Worms stand auf gegen Rechtsextremismus und wählte dann doch die AfD
Wenn man 2024 Beispiele suchte, wie gespalten unsere Gesellschaft ist, so konnte man bei zwei Ereignissen fündig werden. Einerseits war es ein eindrucksvolles Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit, als am 27. Januar mehr als 4.000 Menschen in Worms zusammen Haltung für Demokratie bezogen, andererseits wurde die auf Bundes- ebene in Teilen rechtsextreme Partei AfD zur drittstärksten Kraft im Wormser Stadtrat gewählt.
27.01.24: WORMS STAND AUF GEGEN RECHTSEXTREMISMUS
Die Idee zu dieser Demonstration wurde am „Run- den Tisch gegen Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus“ geboren. Die Veranstaltung trug dabei den Titel „Alle zusammen gegen die AfD“. Auslöser einer Reihe von Großdemonstrationen, die zu diesem Zeitpunkt überall in Deutschland stattfanden, waren die Rechercheergebnisse des Medienhauses Correctiv. In einem Beitrag am 10. Januar 2024 berichteten sie von einem „Geheimplan gegen Deutschland“ (Die Seite ist zwischenzeitlich nicht mehr abrufbar, Anm. der Red.), der von hochrangigen AfD-Politikern, Neonazis und finanzstarken Unternehmern bei einem Ge- heimtreffen entworfen wurde. Schnell verbreitete sich das Wort der Remigration. So entwarf der bekannte österreichische Rechtsextremist Martin Sellner bei dem Treffen den „Masterplan Remigration“. Demnach sollen drei Gruppen ausgewiesen werden: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und „nicht assimilierte“ (deutsche) Staatsbürger. Sellner selbst darf zwischenzeitlich nicht mehr nach Deutschland einreisen. Der mittlerweile preisgekrönte Beitrag empörte die Menschen und trieb auch in Worms rund 4.000 Menschen auf die Straße. Darunter auch Oberbürgermeister ADOLF KESSEL, der bereits zuvor bei der Kranzniederlegung zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus sprach. Beeindruck von der Teilnehmer- zahl erklärte er: „Auch Worms reiht sich heute in die Vielzahl von Städten ein, die zeigen, dass eine wehrhafte Demokratie von einer wachen und aktiven Zivilgesellschaft vor Ort lebt.“ Kessel betonte, dass auch die Wormser keinen Rechtsextremismus in ihrer Mitte wollen und mahnte: „Die Geschichte darf sich nicht wiederholen!“ In den folgenden Wochen kam es in diesem Zusammenhang zu zwei weiteren Demonstrationen, die allerdings nicht mehr annähernd so viele Menschen mobilisieren konnten. Gingen am 17. Februar 2024 noch rund 1.000 Menschen auf die Straße, waren es am 23. März 2024 nur noch rund 300 Bürger, die für Vielfalt, Toleranz, Demokratie und gegen Rechtsextremismus und die AfD demonstrierten. Dass die AfD deutlich mehr Sympathien in Worms hat, als manchem lieb sein dürfte, zeigte dann am 9. Juni 2024 das Ergebnis der Kommunal- und Europawahl.
09.06.24: AFD BEI DER KOMMUNALWAHL
Am Ende der Auszählung war klar, das politische Schreckgespenst AfD ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Bei der Wahl für den Wormser Stadtrat kam die Partei auf 19,7 Prozent der abgegebenen Stimmen und gewann damit zehn Plätze, zwei weniger als die SPD. Mit nur noch 13 Sitzen wurde die CDU stärkste Kraft. Bei der Europawahl schnitt die AfD sogar noch ein Stückchen besser ab und kam auf 20,6 Prozent. Das Erstaunlichste bei dem Ergebnis ist allerdings die Tatsache, dass die AfD, entgegen des gängigen Klischees, hauptsächlich in sozialen Brennpunkten gut abzuschneiden, auch in den bürgerlich geprägten Bezirken und Stadtteilen auf viel Zustimmung stieß. So schnitt die AfD in Herrnsheim mit 25,2 Prozent als stärkste Kraft ab. In Abenheim kamen die SPD und die CDU zwar mit 25,7 und 25,6 Prozent auf ein besseres Ergebnis, die AfD schnitt mit 24,5 % allerdings nur unwesentlich schlechter ab. Das Bild zeigte sich in nahezu allen Wahlbezirken. Ein Verlierer war allerdings auch die Wahlbeteiligung, die gerade mal bei 54,1 Pro- zent lag. Für den Stadtrat bedeutete das Ergebnis wiederum die Suche nach neuen Koalitionspart- nern, da die Koalition aus SPD und CDU keine Mehrheit im 52 Plätze umfassenden Rat mehr hat. Da man weiterhin ausschließt, mit der AfD zu koa- lieren, suchten die beiden Parteien Gespräche vor allem mit „Worms will weiter“ und „Die Grünen“. In der letzten Stadtratssitzung vor Weihnachten verkündete schließlich die CDU Worms gegenüber „Worms will weiter“, dass man zukünftig mit den Grünen zusammenarbeiten werde. Aber das ist eine andere Geschichte.
Text: Dennis Dirigo Foto: Andreas Stumpf