Schon seit langem hegen die politischen Gremien in Worms den Wunsch nach einem Berufsgymnasium. Eigentlich sollte es die Fachrichtung Wirtschaft sein. Doch das Land sagte nein. Stattdessen bot man eine ganz neue Perspektive, nämlich die Fachrichtung Gesundheit und Soziales.
Geht es nach dem Willen der beiden großen Stadtratsfraktionen SPD und CDU sowie Sozialdezernent Waldemar Herder, so können Schüler ab dem Schuljahr 2022 in der Berufsbildenden Schule Wirtschaft dort in drei Jahren ihr Abitur mit der Ausrichtung Soziales und Gesundheit machen. Dementsprechend wurde das Konzept bei der Ausschusssitzung von der dortigen Schulleiterin Gabriele Münke vorgestellt. Vorbedingung des Landes ist, dass es mindestens 50 Neuanmeldungen geben muss. Geplant sind zwei Klassen. Voraussetzung für die Aufnahme in ein berufliches Gymnasium ist der qualifizierte Sekundarabschluss I oder ein gleichwertiger Abschluss mit einem Notendurchschnitt von mindestens 3,0. Dabei darf keines der Fächer Deutsch, erste Fremdsprache und Mathematik schlechter als mit „ausreichend“ bewertet sein. Am Ende der drei Jahre besitzt man nach bestandener Prüfung die allgemeine Hochschulreife. Inhaltliche Kenntnisse werden nicht erwartet.
Für Waldemar Herder ist die Sache klar, ein zusätzliches Schulangebot stärkt den Bildungsstandort Worms. Schulleiterin Münke, die dem Projekt zunächst skeptisch gegenüberstand, wie sie erklärte, sieht darin auch eine soziale Chance: „Es wird Schülern die Chance auf eine allgemeine Hochschulreife gegeben, die diese sonst nicht hätten.“ Herder ergänzte zudem: „Viele Wormser Schüler gehen nicht in Worms zur Schule und das ist ein schlechtes Zeichen.“ Die Vorlage der Stadtverwaltung verrät hierzu auch zahlen. 122 Wormser Schüler*innen besuchen derzeit Oberstufen am Alzeyer Aufbaugymnasium, 18 besuchen wiederum die Fachrichtung Gesundheit und Soziales in Mainz und in Ludwigshafen. Da für die neue Schulform mindestens 50 Schüler gebraucht werden, befürchtet Dr. Markus Wallenborn, Direktor des Rudi-Stephan-Gymnasiums, dass es zu einem Konkurrenzkampf unter den Oberstufen kommt, womit dem Schulstandort Worms mehr geschadet würde: „Was nach Vielfalt klingt, kann am Ende zum Schrumpfen der Oberstufenangebote führen!“ David Hilzendegen (Bündnis 90/Die Grünen) unterstützte diese Aussage und verwies darauf, dass es jetzt schon Probleme gäbe, bestimmte Leistungskurse anzubieten. Um dies mit Zahlen zu belegen, erklärte Udo Richter, Schulleiter der IGS Nelly Sachs, dass es bereits im vergangenen Jahr 100 Schüler weniger in Oberstufen gab. Timo Horst fühlte sich angesichts der ablehnenden Haltung an die Diskussion rund um die Einführung der IGS Nelly Sachs erinnert. Auch damals gab es zunächst viel Ablehnung. Mit Blick Richtung Udo Richter merkte Horst an: „Wenn sich damals die Ablehnung durchgesetzt hätte, wären Sie jetzt nicht hier in dieser Diskussion!“ Tatsächlich ist die IGS nach anfänglicher Ablehnung zwischenzeitlich fest verwurzelt in der Wormser Bildungslandschaft. Am Ende stimmten 18 Ausschussmitglieder für die neue Schulform, auch Udo Richter. Die Stadt stellt nun einen Antrag zur Errichtung eines zweizügigen beruflichen Gymnasiums für das Schuljahr 2022/23.
Nachtrag: Im Stadtrat am 8. April stimmte der Stadtrat mit 44 Ja-Stimmen dem Vorhaben zu, sodass die Weichen für das berufliche Gymnasium nun gestellt sind.
Text: Dennis Dirigo Fotos: Andreas Stumpf