Gelesen und rezensiert von Dennis Dirigo
Wormser Gift
Vielen Wormsern*innen dürfte der Name Christa Lehmann ein Begriff sein. Von der Presse als Gifthexe und Giftmörderin in den Fokus der Schlagzeilen gebracht, schrieben ihre Taten deutsche Kriminalgeschichte. In der Zeit von 1952 bis 1954 ermordete die junge Frau drei Menschen mit dem Pflanzengift E605. In den Klatschspalten von Magazinen wie „Neue Revue“ wurde ausgiebig über ihr ausschweifendes Nachtleben geschrieben. Ihre Taten mit dem damals frei verkäuflichen Pflanzenschutzmittel verursachten eine regelrechte Epidemie von Selbsttötungen und Morden mit dem Gift. Verurteilt wurde sie letztlich zu dreimal „lebenslänglich“. Aber wer war die Frau, die laut Staatsanwaltschaft aus Heimtücke und niederen Beweggründen ihrem Ehemann, dessen Vater, ihrer besten Freundin und einem Hund das Leben nahm? Der in Dirmstein lebende Autor Walter Landin versucht in seinem Roman „Wormser Gift“ Antworten zu finden und erschafft dabei ein deprimierendes Bild einer Frau, die in ihrem Leben niemals eine Chance hatte. Zugleich funktioniert Christa Lehmanns Leben auch als Sinnbild für die Kehrseite des deutschen Wirtschaftswunders. Es ist ein Deutschland, in dem die Rollen zwischen Mann und Frau klar definiert sind, ebenso wie die gesellschaftliche Position, in der man sich befindet. Es ist ein Deutschland, das versucht, sich von den düsteren Schatten des Nazi-Regimes zu befreien. Landin schildert die Geschichte aus vier Perspektiven. Zu Beginn ist es die fiktive Figur des Kriminalassistenten Armin Kossmann, der den Leser an die Hand nimmt und in die Geschichte einführt. Zugleich steht dieser für ein neues, aufgeklärtes Deutschland („Männer und Frauen sind gleichberechtigt“). In der zweiten Hälfte ist es schließlich dessen Verlobte Annemarie, aus deren Augen wir den Prozess erleben. Auch der Autor Landin schildert zwischen den Kapiteln immer wieder kurze Szenen aus seinem Leben, das so viel anders verlief als das der Wormserin. Die wichtigsten Worte gehören jedoch Christa Lehmann. Eindringlich spürt er ihren Gedanken nach, versucht so herauszufinden, was diese Frau, die auch dreifache Mutter war, zur Mörderin machte. Es ist die Geschichte einer Frau, deren Leben von Gewalt in der Ehe, der Alkoholsucht ihres Mannes, der stetigen Armut und dem Traum von einem besseren Leben geprägt war. Letzteres sollte sich niemals erfüllen. Dennoch gilt auch für Christa Lehmann, wie es Landin in seinem Buch formuliert: „Hinter jeder Tat steckt ein Mensch mit Nöten und Träumen“. „Wormser Gift“ ist ein packendes Buch, ja ein erschütterndes Buch, das ein sensibles Bild des „Teufels in Menschengestalt“ zeichnet, das längst überfällig war.
Autor: Walter Landin
Worms-Verlag24,90 I 320 Seiten
ISBN: 978-3-947884-28-5
Der Totentanz von Beram
Bereits zweimal verwob der Mannheimer Dozent für Kunstgeschichte und Autor Helmut Orpel die Geheimnisse der Kunst mit einer spannenden Kriminalgeschichte. Im Mittelpunkt agierte bisher der Wormser Museumsdirektor Dr. Oliver Treschko. In Orpels drittem Roman ist allerdings so einiges anders. So ist Treschko nur noch eine Nebenfigur und der „ Kunstkrimi“, wie Orpel seine Bücher selbst nennt, weicht einem handfesten Thriller. Im Mittelpunkt der Geschichte steht zunächst der Mannheimer Kunsthistoriker Dr. Romeo Pöstgens, der von seinem neuen Arbeitgeber, dem Baseler Barfüsser Museum den Auftrag erhält, über ein Fresko in einer Kirche eine Abhandlung zu verfassen. Das Fresko und die Kirche befinden sich im kroatischen Istrien. Dort wird er einen Mordfall verwickelt, der in einem Waldgebiet in der Nähe des historischen Ortes geschah und er lernt dabei die taffe Kommissarin Jagoda Jugovac kennen. Tschetschenische Auftragskiller, Ex Agentinnen, Immobilienbetrug und illegaler Rohstoffhandel sind schließlich die Zutaten, mit denen insbesondere die Kommissarin im Laufe der turbulenten Geschichte konfrontiert wird. Die Geheimnisse rund um das Bild „Der Totentanz von Beram“ funktionieren allerdings mehr auf metaphorischer Ebene und versinnbildlichen den ewigen Kreislauf der Gewalt. Pöstges Figur spielt zu diesem Zeitpunkt dann auch nur noch die zweite Geige. Dass die Schilderungen rund um den Kunsthistoriker dennoch nicht störend zur Last fallen, liegt an den sympathischen Ton Orpels, die einen eleganten Lesefluss garantieren.
Autor: Helmut Orpel
Worms-Verlag24,90 I 336 Seiten
ISBN: 978-3-947884-19-3
Weitere Infos finden Sie hier: http://www.wormsverlag.de