Worms wächst, und damit wächst auch der Bedarf an Wohnraum, vor allem bezahlbarem. Zum 31.12.16 zählte die Stadt Worms 85.619 Einwohner, Tendenz steigend. Weil auch der Politik das Problem bewusst ist, erhob Oberbürgermeister Kissel das Thema zur Chefsache und verkündete den vollmundig betitelten „Masterplan Wohnen“. 2016 erstmals präsentiert, sieht der Plan die Schaffung von zusätzlichen 2.500 Wohnungen in einem Zeitraum von zehn Jahren vor. Eine besondere Bedeutung kommt vor allem dem sozialen Wohnungsbau zu, dessen Anteil bei 25% liegen soll.
OB Kissel ist klar, dass er an diesem Projekt gemessen werden wird und setzte zu Beginn vor allem darauf, Investoren nach Worms zu locken. Die kamen auch, wobei es, wie im Falle der anspruchsvollen Bebauungspläne „Gerbergasse“, wohl noch dauern wird, bis geliefert wird. Klar sollte auch sein, dass der anvisierte soziale Wohnungsbau bei Investoren eher keine große Rolle spielen wird. Schwierig wird es allerdings, wenn die Stadt selbst Grundstückspreise in die Höhe treibt, was sie mit der Versteigerung von Grundstücken am Stadtkrankenhaus tat. Für die Kassen war es ein voller Erfolg, wurden doch die Grundstücke allesamt deutlich über dem eigentlichen Marktwert verkauft. Im Hinblick auf bezahlbaren Wohnraum war dies aber eher eine Niederlage. Als sei sich die Stadt dieses Umstandes bewusst, verkündete man bald darauf die Schaffung von Reihenhäusern in der Carl-Villinger-Straße, die im Laufe des Sommers 2018 bezugsfertig sein sollen. Umgesetzt wird das Projekt von der Wohnungsbau GmbH, die hauptanteilig der Stadt gehört. Zwanzig Häuser mit Stellplätzen entstehen hier, die für Familien finanzierbar sein sollen. Aktuell läuft noch das Bewerbungsverfahren bis zum 31. Januar 2018.
Schlechte Einkommen, günstige Wohnungen
Insgesamt kommt der Wohnungsbau GmbH eine gewichtige Schlüsselrolle in dem Masterplan zu. Die städtische GmbH ist mit 3.652 Wohnungen der größte Immobilienbesitzer in Worms. Ein Großteil der Wohnungen gehört zum sogenannten sozialen Wohnungsbau. Das ist aber bei weitem nicht ausreichend. Ende 2016 waren auf der Warteliste 1.500 Namen registriert. Es darf angenommen werden, dass die Zahl gegenwärtig nicht viel niedriger ausfallen dürfte. Während Bundespolitiker gerne darüber reden, wie gut es uns allen geht, wird gerne vergessen, dass es einem großen Teil nicht sonderlich gut geht. Besonders in Worms wird das deutlich, wenn man die Arbeitsmarktzahlen unter die Lupe nimmt. 9.000 Menschen haben nach Angaben der Agentur für Arbeit in Worms einen Teilzeitjob. Das betrifft mehrheitlich Frauen, von denen viele alleinerziehend sind. Zusätzlich waren 4.568 Menschen unterbeschäftigt. Das Ganze addiert sich noch um die Zahl der Rentner und über 58-jährige Hartz IV Bezieher und Asylsuchende. Die meisten von ihnen sind auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen. Während der Mietzins für Worms derzeit bei 8,53 Euro liegt (im Sommer lag er noch bei 7,40 Euro), gilt für sozialen Wohnungsbau ein Quadratmeterpreis von 5,16 Euro. Ein wenig attraktives Geschäft für Investoren. Die sehen ihr Geld rentabler in Eigentumswohnungen angelegt. Die mit großem Eifer angekündigte Mietpreisbremse verschaffte ebenfalls keine Entspannung am Wohnungsmarkt. Ein Punkt, an dem wohl oder übel die überschuldete Stadt einspringen muss. Im vergangenen Jahr verlängerte die Stadt – durch den Erwerb von Belegungsrechten – die Wohnraumbindung, die normalerweise nach 25 Jahren erlischt. Dadurch ist das Mieten für weitere zehn Jahre nur mit Wohnberechtigungsschein möglich. Zwanzig Wohnungen konnten so erhalten werden. Ein kleiner Anfang.
