10. März 2018 | SAP Arena in Mannheim:
Sein im November letzten Jahres erschienenes „MTV Unplugged“-Album war die 18. Nummer-1-Platte in der Karriere von Peter Maffay – das ist Weltrekord. Am 10. März feierten mehr als 10.000 Fans in der restlos ausverkauften Mannheimer SAP Arena, die für den besonderen Anlass eines MTV-Unplugged-Konzertes komplett bestuhlt war, ein zweieinhalbstündiges Konzert der Extraklasse.
Die E-Gitarren blieben zwar diesmal außen vor, aber trotzdem ist Maffay auf seiner Unplugged-Tour mit 16 Musikern unterwegs, die bei manchen Stücken einen Sound entfachen, der dem eines klassischen Rockkonzertes kaum nachsteht. Die altbewährte fünfköpfige Maffay-Band ist erweitert um den holländischen Top-Gitarristen JB Meijers von „The Common Linnets“, sowie drei Streicher, drei Bläser, einen Percussionisten und drei Backgroundsänger. Johannes Oerding begleitet die komplette Tour und veredelt mehr als ein halbes Dutzend Songs mit seiner begnadeten Stimme, Ex-DSDS-Sternchen Linda Teodosiu glänzt bei Oerdings eigenem Song „So schön“, der ehemalige Rainbow-Keyboarder und langjährige Maffay-Sideman Tony Carey trägt Abend für Abend seinen 80er-Jahre Hit „Room with A View“ vor. Dazu kommen wechselnde Gäste, die – je nach Stadt – individuell dazu stoßen. In Mannheim z.B. Philipp Poisel bei „Ewig“, der im späteren Verlauf noch seinen eigenen Hit „Wie soll ein Mensch das ertragen“ zum Besten gab. Oder Adel Tawil bei „Nessaja“ und „Sonne in der Nacht“, am Vorabend in München hatte diesen Job noch Max Mutzke übernommen. An Tabalugas Hymne auf die Bewahrung der Kindheit hatten sich in anderen Städten bereits Katie Melua und Michael Patrick Kelly versucht. Gegen Maffays markantes, durchdringendes Timbre konnte aber keiner so recht anstinken. Aber der Reihe nach.
Vor dem etwas sperrigen Opener „Bring mich nach Haus“ sorgte auf der Videowand eine Karikatur der Maffay-Band auf dem Weg zum Tourort Mannheim für die Vorfreude des Publikums, das in der Folgezeit eine nahezu perfekte Konzertdramaturgie erwartete. Im ersten Teil des Konzertes, wenn die Aufmerksamkeit am größten ist, wurden neuere Songs wie „Gelobtes Land“ oder „Ewig“ und eher unbekannte Stücke wie „Der Mensch, auf den du wartest“ oder „Wenn der letzte Regen fällt“ dargeboten. Mit „Eiszeit“ hatte sich als vierter Song nur ein echter Klassiker eingeschlichen, der dank der um einige Strophen erweiterten, speziellen Unplugged-Fassung mit Johannes Oerding für den ersten Gänsehautmoment sorgte. Backgroundsängerin Charly Klauser übernahm den Gesangsjob von der in Mannheim verhinderten Jennifer Weist und sorgte mit dem Song „Leuchtturm“, der im Original von deren Band „Jennifer Rostock“ stammt, erstmals für Bewegung im Publikum. Nach gut 45 Minuten gab es dann im zweiten Block des Hauptprogramms ordentlich Futter für die Massen, mit einem Ausflug in ein „anderes Jahrtausend“, in dem Maffay nach seiner Metamorphose vom Schlager zum Rock zweifelsohne für viele eine Reizfigur war. Just mit den ersten Akkorden von „So bist du“ und erst recht beim ersten Nr. 1-Hit „Du“ gab es für das Publikum kein Halten mehr. Jetzt stand die ganze Bude bis hoch zu den oberen Rängen der SAP Arena. Nach dem Schlagerfutter für die Massen folgten ein rockiger Ausflug in die 80er („Schatten in die Haut tätowiert“ / „Liebe wird verboten“), sowie ein kurzer Schwenk in die 90er („Ich sag ja“ / „Ich will bei dir sein“). Bei den ersten Akkorden von „Und es war Sommer“ ging ein kollektives Juchzen durch die Halle, fast wie bei dem 16-Jährigen, der einst im Sommer von einer 31-Jährigen zum Mann gemacht wurde. „Weil es dich gibt“ kam, entgegen der CD-Version, mit einem locker shuffelnden Gitarrenarrangement daher, das Begeisterungsstürme hervorrief. Danach noch mit „Samstagabend in unserer Straße“ ein Klassiker aus Maffays Anfangsphase, der so klingt, wie Rock’n‘Roll „Made in Germany“ in den 70ern eben geklungen hat. Im letzten Drittel folgte der stärkste Teil des Abends, beginnend mit einer absolut minimalistischen Version von „Sieben Brücken“, wobei es Johannes Oerding dank seiner Ausnahmestimme gelingt, einem fast 40 Jahre alten Gassenhauer einen verletzlicheren Anstrich zu verpassen. Wenn dann Zehntausend gleichzeitig den Refrain singen, ist Gänsehaut vorprogrammiert. Vor „Halleluja“ warb der Multikulti Maffay dafür, dass die Menschen aufeinander zugehen sollen, anstatt immer mehr aufzurüsten und eine Mauer des Schweigens aufzubauen. Jemandem, der für sein Projekt „Begegnungen“ einmal um die ganze Welt gereist und mit Musikern von allen Kontinenten Songs eingespielt hat, nimmt man ein solches Statement sicherlich eher ab als einem Politiker. Überhaupt zählte – nach all den bekannten Hits am Stück – mit dem epischen „Halleluja“, das mit ergreifenden Filmeinspielungen auf der Videowand untermalt wurde, ausgerechnet ein Song neueren Datums zu den Höhepunkten des Abends. Im Anschluss an die Gastauftritte von Philipp Poisel und Tony Carey gesellte sich noch Adel Tawil zu „Nessaja“ mit auf die Bühne, ehe bei „Sonne in der Nacht“ und „Freiheit, die ich meine“ noch einmal die gesamte SAP Arena wackelte. Und während das Publikum noch Richtung Bühne blickend „Zugabe“ forderte, tauchten Maffay und Oerding plötzlich mit Akustikgitarren auf einem Treppenaufgang auf der Tribüne auf, um zusammen „Leuchtstreifen“ zu performen und schlagartig dafür zu sorgen, dass man eine Stecknadel in der Halle hätte fallen hören. Zur nächsten Zugabe „Siehst du die Sonne“ stöpselte die Maffay-Band noch einmal ihre E-Gitarren ein und fegte anschließend als letztes Lied noch „Dich zu sehn“ voll elektrifiziert über die Rampe. Der Lautstärkenunterschied war nun deutlich hörbar. Jetzt wurde es auch dem Kollegen von der schreibenden Zunft zu meiner Linken zu viel. Während die Leute um ihn herum ausgelassen feierten, verließ er fluchtartig vorzeitig die SAP Arena.