein zu machen. Für mich war es die Freiheit, endlich Auto zu fahren.
Zur Energiewende gehört auch eine Mobilitätswende. Das impliziert, dass man den Individualverkehr neu definieren muss. Also das ganze Modell des Individualverkehrs heißt nicht Strom ersetzt Benzin, sondern das Modell heißt Individualverkehr wird ersetzt durch komplett neue Modelle des Fahrens oder des Bewegens. Ob das jetzt Car Sharing Modelle sind oder kommunalpolitische Großraumtaxen oder Schienenideen, das ist alles noch völlig offen.
Wir möchten aber auch klar sagen, dass unser Geschäftsmodell, unser Engagement bei der E Mobilität zwar mit Nachhaltigkeit, mit gesellschaftspolitischen Themen zu tun hat, aber es hat natürlich auch damit zu tun, dass wir erkennen, dass ein Autohändler, der ein E Auto verkauft, am Ende auch Strom mit verkauft und damit in unser Geschäftsfeld eintritt. Deswegen kümmern wir uns schon frühzeitig um dieses Thema. Natürlich wollen wir, dass der Kunde uns im Hinterkopf hat, wenn er beim Autokauf gefragt wird: „Wollen Sie auch einen Stromvertrag?‘‘ Dass er dann sagt: „Nein, wir sind beim EWR, die kümmern sich gut um uns. Die haben eine Flat und eine Wallbox und so weiter“. Unsere Kernkompetenz ist schließlich Infrastruktur und Strom. Insofern ist es natürlich auch eine Strategie, dieser Veränderung Stand zu halten, auch mit am Tisch zu sitzen.

WO! Man könnte auch sagen: Sie sind die Tankstellenbetreiber der Zukunft.

Stephan Wilhelm: Aber das Modell wird die Tankstelle so nicht brauchen. Sie fahren nach Hause, hängen Ihr Auto nachts irgendwo dran oder stecken es auf der Arbeit irgendwo dran. Der normale Ladevorgang wird zu Hause stattfinden. Oder wenn ich mal eine Stunde einkaufen gehe, stecke ich das bei Kaufland rein.

WO! Was kostet aktuell eine Ladestation für den Haushalt?

Günter Reichart: 700 Euro. Die kleine Box. Das ist aber auch abhängig von der Leistung. Plus Installation.

WO! Wird es im kommenden Jahr eine Wiederholung der E-Mobility Messe geben?

Stephan Wilhelm: Es gab nach der Messe ein reges Interesse unterschiedlichster Gruppen, so dass eine Wiederholung wahrscheinlich ist. Ob die allerdings wieder in Worms stattfindet, ist nicht klar, da es auch Anfragen aus anderen Städten gab.

WO! Wir danken Ihnen für das Gespräch!

Das Gespräch wurde geführt von: Dennis Dirigo und Frank Fischer