Frühlingszeit, das ist in Worms auch der Beginn der Festspielzeit. Anfang Mai luden selbige zur großen Pressekonferenz, bei der das Ensemble des diesjährigen Stücks „BRYNHILD“ vorgestellt wurde. Noch nicht einmal zwei Wochen später fand – ebenfalls unter Anwesenheit der Presse – der Probenauftakt statt.
Zu Beginn der Pressekonferenz betonte der deutschlandweit bekannte Filmproduzent und Intendant der Festspiele, NICO HOFMANN, dass die Nibelungen-Festspiele seit Beginn seiner Intendanz 2015 ein sehr viel höheres künstlerisches Niveau erreicht hätten. Tatsächlich kann man den Festspielen attestieren, sich seit den Tagen von Dieter Wedel gewandelt zu haben. War Wedel früher allgegenwärtig, sind es nun wechselnde kreative Köpfe, die sich Jahr für Jahr mit mal mehr („Siegfrieds Erben“), mal weniger („Überwältigung“) gelungenen Stücken am Nibelungen Mythos abarbeiten. Da die Festspiele unter Hofmann auch stets gesellschaftlich relevant sein wollen, wundert es nicht, dass die dies- jährige Uraufführung ganz im Zeichen der Diversität steht. Nico Hofmann bezeichnete dement- sprechend die Aufführung als interessantes Experiment, verwies aber auch darauf, dass man das nicht tue, weil es woke sei, sondern „weil wir eine gemischte Gesellschaft sind, dazu müssen wir stehen“. Gleichzeitig ergänzte er: „Mich nervt die Politisierung von Diversität.“ Diversität heißt in diesem Fall: Ein multiethnisches Ensemble trifft auf feministischen Kampfgeist, denn die Autorin MARIA MILISAVLJEVI? erzählt die Ge- schichte aus der tragischen Perspektive der titel- gebenden Brynhild. Beim Probenauftakt im Oberen Foyer des Wormser Theaters erklärte zu Beginn Regisseurin P?nar Karabulut: „Was ich so spannend finde: Wie erzähle ich eine Geschichte neu, die so im kulturellen Gedächtnis festgeschrieben ist?“ Und sie fragte weiter: „Oder ist sie so festgeschrieben, dass sie immer wieder- kehrt wie ein Alptraum?“ So findet sich die isländische Göttertochter Brynhild in dem Zwiespalt zwischen Tradition und Selbstermächtigung wieder. Karabulut dazu: „Kann sie als Frau, als weiblich gelesener Körper, aus ihrer Rolle ausbrechen? Schafft sie es allein? Wer ist stärker: Sie oder die Geschichte?“
„FRISCHA, NICHT FRIGGA!“
Und die Männer? Die entzauberten sich bereits zu Wedels Zeiten als gierig, überheblich und im falschen Sinne loyal. Das ändert sich auch in diesem Jahr nicht, denn neben der weiblichen Perspektive beschäftigt sich das Stück auch mit der Frage nach dem Heldentum. Exemplarisch ist hierfür gleich die erste Szene, die bei der ersten öffentlichen Lesung vorgetragen wurde. Sigurd (BEKIM LATIFI) wird unmittelbar nach der Tötung des Drachen von Reginn ( JENS ALBINUS) zum Helden erklärt – obwohl er selbst von seiner vermeintlichen Heldentat eher unbeeindruckt scheint. Den Schatz hat er nicht mitgenommen, stattdessen wirft er seinem Begleiter vor, nur des Schatzes wegen an der Tötung des Drachen interessiert gewesen zu sein. Als Sigurd schließlich nach Isenland kommt, begegnet er Frigga, die mit Blick auf ihn fragt: „Wie kann es einer wagen, mit so einem Gesicht hier aufzukreuzen?“ Gespielt wird Odins Gemahlin Frigga von PARISA MADANI, die bei der Pressekonferenz gleich mal deutlich machte, wer die starke Frau im Saal ist! Als „mysterious international Superstar“ angekündigt, stolzierte sie selbstbewusst auf die Bühne, um zunächst einmal die anwesenden Gäste einem Sprachkurs zur korrekten Aussprache ihres Rollennamens („Frischa, nicht Frigga“) und des Vornamens der Regisseurin („nicht Pinar, sondern P?naar“) zu unterziehen. Darstellerischer Mittelpunkt ist allerdings nicht Parisa Madani, sondern LENA URZENDOWSKY. Für die erfolgreiche junge Filmschauspielerin („Zoo“, das Amazon Remake von „Christiane F.“ und „Lude“, ebenfalls Amazon) ist es das Freilufttheaterdebüt. Urzendowsky spielt mit der Figur Brynhild dann auch gleich mal die Hauptrolle.
FILM ALS WICHTIGES STILMITTEL
Zentrales Element des Bühnenbildes ist eine riesige LED-Leinwand. Diese ist nicht nur ein zusätzliches gestalterisches Element, sondern wird auch ganz im Sinne einer Leinwand Projektionsort für mehrere filmische Elemente sein. Zugleich dient sie als Übergang von Zeit und Raum. Da eine Leinwand auch Schauspieler braucht, die eine Leinwand entsprechend füllen können, präsentierten Hofmann und Co. bei der Pressekonferenz den „Special Guest“ von „BRYNHILD“, den Bodybuilder und Schauspieler RALF MOELLER, der per Videogruß vom Frühstückstisch in Hollywood grüßte. Moeller spielt den Drachen Fafnir. Wie er das tut, das ist natürlich im Moment noch ein Geheimnis. Bekannt ist bisher nur, dass man hierfür im Odenwald dreht. Alles Weitere gibt es dann ab dem 7. Juli vor dem Wormser Dom zu bestaunen.
Text: Dennis Dirigo Fotos: Andreas Stumpf