Die Stadttochter springt ein
Gerade als die ersten Stadtratsmitglieder eine ernüchternde Bilanz der ersten eineinhalb Jahre Masterplan Wohnen zogen, verkündete die Wormser Wohnungsbau GmbH, dass sie 25 Millionen Euro im Jahr 2018 in ihren Wohnbestand investieren werde. Nachdem lange Zeit die Wohnungsbau GmbH – aufgrund der plötzlichen Kündigung des vorhergehenden Geschäftsführers – in ihrer Handlungsfähigkeit etwas phlegmatisch wirkte, scheint mit dem neuen Geschäftsführer, Stefan Hoffmann, wieder neue Dynamik in die Sache zu kommen. Insgesamt hat Hoffman ein Investitionsprogramm bis 2022 in Höhe von 86 Millionen Euro angekündigt. Das Geld soll in die Sanierung und Modernisierung von Bestandsgebäuden, sowie in Neubaumaßnahmen fließen. In dieses Programm gehören auch die bereits begonnenen Neubauprojekte in der Würdtweinstraße mit 54 Wohneinheiten, der Neubau Bebelstraße mit 35 Wohneinheiten und die Carl-Villinger-Straße (siehe oben). Ende Februar 2018 soll die Modernisierung der Bebauung am Konrad-Meit-Platz abgeschlossen sein. Als Lösung erwies sich die Wohnungsbau GmbH auch bei dem Projekt Fischmarkt. Auf diesem Gelände, das aktuell als Parkplatz genutzt wird, soll ebenfalls Wohnraum entstehen. Auflage an potentielle Investoren war jedoch, auch eine Kita zu bauen. Da sich offenbar niemand fand, der diese Verantwortung auf sich nimmt, präsentierte man nun eine Inhouse-Lösung, sprich: die besagte Wohnungsbau wird Bauherr der Kita. Zusätzlich zur zweigeschossigen Kita sollen noch 30 Wohnungen entstehen. Bleibt zu hoffen, dass die Wohnungsbau GmbH bei diesen umfangreichen Herausforderungen nicht ihre derzeitigen Mieter vergisst. Wie man aus dem Umfeld des Wohnviertels jenseits der Würdtweinstraße hört, klemmt es dort offenbar wieder an den Heizungen. Ein Kältedrama, das es bereits vor einem Jahr schon mal gab und eigentlich behoben sein sollte.
Aus Grüne Schiene wird Soziale Stadt
Ein weiterer Baustein im notwendigen Masterplan ist die „Grüne Schiene“. Seitdem die Landesregierung die Fördermittel erheblich gesenkt hat, trägt die reduzierte Fassung den Beinamen „Soziale Stadt“. Ursprünglich hatte man bei dem Projekt vor allem die unschöne Bebauung oder Verwilderung jenseits der Bahnlinien im Wormser Nordend im Blick. Ein Geschäft mit der Bahn, der die Flächen gehört, ergab sich nicht, und nach der Absenkung der Fördermittel war ein Kauf ohnehin nicht mehr erschwinglich. Im Schwerpunkt sieht die Förderung jetzt das Nordend, den Stadtteil Neuhausen, sowie die Güterhallenstraße vor. Bedeutsam ist das Projekt vor allem deshalb, weil alle Beteiligten darauf hoffen, diese Wohngebiete durch die umfänglichen Maßnahmen, die nicht nur Bauprojekte beinhalten, aufzuwerten.