WO! im Gespräch mit Maxim Juschak von der Ukraine Hilfe Worms
Es war der 27. Januar 2023, als ein Hilfstransport aus Worms nach einer rund zwanzigstündigen, beschwerlichen Fahrt endlich an seinem Ziel ankam, um in einem Krankenhaus in Cherson unter anderem Schokolade an die Kinder zu verteilen. Nur zwei Tage später wurde das Krankenhaus zum Ziel eines Raketenangriffs der russischen Armee.
Wenn der Wormser mit ukrainischen Wurzeln, MAXIM JUSCHAK, von diesem Moment erzählt, ist ihm anzumerken, wie schwer es ihm fällt, seine Emotionen im Zaum zu halten. Zu tief sitzt die Wut in ihm. Die Wut über einen russischen Präsidenten, der die Ukraine auslöschen möchte und der Frust darüber, dass viele Menschen noch ernsthaft daran glauben, dass Putin bereit sei, am Verhandlungstisch Platz zu nehmen. Im Blick hat er dabei die Demo, die am 28. Januar am Parmaplatz stattfand, also genau zwischen der Lieferung in die Kinderabteilung eines Krankenhauses in Cherson und dessen Zerstörung am 29. Januar. Geboren wurde die Idee eines „süßen Transports“ für die kriegsgebeutelten Kinder an Weihnachten im vergangenen Jahr. Damals, am 25.12.2022, hatten Wormser, darunter Maxim Juschak, gemeinsam mit ukrainischen Flüchtlingen einen Weihnachtsgottesdienst in der Lukaskirche organisiert. Neben einem Krippenspiel, das man gemeinsam auf die Beine stellte, gab es natürlich für die Kleinsten noch ein paar süße Leckereien. Wie Maxim Juschak im Gespräch mit WO! erzählt, wurden unter anderem auch Orangen von ANTJE HERZIG und Weihnachtsschokolade von INA HEYDASCH an die Kinder verteilt. „Die übrig gebliebene Schokolade haben wir da- nach in die Ukraine transportiert, um sie dort zu verteilen. Unser Fahrer vor Ort hat diese Schokolade mit anderen Lebensmitteln und medizinischen Gütern in ein Krankenhaus nach Cherson gebracht“, ergänzt Juschak. Zwei Wochen später machte sich der Fahrer erneut auf den Weg in die Region. Diesmal blieb ihm allerdings nicht mehr, als das zerstörte Krankenhaus sowie eine bombardierte Schule fotografisch festzuhalten.
Ein langer Weg bis nach Cherson
Möglich sind diese Transporte natürlich nur durch die Unterstützung von Menschen, die sich in diesen Zeiten wagen, den mitunter gefährlichen Weg auf sich zu nehmen. Ein solcher ist TARAS CHITRIJ, der nahe an der polnischen Grenze lebt und einer der wenigen Ukrainer ist, der das Land verlassen darf. Maxim Juschak erklärt, dass das möglich ist, wenn man mindestens drei Kinder hat oder ein Kind mit besonderer gesundheitlicher Beeinträchtigung. Im Falle von Taras sind das gleich fünf eigene Kinder und zusätzlich fünf Waisenkinder, die er in Obhut hat. In Polen abgeholt, wird die Ware in ein Zwischenlager in der Ukraine gebracht. Dort übernimmt dann VLAD, ein Pastorensohn aus Poltawa, den Transport. Hierfür hat die Ukraine Hilfe Worms einen weißen Sprinter zur Verfügung gestellt. Mit diesem Sprinter fährt er einmal in der Woche in die Region Charkiv oder in die Region Cherson. Vlad hatte auch den Kontakt zu dem Krankenhaus in Cherson und die Idee, die Schokolade dorthin zu fahren. Maxim Juschak erklärt: „Aufgrund des persönlichen Kontakts wollte er, dass genau diese besonders schönen Schokonikoläuse zu den krebskranken Kindern einer onkologischen Abteilung dieses Krankenhauses kommen.“
„Die Schokolade ist ersetzbar…“
