Stadt Worms soll durch Anhebung von Steuern Fehlbetrag senken
Gäbe es eine realpolitische Version des amerikanischen Kassenschlagers „..und täglich grüßt das Murmeltier“, wäre die jährliche Konfrontation zwischen der Stadt Worms und der Aufsichtsbehörde des Landes sicherlich ein guter Rahmen. Denn man braucht kein findiger Drehbuchautor zu sein, um zu ahnen, dass der städtische Haushaltsentwurf bei den Buchhaltern des Landes auf Ablehnung stoßen wird.
In diesem Jahr wich das Drehbuch allerdings von dem üblichen Muster etwas ab. Statt einmal mehr einen Appell zu verfassen, mit der klaren Botschaft, dass die Stadt unverantwortlich handle und nun Geld einsparen müsse, schickte die Aufsichts- und Dienstleistungsbehörde (ADD) gleich zwei Protagonisten in den Haupt- und Finanzausschuss, um der Kommunalpolitik ins Gewissen zu reden. Dabei zeigte sich einmal mehr die fassungslosmachende Kurzsichtigkeit der Finanzkontrolleure des Landes. Es dürfte ein Besuch gewesen sein, der für alle Wormser/innen spürbare Folgen haben wird. Der Grund ist der jährlich eingereichte Haushalt.
Der Haushalt in Kürze
Eine Stadt am Leben zu halten, kostet Geld. Viel Geld. In Zahlen bedeutet das Ausgaben von 311 Millionen Euro. Dem stehen Einnahmen von rund 292 Millionen Euro gegenüber. Das macht einen Fehlbetrag von ca. 19,3 Millionen Euro. Das größte Teilbudget im Haushalt verschlingen die Sozialausgaben, die im Plan unter der Bezeichnung „Aufwendungen der sozialen Sicherung“ zusammengefasst werden und mit 106 Millionen Euro zu Buche schlagen. Das Problem hierbei: Die Stadt bekommt immer wieder von Bund und Land neue Aufgaben in diesem Bereich übertragen, für das sie allerdings nur wenige Finanzmittel zum Ausgleich bekommt. Unter den Sozialausgaben, die 34 Prozent der gesamten städtischen Ausgaben ausmachen, werden Sozialhilfeleistungen, Hilfe zur Pflege, Eingliederungshilfe, Erziehungshilfe und die Kitas zusammengefasst. Gegenfinanziert werden indes nur 17 Millionen Euro. Das wird in den nächsten Jahren nicht besser werden, da das Land sich bereits neue Belastungen ausgedacht hat. So fordert das verabschiedete Kita-Zukunftsgesetz die Schaffung von neuen Erzieherstellen. In Zahlen bedeutet das für Worms 80 neue Stellen in den nächsten Jahren (wir berichteten). Im selben Atemzug haben bereits in diesem Jahr kirchliche Träger verkündet, dass sie ebenfalls finanzielle Probleme hätten, wodurch sie sich zunehmend aus der Beteiligung zur notwendigen Erweiterung von Kitas zurückziehen. Im Stellenplan sind alleine im nächsten Jahr 25 neue Erzieher/innen vorgesehen. Das führt zugleich zu dem zweiten dicken Ausgabenposten der Stadt, nämlich den Personalaufwendungen. 78 Millionen Euro muss die Stadt 2022 für Mitarbeiter/innen aufwenden. Die Stadt beschäftigt rund 1.200 Mitarbeiter, nicht eingerechnet sind hierbei die Beteiligungsgesellschaften wie die Integration- und Dienstleistungsbetriebe, KVG oder Ebwo AÖR. Hierfür zahlt die Stadt Zuschüsse an die Betriebe. Zwar ist man jährlich bemüht, den Stellenplan auf Einsparmöglichkeiten zu überprüfen, doch das Potential ist gering, zumal Unvorhergesehenes, wie die zuvor beschriebenen neuen Erzieherstellen, dies unmöglich machen. Ähnlich sieht es im Bereich Sicherheit und Ordnung aus, wo man das Ziel anstrebt, den Bürger/innen einen 24-Stunden-Service zu bieten. Auch das bedeutet mehr Personal, also mehr Kosten. Die Haupteinnahmequelle ist wiederum die Steuer. Die unterschiedlichen Steuern, wie die Beteiligung an der Einkommenssteuer sowie Einnahmen durch die Grundsteuer oder Gewerbesteuer, belaufen sich auf 119 Millionen Euro. Letztere Steuereinnahme ist allerdings seit letztem Jahr Corona gebeutelt. Auch wenn sie für 2021 letztlich besser ausfiel als prognostiziert, dürfte diese Quelle für den kommenden Haushalt weiterhin nicht so ergiebig sprudeln wie in der Zeit vor Corona.
