23. Juni 2017 | Nationaltheater Werkhaus Studio in Mannheim:

1804 fasste der Dichter Friedrich Schiller den Gedanken, in dem Stück „Demetrius“ den Sturz des 1605 selbstgetöteten Zaren Boris Godunov zu thematisieren. Das Stück blieb allerdings unvollendet. Die beiden Autoren Aljoscha Begrich und Tobias Rausch dachten den Entwurf weiter und beschäftigten sich mit der Frage: Wie funktioniert Revolution?

Das Ergebnis ist ein faszinierendes Experiment, das sich zuweilen ein wenig zu akademisch anfühlt, was auch an dem stilistischen Bruch nach knapp 45 Minuten liegt. Bis dahin spielt das vierköpfige Darstellerensemble Schillers Fragment, in dem der Möchtegern Zar Demetrius darüber sinniert, wie er den verhassten Boris Godunov, den er für illegitim hält, stürzen kann. Das Kuriose daran ist, dass Demetrius, der sich als verlorener Sohn des verstorbenen Zaren Iwan IV ausgibt, genauso wenig legitimer Thronfolger ist. Ohne eigene Armee dastehend, diskutiert er, wie er das polnische Volk zu einem Aufstand gegenüber Russland bewegen kann. Der Weg führt erstmal in die Ratlosigkeit. An dieser Stelle wagt das Stück den Sprung in die Gegenwart und konfrontiert die vier Protagonisten mit einer Revolutionsberaterin, die ihnen, und auch dem Publikum, eindrucksvoll vor Augen führt, wie man einen Machtwechsel inszeniert. Exemplarisch wird immer wieder auf die anfangs friedlichen Massenbewegungen in der Ukraine, Ägypten und Syrien verwiesen. Demetrius lernt, dass alles seinen Preis hat und der Satz, „die Revolution frisst ihre Kinder“, nicht einfach nur ein Spruch ist. Der wahre Demetrius (Dimitri alias Gregori Otrjopew) wurde nach erfolgreicher Revolution von seinem Volk getötet, da er sich vom vorherigen Machthaber auch nicht unterschied und genauso korrupt war.

FAZIT: Das klingt erstmal sehr theoretisch. Dass das Stück dennoch nicht zur schlaumeierischen Vorlesung verkam, lag an den herausragenden Darstellern und dem Timing der Autoren und Regie, die Inszenierung immer wieder durch Ironie und Situationskomik aufzulockern. Ein absolut sehenswertes und lehrreiches Stück. Am Ende fasst es Darsteller Julius Forster treffend zusammen: „Freiheit gibt es nur im Reich der Träume!“