Cherson ist eine rund 40.000 Einwohner große Stadt auf der Krim und wurde bereits kurz nach der russischen Invasion von Russland eingenommen. Im September 2022 eroberte die Ukraine das Gebiet und die Stadt zurück. Seitdem ist die Stadt immer wieder das Ziel russischer Raketenangriffe. So auch am 28. Januar. Am selben Tag, als in der Wormser Innenstadt eine bunt zusammengewürfelte Truppe am Parmaplatz ausdrücklich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine demonstrierte. Nur einen Tag später erreichten Maxim Juschak schließlich die Bilder des zerstörten Krankenhauses. Nicht nur für den Wormser war dies ein Schock. Ob Kinder gestorben sind, weiß er zwar nicht, aber die Bilder verheißen nichts Gutes. „Die Schokolade ist ersetzbar aber das, was die Menschen täglich erleben, werden sie nie wieder vergessen…“, sagt Juschak, der selbst Familienvater ist, und fügt an, dass es vor dem Hintergrund solcher Gräuel nur schwer verständlich ist, wenn Menschen sich vehement gegen Waffenlieferungen aussprechen. Dabei stellt er die Frage, wie man mit jemanden verhandeln soll, der dem anderen das Existenzrecht abspricht? Mit Blick auf „Das Manifest“ ergänzt er: „Solche Erfahrungen sind schwer zu ertragen und ich gebe mein Bestes, positive Dinge zu berichten. Aber gerade aufgrund der aus meiner Perspektive zynischen Petition (Wagenknecht, Schwarzer und co.) der letzten Woche, merke ich, dass ich auch diese traurigen Momente teilen sollte – vor allem, weil die humanitäre Hilfe, die wir dahin liefern, durch viele helfende Hände aus Worms und Umgebung zusammengetragen wird.“
Weitere Hilfstransporte geplant
Die russischen Aggressionen werden allerdings die Wormser Ukraine Helfer und ihr Netzwerk in Polen und der Ukraine nicht davon abhalten, weiterhin Hilfstransporte in die Region zu fahren. Dass so viele Menschen helfen, ist für Juschak nicht selbstverständlich. So erklärt er: „Diese Fahrer arbeiten, genau- so wie wir hier, freiwillig ohne Bezahlung. Wir geben nur Geld für das Benzin und auch das aktuell nur für die erste Strecke. In der Ukraine selbst legen die Ukrainer ihr Geld für Sprit und Sachspenden (vor allem Lebensmittel) zusammen.“ Mit Blick auf die gegenseitige Unterstützung betont der Wormser: „Alles hängt am Zusammenhalt der Gesellschaft, der gerade echt gewaltig ist. Das ist eine krasse Erfahrung, die auch nach dem Krieg lange nachwirken wird und die Menschen stark vereint.“ Am 25. Februar organisierte die Wormser Ukraine Hilfe eine Kundgebung „Solidarität für die Ukraine“ auf dem Marktplatz. Dort wurde erneut Schokolade gesammelt, um diese mit einer weiteren Lieferung von überlebensnotwendigen Sachen im Laufe der nächsten Wochen in die Ukraine zu fahren. Seit Jahresbeginn wurden durch die Wormser Organisation bereits fünf Transporter voll mit humanitärer Hilfe in die Ukraine geschickt. Mehrere wurden dabei schon zerstört. Bei dem erneuten „süßen Transport“ will Maxim Juschak selbst hinter dem Steuer und zumindest bis zur polnischen Grenze fahren. Zum Abschluss des Gesprächs mit WO! betont Maxim Juschak: „Die Kinder dort sollen wissen: Wir glauben, dass nicht Zerstörung, sondern Freiheit und Freude den Schlussakkord setzen werden. Das bleibt auf alle Fälle meine Zuversicht.“
Wer Schokolade und Hilfsgüter spenden möchte, kann diese jederzeit tun. Die vollständige Liste finden Sie unter: www.ukraine-hilfe-worms.de
Die Spenden können in der Sammelstelle The Burger Kitchen (Ludwigstraße, Worms) abgegeben werden.
Text: Dennis Dirigo Fotos: privat