Zankapfel „freiwillige Leistungen“
Es ist eigentlich ein provokanter Titel, die Bezeichnung „freiwillige Leistungen“, suggerieren sie doch zunächst, dass es verzichtbare Ausgaben, also Luxus, sind. Doch würden Sie, liebe Leserinnen und Leser, in einer Stadt leben wollen, die keine Grünflächen mehr ausweist, das Schwimmbad schließt, keine Musikschule mehr anbietet, keine Sportplätze unterhält oder in der keine Busse, außer Schulbusse, mehr fahren? Auch die bereits erwähnten Beteiligungsgesellschaften werden in diesem Bereich abgebildet. Kurzum, die freiwilligen Leistungen, sind jene Posten, die eine Stadt erst mit Leben füllen und über den Status einer reinen Verwaltung heben. Aber auch das kostet Geld. In der Summe sind das 23 Millionen Euro. Zuletzt hatte man aufgrund der Corona-Krise diese Zahl genehmigt. Dennoch wird regelmäßig von den Wächtern über die Zahlen darauf verwiesen, dass man dort Einsparpotential erkenne. Doch auch zahlreiche Wormser/innen wollen in dieser Sparte Einsparpotential erkennen, insbesondere wenn man die städtische Beteiligung an den Festspielen streichen würde. Ist es aber eine Lösung, eine Veranstaltung zu canceln oder alle zwei Jahre stattfinden zu lassen, die der Stadt und vielen Bürger/innen auf anderen Wegen wieder Einnahmen garantiert?
ADD vs. Stadtrat
Um der Kommunalpolitik den erhobenen Zeigefinger entgegen zu strecken, besetzte die ADD in diesem Haushaltsthriller die Hauptrolle mit der Vizepräsidentin der Behörde, BEGOÑA HERMANN, die eigens den Weg von Trier nach Worms antrat. Die verwies in ihrer Rede darauf, dass ihre Behörde wegen der nachlässigen Haltung gegenüber Worms vom Landesrechnungshof gerügt wurde. In pathetischen Worten erklärte sie: „Wir haben uns massiv mitschuldig gemacht an der Misere, weil wir jahrzehntelang defizitäre Haushalte durchgewunken haben.“ Aber schuldig woran? Daran, dass man gemeinsam mit dem Landesrechnungshof und dem Landtag die Kommunen in der finanziellen Dürre stehen ließ? Nein, diese Schuld will man natürlich nicht erkennen. Vielmehr forderte die Behörde auf, bei Mittelfreigaben im Investivbereich allerstrengste Maßstäbe anzulegen. Auszahlungen müssen zweifelsfrei „unabweisbar“ und „alternativlos“ sein. Die Stadt Worms dürfe sozusagen keine andere Wahl haben, als eine bestimmte Ausgabe zu leisten. Wer durch die Straßen von Worms läuft, weiß allerdings schon längst, dass nur noch die Ausgaben getätigt werden, die unabwendbar sind. Doch wenn Sparen nichts mehr hilft, hat die Politik zumeist eine weitere geniale Idee in Petto, nämlich das Instrument der Steuererhöhung.
Steuererhöhungen, eine kurzsichtige Lösung
Es ist ein allzu beliebtes Instrument der Politik, die Steuererhöhung. Auch in Worms hat man damit bereits mehrfach unliebsame Erfahrungen gemacht, zuletzt Ende 2019. Gerade einmal ein halbes Jahr im Amt wurde Oberbürgermeister ADOLF KESSEL nett, aber bestimmt darauf hingewiesen, die Grundsteuer zu erhöhen. Bereits damals sorgte dies für Aufregung. Kessel verwies wiederum darauf, dass eine Anhebung des Hebesatzes der Grundsteuer B von 410 auf 470 Punkte finanziell verschmerzbar wäre. Doch ab wann beginnen Steuern zu schmerzen? Die ADD ist in ihrem nüchtern mathematischen Ansatz da sicherlich schmerzbefreiter als Bürger mit geringen Einkommen. So erklärte Hermann unumwunden: „Es ist Ihre Entscheidung, aber ich kann Ihnen sagen, ohne bei der Grundsteuer B den Durchschnitt der Flächenländer zu erreichen, schicken wir den Entwurf zurück“. So rechnete man vor, dass diese bei Städten mit 100.000 Einwohner bei 487 Euro liege und in Worms lediglich bei 398 Euro. Doch dieses Rechenbeispiel stimmt nicht so ganz. Tatsächlich liegt derzeit der Hebesatz im Bundesdurchschnitt bei 410 Punkten. In Worms wurde er vor zwei Jahren auf 470 erhöht. Nun sieht die Stadt eine Erhöhung um satte 80 Punkte für das kommende Jahr vor, wie Oberbürgermeister Adolf Kessel im Innenstadtausschuss mitteilte. ANDREAS SOLLER legte mittlerweile auf Basis dieser Erhöhung einen erneuten Haushaltsentwurf vor, der den städtischen Fehlbetrag auf zehn Millionen Euro senken würde. Während zwischenzeitlich die beiden großen Fraktionen CDU und SPD sich dem Narrativ der Alternativlosigkeit angeschlossen haben, hagelte es von den kleineren Fraktionen massiv Kritik. Denn klar ist, die Steuerschraube wird zu weiteren Problemen führen und ist schlicht und ergreifend kurzsichtig bis verantwortungslos gedacht. Es ist kein Geheimnis, dass die Mieten in Worms seit einigen Jahren ebenfalls nur noch den Trend nach oben kennen. Das dürfte sich mit der Grundsteuer B verschärfen, denn die kann vom Vermieter auf die Betriebskosten umgelegt werden. Für eine Politik, die seit Jahren darum bemüht ist, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, ist das eine Katastrophe mit Ansage. Zumal zu befürchten ist, dass die Landespolitik auch in den Folgejahren an dieser Schraube drehen möchte. Für Grundstückseigentümer ohne diese Möglichkeit bedeutet das schlicht und ergreifend ein weiterer Griff in den Geldbeutel. Gemeinsam mit steigenden Energiekosten und den wirtschaftlichen Folgen der Corona- Ära, ist das Geld, das dem Wirtschaftskreislauf entzogen wird und somit auch die Wormser Geschäftswelt nicht einnehmen kann. Für die Bürgerinnen und Bürger sind es zumindest Perspektiven, die allen Grund zu Bauchschmerzen geben. Ein kleiner Trost dürfte zumindest sein, dass die Finanzpolitik des Landes schon lange dafür sorgt, dass in der Liste der Pro-Kopf-Verschuldung 11 von 20 Städten in Rheinland-Pfalz zu finden sind, darunter auch Trier, die Heimat der ADD.
UPDATE: Nachdem bereits im Haupt- und Finanzausschuss 10 Mitglieder für die Erhöhung der Grundsteuer A um 30 Punkte und die Grundsteuer B um 80 Punkte stimmten, fand heute im Stadtrat (15.12.) die abschließende Abstimmung statt. Der Erhöhung wurde zum Haushaltsjahr 2022 mit 29 Ja-Stimmen und 21 Nein-Stimmen beschlossen. Die ADD forderte diese Erhöhung in Anbetracht des weiterhin defizitären Haushalts der Stadt Worms. Die Gesamtverschuldung (inklusive Altschulde) der Stadt Worms liegt bei 411 Millionen Euro.